Opiateentzug

Poncic

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14.10.2007
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77
Beruf
Krankenpfleger, Algesiologische Fachassistenz
Hallo an alle!

Ich hab ´ne Frage zu Opiateentzug, nicht bei Drogenabhängigen, sondern bei Patienten mit chronischen Schmerzen die in ihrer Hilfslosigkeit mit dem Opiaten übertrieben haben und auf eine "normale" Dosis gebracht werden sollen.
Dosisreduktion ist oft problematisch, da psychische-, physische- und Vigilanzprobleme auftauchen.

Kennt sich da jemad aus? Bin für alle Infos über Internetseiten, Bücher und praktische Erfahrungen, dankbar!

Schöne Grüße, Poncic
 
Hallo,

es gibt so einen Satz der sagt: Nur der Patient mit Schmerzen kennt seine Schmerzen - den ich recht sinnvoll finde.

Wer sagt, dass der Patient mit seinen Medikamenten übertrieben hat?

In der Regel meint es immer ein Hausarzt. Wir machen in der Klinik ein Schmerzkonsil und stellen den Patienten entsprechend ein, dass er schmerzfrei ist.
Viele chronische Schmerzpatienten bekommen eine Kombination an Schmerzmitteln, die regelmässig eingenommen die Menge der Opiate reduzieren. Ansonsten werden wenn möglich Opiate LANGSAM ausgeschlichen oder durch Pflaster ersetzt.

Eine Standardaussage gibt es nicht, ggf. wird wie bei einem Polytox. Patienten entzogen (ich habe es noch nie erlebt).

Liebe Grüsse
Narde
 
Hallo Narde!
Viele chronische Schmerzpatienten bekommen eine Kombination an Schmerzmitteln, die regelmässig eingenommen die Menge der Opiate reduzieren.
Genau das klappt eben nicht so richtig.

Aber ich weiß nicht ob ich das Problem richtig beschrieben habe, daher veruch ich´s noch mal.
Also: es geht in erster Linie um Pat. mit nicht-tumorbedingten, chronischen Schmerzen, die Opiate einnehmen ohne Verbesserung der Schmerzsituation. Dazu kommt, daß viele Patienten eine psychische bzw. psychosomatische Komponente in der Anamnese haben( Komponente, die schon vor der Erkrankung da war oder durch die Schmerzkrankheit hervorgerufen wurde, z.B. Depression, Alexithymie), die eine Um / Einstellung erschweren.
Ein anderes Problem ist, daß einige Patienten einige Wirkungen der Opiate, z.B. sedierende, als Möglichkeit nehmen um sich mit ihrer Umwelt nicht außeinander setzen zu müssen. Oder einfach durch die falsche Anwendung eine Abhängigkeit sich entwickelt hat--> beim Versuch dies zu ändern( d.h. Opiatreduktion) kommt es zu Entzugssymptomen. Sind motorisch sehr unruhig, stören dabei die Mitpatienten, manche sind psychisch agitiert. Patienten haben aber auch weiterhin Schmerzen und verlangen große Mengen an Rescue-Medikation um Dosisreduktion auszugleichen. Sie glauben nicht an das Medikament, auf das evtl. umgestellt wurden.

Ich hab das jetzt, evtl. zu sehr dramatisch beschrieben, es kommt nur in abgeschwächter Form vor und auch nicht alle Probleme auf ein Mal. Aber um dem Problem besser zu begegten, wollte ich mich an d. Forum wenden.

Schöne Grüße , Poncic
 
Hi hab gerade mal gelesen,

bin neuerdings im Drogen- und Suchtbereich (weniger chronische Schmerzen, war jedoch lange in der Onkologie und Anästhesie). Klar ist ja schonmal das:

Physisch:
Das vordergründige Problem das sich für mich da aufwirft ist, das bereits nach vier- bis fünfmaliger Verabreichung von Opiaten (vor allem bei i.v.- Injektionen) es zu starken Suchtsymptomen kommen kann (d.h. auch das eine höhere Dosis notwendig wird).

Psychisch:
Opiumderivate wirken ja im lymbischen System an den GABAa- Rezeptoren der formatio reticularis... und nehmen Einfluss auf die Gefühlswelt des Patienten (Bezug: Rezeptoragonisten).

Grundsätzlich ist meiner Meinung nach die physische Abhängigkeit die sich schnell entwickelt eher das Problem. Der Patient weiß ja nicht im Voraus wie das Medikament sich in seiner Wirkung "anfühlt". Sie merken ja erst in zweiter Linie, dass es ihnen mental bzw. psychisch (für den Moment) "besser" geht.

Bei uns im Suchtbereich ist das Ziel zumeist auch eine Einstellung der Medikation bzw. ein Absetzen des Suchtmittels. Grundsätzlich wird bei uns der "Entzug" langsam vollzogen. D.h. es muss kein Patient Entzugssymptome ertragen (die Zeiten des kalten Entzugs sind vorbei), sondern, wenn eindeutige Entzugssymptome auftreten, dann wird entsprechend der schwere der Symptome eine Erhöhung der Dosis verabreicht. Ich denke auch das, dass Ziel einer Morphiumsubstitution im KKH vordergründig eine langsame Substitution mit flexibler Dosisanpassung zur Vermeidung von progredienten Entzugserscheinungen, zur Anwendung kommen sollte (bzw. kommt)...

Vielmehr ist jedoch das Problem, das die Toleranzgrenze der Entzugserscheinungen (von Seiten des Patienten), relativ unterschiedlich ist. So das die Einschätzung seitens des Behandelnden sich äußerst kompliziert gestaltet. Ein besonderer Schwerpunkt ist gerade in userem Bereich eine ausführliche Suchtanamnese und engmaschige Kontrolle des Patienten, dahingehend das er keinen kalten Entzug durchleben muss. Dann kommen auch noch Patienten die Entzugssymptome simulieren hinzu (soll nicht negativ klingen, aber bei uns kommt es durchaus vor und dann ist die Substitutionstherapie gefährdet, da keine "objektive" Beurteilung mehr gewährleistet ist).

In Drogen- und Suchtbereich:
Außerdem kommen Präparate zur Anwendung, welche die Sucht nicht begünstigen (genaue Wirkung kann ich nochmal bei Interesse bei unserem Arzt erfragen, wobei es sich soweit ich mich erinnern kann um: Rezeptor- Agonisten + Rezeptor- Antagonisten handelt). Bei uns werden drei Mittel zur Substitution angewandt:

- Subutex - Wirkstoff: Buprenorphin - Rezeptor- Ago- und Antagonist
- Methadon - Wirkstoff: Gleich
- Drittes hab ich vergessen ;-) ... irgendwas mit P ^^

Über Kritik bin ich immer dankbar...
 
@poncic Ich setze mal voraus, dass deine These stimmt.

Eine Reduzierung der Opiate ohne Begleittherapie gehört in die Hände von Fachkräften- sprich Suchttherapeuten. Ein Somatiker sollte davon tunlichst die Hände lassen. Eine Auseinandersetzung mit der Umwelt kann man nicht über die Senkung der Opiatmengen erreichen. Es geht darum, an der Ursache für diesen Rückzug zu arbeiten. Und dazu gehört mehr als das eine Medikament durch ein anderes ersetzen.

Und trotzdem bleibt die Frage: Wer bestimmt eigentlich, dass die Opiattherapie falsch ist für den Pat.? Von welchen Schmerzen reen wir eigentlich? Ist ein ausgebildeter Schmerztherapeut in die Behandlung involviert?

Elisabeth (die Angst hat irgendwann mal an solche "Schmerztherapeuten" zu gelangen)
 
Eine Reduzierung der Opiate ohne Begleittherapie gehört in die Hände von Fachkräften- sprich Suchttherapeuten. Ein Somatiker sollte davon tunlichst die Hände lassen.

Dazu muss ich sagen, das Anästhesisten ja spomatische Spezialisten der u.A. Analgesie sind. Sie sind im unserem KKH (so wie ich denke auch in anderen Häusern) für eine korrekt angewandte analgetische Therapie zuständig sind. Gerade chronische Schmerzen bei Tumorerkrankungen sind neben Narkosen ihre Aufgabe (Bezug: PCA- Pumpen). Und dazu muss ich sagen bei uns funktioniert das wunderbar. Es darf innerhalb der Therapie "eigendlich" nicht zu einer ausartenden Suchterkrankung kommen (ich habe es zumindest noch nie in dem Ausmaß erlebt). Ich denke nicht das Suchttherapeuten bei "normalen" Patienten (chronische Schmerzpatienten) die als Grunderkrankung keine Drogen- u. Suchterkrankung haben anklang finden.

Eine Auseinandersetzung mit der Umwelt kann man nicht über die Senkung der Opiatmengen erreichen.

Da muss ich aber zu sagen das der Fokus der Therapie herachisch ist:
1. Entgiftungsphase
2. Entwöhnungsphase
3. Nachsorge- u. Rehabilitaionsphase

Einhergehend mit psychosozialer Betreuung

Das beschriebene Thema ist sehr problematisch da es sich mit "chronischen Schmerzpatienten" und "Drogen- u. Suchtpatienten" stark vermischt. Bei einem Patienten auf der Normalstation finde ich sollte zunächst mit der Anästhesie Rücksprache gehalten werden (bzw. in Rücksprache mit dem Behandelndem). Sollte sich eine Abhängigkeit diagnostizieren lassen, sollte dann differenziert interveniert werden (wobei das immernoch Angelegenheit des Arztes ist).
 
Einhergehend mit psychosozialer Betreuung

Und genau da liegt der Knackpunkt. Das ist in einer somatischen Klinik nicht möglich und somit das Unterfangen von vornherein als fragwürdig anzusehen.

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth und Robin, und danke für die Aufmerksamkeit auf meine Frage!
In meinem Beitrag geht es um nicht "drogensüchtige", nicht psychiatrische Patienten die starke, chronische, nicht tumorbedingte Schmerzen haben wo die Opiate keine oder nicht zufriedenstellende Wirkung haben. Hoher Grad der Chronifizierung liegt vor.In einigen Fällen haben die Patienten eine psycho-somatische Komponente, bzw. es entsteht im Laufe der Schmerzkrankheit ein Problem (z.B Depression).
Elisabeth Dinse schrieb:
Und trotzdem bleibt die Frage: Wer bestimmt eigentlich, dass die Opiattherapie falsch ist für den Pat.?
Nicht die Opiattherapie an sich, sondern die Wahl des Medikamentes oder der Dosis. Manchmal ist bei dieser Schmerzform der Opioid auch nicht das richtige Mittel und es wird versucht den Patienten neu einzustellen. Wenn der Opiat nun aber etwas hilft, da hat der Patient die Angst das Mittel aufzugeben um etwas neues auszupribieren, weil seine Erfahrung sagt ihm:" Es hilft eh net"
Von welchen Schmerzen reen wir eigentlich?
Schmerzen verschiedener somatischer Genese(z.B.PostZosterNeuralgie, Spinalkanalstenose, Bandscheibevf usw). Patienten haben OP´s, verschiedene schmerztherapeutische Behandlungen, physikalische und medikamentöse Therapien hinter sich. Mit wenig Erfolg --> Schmerzmedikation die etwas hilft (oder anfangs geholfen hat) wird dann immer wieder erhöht und zwar so, daß die Schmerzen nicht weniger aber die Nebenwirkungen immer mehr werden.
Daher wird Opiatreduktion bzw.Opiatumstellung vorgenohmen.
Patienten sind in dem Teufelskreis gefangen: Schmerz-> Medikament-> hilft wenig-> wieder Medikament->Schmerz geht nicht weg-> noch mehr Medikament-> Wirkung ungenügend-> Resignation, Depression, Schlaflosigkeit, Angst, Verzweiflung. Die Patienten haben jahrelange Therapie hinter sich, die aber keine (oder wenig) Wirkung zeigt.
Ist ein ausgebildeter Schmerztherapeut in die Behandlung involviert?
Schmerztherapeuten,Psychologen, Neurologen, Physiotherapeuten, Musiktherapeuten, Kunsttherapeuten.
Ist ja nicht immer so problematisch, in 99% ist alles OK, und die Schmerz einstellung ist wunderbar. Weinende und verzweifelte gehen glücklich oder zumindest zufrieden(Schmerzreduktion um 4-5 Punkte) nach Hause--> also Elisabeth, keine Angst, es ist nicht immer so schlimm.

Man, ganz schön viel Text geworden, sorry, aber das Thema ist zu komplex um nur einen Zeile zu benutzen. Schöne Grüße, Poncic.
 
Bleiben die wenigen, die offensichtlich mit eurem Therapieversuch nicht zufrieden sind. Muss man jeden zufriedenstellen? Was spricht gegen die Weitergabe von Opiaten? Hat der Pat. nicht ein Mitentscheidungsrecht in der Therapie?

Chronische Schmerzen sind ja ein Thema für sich. Oft lässt sich somatisch keine Ursache für die Schmerzen mehr ausmachen... und trotzdem haben diese Pat. Schmerzen. Wie schon narde feststellte: nur der Pat. weiß, wann und wie er Schmerzen hat.

Elisabeth