Menschenwürde unantastbar

Elisabeth Dinse

Poweruser
Registriert
29.05.2002
Beiträge
19.809
Beruf
Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
Akt. Einsatzbereich
Intensivüberwachung
Menschenwürde unantastbar
Wunsch oder Wirklichkeit?

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser Satz wird oft und gern zitiert. Als Forderung, als Ermahnung, als Beweis unserer Kultur. Seit 50 Jahren steht diese Aussage von der Unantastbarkeit der Menschenwürde an erster Stelle unseres Grundgesetzes, das ist wohl einmalig in der Welt. Es war eine Reaktion auf die Unmenschlichkeit im 3. Reich.
...

Immer wieder stolpere ich über die Aussage: menschenwürdig pflegen.

...
Wie sieht es mit dieser Aussage in der Praxis aus? Wie oft wird sie täglich widerlegt! Liegt dies an der Form der Formulierung, die ja den Eindruck entstehen läßt, daß es so sei mit der Unantastbarkeit? Der Inhalt kann ja wohl nicht so falsch sein. Liegt es vielleicht an einem mangelnden inhaltlichen Verständnis des Begriffes?
...

Zitate aus:
Menschenwuerde

Elisabeth
 
Gerne zittierter Satz bereits in der Ausbildung. Aber bereits bei Routinemäßigen Tätigkeiten ist die Wahrung der Menschenwürde oft nicht vollständig machbar. Allein schon die Unterstützung der Körperpflege schneidet in die Menschenwürde merklich ein. Es gefällt niemanden sich von "wildfremden" Menschen den Intimbereich waschen lassen zu müssen, selbst wenn dieser Mensch die Tätigkeit als Beruf ausübt. Wenn der Patient dann noch in einen Mehrbettzimmer liegt und die Pflege im Bett stattfindet.

Selbst wenn man Sichtschutz aufbaut, eine Professionalität bei der Tätigkeit an den Tag legt ist es dennoch für den Patienten etwas, dass in seine Menschenwürde einschneidet.

Auch der Toilettengang auf der Bettpfanne in einen Mehrbettzimmer gehört hierzu.

So sollte sich jede Pflegekraft dessen bewusst sein und versuchen Möglichkeiten zu schaffen um es für den Patienten angenehmer zu machen, bzw. die Tätigkeiten so gestalten, dass der Patient sich dennoch wohl fühlt.
 
Da wird Professionalität sichtbar, wenn in solchen heiklen Situationen von den Kollegen der Respekt vor der Menschenwürde erhalten bleibt.

Dies kann man nur sehr schwer lernen. Entweder man kann es, oder eben nicht. Man muss mit einer sachlichen Selbstverständlichkeit in die Pflegesituation hineingehen, die dem Menschen zugewandt ist. Die anderen Mitpatienten werden dies dankbar zur Kenntnis nehmen und dem Betroffenen helfen, mit der Situation klar zu kommen. Habe in meiner Anfangszeit meiner pflegerischen Karriere als Zivi von einer Diakonisse viel lernen können - Super Kollegin der ich heute noch Danke.

Gruß KGK
 
Ich zitiere nochmal aus dem Link:

Würde bedeutet Wertigkeit, Erhabenheit, Vornehmheit, Majestät erhabene Gesinnung, Autonomie und sittliche Selbstgesetzgebung; dem Menschen innewohnender Wert und innerer Rang, Menschenwürde; innere Haltung, die durch das Bewußtsein vom eigenen Wert oder von einer geachteten Stellung bestimmt wird; Echtheit. Ähnlich wie bei der Identität enthält Würde Selbstbild, soziale Aufgabe und Anerkennung durch bedeutsame Bezugspersonen sowie Selbstverantwortung. Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft ist Geistesfreiheit, und Würde heißt ihr Ausdruck in der Erscheinung. (Friedrich Schiller)

Würdigen bedeutet werten, anerkennen, achten, Achtung erweisen, respektieren, Respekt haben vor etwas, Respekt zollen, schätzen, hochschätzen, bewundern, von Bewunderung erfüllt sein für etwas, ehren, Ehrfurcht erweisen, in Ehren halten, Wert legen auf etwas. Weitere Begriffe, die damit in lockerem Zusammenhang stehen sind: Status, Ansehen, Bekanntheit, Beliebtheit, Berühmtheit, Namen, Popularität, Prestige, Renommee, Reputation, Ruf, Ruhm.

Ist die Übernahme der Körperpflege bei einem Menschen, der sich net alleine pflegen kann, immer eine Verletzung/Einschränkung der Menschenwürde?

Elisabeth
 
Folgendes Gespräch mit einem Kollegen wurde bei meinem letzten AG einer von vielen Kündigungsgründen:

(Pat. wurde auf WC Stuhl gesezt, splitternackt, Tür weit offen - zur besseren Überwachung-eine Menge Leute draußen auf dem Flur, sehr große Station mit vielen Leuten.

Ich zum Kollegen: "Schon mal davon gehört, dass die Würde des Menschen unantastbar ist? Steht in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland."

Kollege:" Hast Du das Schild draußen an der Tür nicht gesehen? `Sie verlassen hier die Bundesrepublik Deutschland und betreten die Intensivstation 3`!"(Das war nicht als Scherz gemeint!!)

Ich glaube schon, dass die Körperpflege einen Eingriff in die Menschenwürde darstellen kann. Viele ältere Leute, die durch KH Aufenthalte bzw. Heim daran "gewöhnt" sind, empfinden das doch auch nicht mehr so. Und dann gibt es natürlich die, die meinen, das wäre im Service mit drin.
 
Mich stört die Formulierung schon lange, weil sie so missverständlich ist. Als oberste Maxime für die Gesellschaft ist sie hervorragend. Aber die Würde des Menschen kann angetastet und verletzt werden - und das wird sie oft genug auch außerhalb der Pflege.

Im Gegensatz zu Kleingeistkiller bin ich der Meinung, dass man lernen kann, respektvoll miteinander umzugehen. Es mag schwierig sein, wenn man damit erst in der Ausbildung anfängt; diese Werte sollten einem besser schon in der Kindheit vermittelt werden.
 
Ich glaube schon, dass die Körperpflege einen Eingriff in die Menschenwürde darstellen kann. Viele ältere Leute, die durch KH Aufenthalte bzw. Heim daran "gewöhnt" sind, empfinden das doch auch nicht mehr so. Und dann gibt es natürlich die, die meinen, das wäre im Service mit drin.

Dann wäre doch die Frage: wann kann und wann nicht? wenn ich jemandem meinen Willen aufzwinge, weils schneller geht, wenn er einfach nur still hält, dann sehe ich da auch eine Verletzung. Wenn jemand aber komplett abhängig ist- nicht... es sei denn...
Pat. wurde auf WC Stuhl gesetzt, splitternackt, Tür weit offen - zur besseren Überwachung-eine Menge Leute draußen auf dem Flur, sehr große Station mit vielen Leuten.

Ist die Menschenwürde vielleicht doch einfacher zu garantieren als mancher denkt?

Elisabeth
 
Dann wäre doch die Frage: wann kann und wann nicht? wenn ich jemandem meinen Willen aufzwinge, weils schneller geht, wenn er einfach nur still hält, dann sehe ich da auch eine Verletzung. Wenn jemand aber komplett abhängig ist- nicht... es sei denn...
Elisabeth

Was wäre denn, wenn man einen Pat. hätte, der aus welchen Gründen auch immer komplett abhängig ist, aber die Übernahme der Körperpflege als Eingriff in seine Menschenwürde empfände?

Pattsituation?
 
Hallo Elisabeth,

vielleicht kann oder muss man sogar die Frage nach der erworbenen Hilflosigkeit und der selbstverständlich doch antastbaren Würde verbinden.

Artikel 1. GG ist ja gewissermassen die Basis für alle folgenden Grundrechte, also auch für das Recht auf Selbstbestimmung und für das Recht auf körperliche Unversertheit.

Wie ist es auf diesem Hintergrund einzuschätzen, wenn aufgrund der dünnen Personaldecke die eigentlich geforderte ressourcenorientierte, aktiviernden Pflege längst von einer satt-sauber-Akkordpflege abgelöst worden ist?

Reicht da der Hinweis, dass die Pflegekräfte ja für die unzureichenden Personalressourcen nicht verantwortlich sind und schliesslich jeder nur zwei Hände hat?
 
Reicht da der Hinweis, dass die Pflegekräfte ja für die unzureichenden Personalressourcen nicht verantwortlich sind und schliesslich jeder nur zwei Hände hat?

Personalmangel als Legitimation für Verletzung der Menschenwürde.
Es gibt den schönen Satz: ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Aber wieviel mehr Personal braucht es, um eine Tür zu schließen um Zuschauer zu vermeiden bei intimen Verrichtungen? usw. Ich finde, es ist oft so, dass man überhaupt net mehr darüber nachdenkt, dass da net die Organansammlung Meier im Bett liegt, die wegen einem Organfunktionsdefekt im KH ist. Der Mensch besteht ja bekanntlich aus mehr als aus Fleisch und Blut.

Vor Jahren hat Fr. Bienstein in einem Vortrag mal ein schönes Beispiel gebracht: ist es wirklich wichtig jeden Pat. jeden Tag bis ins kleinste Detail zu reinigen oder ist es dem Pat. nicht zuträglicher, sich mal mit einer Katzenwäsche zu begnügen, die der Pat. im Rollstuhl sitzend am Waschbecken selbst ausführen kann.

Ist es net schizophren, wenn wir uns selbst antreiben immer perfekter sein zu wollen?
Beispiel: ich fahre mit einem Pat. ins Bad. Er freut sich riesig auf die Möglichkeit zum Duschen. Nach tagen endlich wieder richtig viel Wasser über den Körper laufen lassen. Er sitzt auf dem Duschstuhl... strahlt mich an... und fängt an sich erst mal die Haare zu waschen. Und mein erster Gedanke: ohgott- du kannst die vorgeschriebene Zeit net einhalten. Beim reflektieren am Tagesende hatte ich den Eindruck: das Zeitnotgefühl war nur in meinem Kopf denn es hat schlussendlich keine Zeit gefehlt.

Ich hatte den Vorteil (oder Nachteil) in meiner Funktion net in einer Routine gefangen zu sein. Ich konnte mir den Luxus der tgl. Reflexion leisten. Und immer wieder habe ich in den Jahren erlebt, dass solch ein Durchbrechen der Routinen zu neuen An- und Einsichten führen kann.

Elisabeth
 
Hallo
Ich mach mir so meine Gedanken zur Menschenwürde des Pflegepersonales.
z.B. Wenn mir die Blase bis unter die Ohren steht, ich dann endlich den stillen Ort aufsuche und von einem Arzt verfolgt werde der mir durch die geschlossene Toilettentür noch Anweisungen geben will.
Wenn ich Magenschmerzen bekomme weil ich ständig beim Essen unterbrochen werde oder gehetzt werde.
Menschenwürde gilt für alle auch für mich.
Alesig
 
Sicher ist es auch gerecht, sich Gedanken über die Würde des Personals zu machen. "Unwürdige" Arbeitsbedingungen führen zu Stress und Krankheit.
Der Unterschied zum mit Würde zu behandelnden Patienten besteht nur darin, dass die Pflegende am Ende selbst entscheiden kann: Lass ich mich in der Pause stören oder nicht? Lass ich mich auf dem Klo anquatschen oder nicht?
Einem Pflegebedürftigen bleibt vielleicht nicht diese einfache Wahl, nein zu sagen zum Nackt-im-Rollstuhl-Warten...
 
Ich stelle mal die These auf: Unwürdige Bedingungen des Personals führen häufig zu unwürdigen Bedingungen bei den Patienten.

Wo kann man also anfangen den Teufelskreis zu durchbrechen?
 
Ist es net schizophren, wenn wir uns selbst antreiben immer perfekter sein zu wollen?
Beispiel: ich fahre mit einem Pat. ins Bad. Er freut sich riesig auf die Möglichkeit zum Duschen. Nach tagen endlich wieder richtig viel Wasser über den Körper laufen lassen. Er sitzt auf dem Duschstuhl... strahlt mich an... und fängt an sich erst mal die Haare zu waschen. Und mein erster Gedanke: ohgott- du kannst die vorgeschriebene Zeit net einhalten. Beim reflektieren am Tagesende hatte ich den Eindruck: das Zeitnotgefühl war
nur in meinem Kopf denn es hat schlussendlich keine Zeit gefehlt.

Hallo Elisabeth,

ich finde deine Gedanken echt gut. Ich denke es liegt an uns Pflegekräften uns jeden Tag neu zu reflektieren und die Kunst dabei ist, uns nicht den Strukturen zu beugen, sondern zu versuchen die Individualität, Würde und Autonomie eines jeden Patienten/Bewohners zu erhalten.
 
Hallo
Ich mach mir so meine Gedanken zur Menschenwürde des Pflegepersonales.
z.B. Wenn mir die Blase bis unter die Ohren steht, ich dann endlich den stillen Ort aufsuche und von einem Arzt verfolgt werde der mir durch die geschlossene Toilettentür noch Anweisungen geben will.
Wenn ich Magenschmerzen bekomme weil ich ständig beim Essen unterbrochen werde oder gehetzt werde.
Menschenwürde gilt für alle auch für mich.
Alesig

Genau das ist es! Danke!
Da haben wir wieder das Problem der Pflege! Als erstes wird über den Pat. nachgedacht, erst wenn diese Diskussion ausgeschöpft ist, denkt man, wenn überhaupt, über sich selbst nach.
Vieleicht wäre eine Ergänzung zu Artikel 1 GG ganz hilfreich:

Artikel 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(1a) Ausgenommen sind Personen in Pflegeberufen. Diese werden zur vollkommenen Aufopferung und Untergebenheit ihren Arbeitgebern gegenüber verpflichtet!


Mit der schwarz-gelben Regierung wäre diese Gesetzesänderung sicher auch durchführtbar, nur leider müsste sie durch den Bundesrat. Schade!
 
@joerg:
Artikel 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(1a) Ausgenommen sind Personen in Pflegeberufen. Diese werden zur vollkommenen Aufopferung und Untergebenheit ihren Arbeitgebern gegenüber verpflichtet!

Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Würde durch unsere Väter/Mütter, Großväter/mütter und Urgroßväter/mütter mit Schweiß, Blut und Tränen und auch unter Einsatz des eigenen Lebens erkämpft wurde.

Was sind wir bereit zu Tun um dieses Erbe, auch in Bezug auf unseren Beruf zu bewahren? - Ausser zu Jammern.

Die Pflegenden sind zu gar nix verpflichtet, ausser die Zustände zu erdulden und hinzunehmen, wenn sie den Allerwertesten nicht hoch bekommen.
 
@joerg:


Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Würde durch unsere Väter/Mütter, Großväter/mütter und Urgroßväter/mütter mit Schweiß, Blut und Tränen und auch unter Einsatz des eigenen Lebens erkämpft wurde.

Was sind wir bereit zu Tun um dieses Erbe, auch in Bezug auf unseren Beruf zu bewahren? - Ausser zu Jammern.

Die Pflegenden sind zu gar nix verpflichtet, ausser die Zustände zu erdulden und hinzunehmen, wenn sie den Allerwertesten nicht hoch bekommen.

Du hast es erfasst! Wir sind keine Opfer der Zustände! Die letzte Entscheidung, wie und wo wir arbeiten, liegt immer noch bei uns!
Kollegen und Kolleginnen, die immer noch Doppelschichten schieben, Teildienste akzeptieren, den Urlaub unterbrechen, um einzuspringen, und mit dem Telefon in der Kitteltasche ins Patientenzimmer gehen, um auch bei einer Ganzwaschung erreichbar zu sein, müssen sich am Ende fragen, ob sie selbst ihre Würde beschneiden, bevor sie über Missstände klagen.
 
Ist es net schizophren, wenn wir uns selbst antreiben immer perfekter sein zu wollen?
Beispiel: ich fahre mit einem Pat. ins Bad. Er freut sich riesig auf die Möglichkeit zum Duschen. Nach tagen endlich wieder richtig viel Wasser über den Körper laufen lassen. Er sitzt auf dem Duschstuhl... strahlt mich an... und fängt an sich erst mal die Haare zu waschen. Und mein erster Gedanke: ohgott- du kannst die vorgeschriebene Zeit net einhalten. Beim reflektieren am Tagesende hatte ich den Eindruck: das Zeitnotgefühl war nur in meinem Kopf denn es hat schlussendlich keine Zeit gefehlt.

Wessen Würde wird hier beschnitten?
Die des Patienten? Ich hätte mich in der Situation anders entscheiden können, ihm die Möglichkeit sich selbst zu duschen gar nicht geben brauchen.
Meine Würde? Ich habe mich gedanklich zum Sklaven des Systemes gemacht. Ich habe gedanklich meinen freien Willen eines Institution unterworfen.

Wer hat einen Einfluß auf die Situation? Ich denke, in diesen und ähnlichen Fällen immer die Pflegekraft. Sie kann drei entscheiden, ob sie sich "versklaven" läßt oder nicht. Es gibt, um bei diesem Beispiel zu bleiben, kein Gesetz, dass vorschreibt: ich muss den Pat. in 30 min bis ins kleinste Detail putzen (ich formuliere das mal bewusst entwürdigend).

Es gibt mir zu denken, das man Argumente sucht um sich vor sich selbst zu entschuldigen, wenn man so handelt, wie man handelt. Es ist eine Sichtweise, die wir offensichtlich verlernt haben: ich pflege einen Menschen und keine Organansammlung.

Die Würde der Pflegekraft. Ein Mehrbettzimmer. Es liegen voll pflegebedürftige Patienten mit Patienten, die nur eine Unterstützung brauchen zusammen. Eine Patientin hat Probleme damit, dass man sich den pflegebedürftigen länger und intensiver zuwenden muss. Immer wieder wird man in der Pflege unterbrochen weil man ihre Wünsche erfüllen soll. Manch einer wird es unverschämt finden, dass ich meinem Unmut Luft gemacht und ihr erklärt habe, dass es im KH nicht so sein kann, wie zuhause: alles dreht sich nur um sie.
Ich hatte die Wahl: mich zerreißen oder eindeutige Grenzen ziehen.
Hat übrigens wunderbar geklappt. Aber selbst bei einer Beschwerde bei der PDL hätte ich es zukünftig net unterlassen auch auf mich zu achten.

Elisabeth
 
Andere Situation:

Dementer Patient, der mich bespuckt,schlägt, tritt und beschimpft. Körperlich ging das für mich glimpflich aus, da er dann doch nicht mehr die Kraft hatte, mich ernsthaft zu verletzen.

Der Patient meinte wohl nicht mich, er dachte, ich wäre ein Einbrecher in seinem Wohnzimmer und wollte sich nur verteidigen.

Das kann ich mir noch so oft aufsagen, aber ehrlich: das macht es für mich nur äüßerst geringfügig leichter! Was hab ich in so einer Situation schon für Möglichkeiten?? Ich kann die Pflege dieses Patienten schlecht ablehnen, dann bleibt es für meine Kollegen das gleiche (und er war in den anderen Schichten genauso).
(Und Elisabeth: ich hab mich durchaus in seine Situation versetzt und alles mögliche probiert (Stichwort Validation), aber leider war es nicht möglich, aus dieser Situation herauszukommen.)

Zum Glück hab ich solche Patienten nicht so häufig... und ich sage zum Glück, denn so etwas überschreitet meine Grenze deutlich!
 
Stellt sich dich die Frage: wo wird da bei wem die Menschenwürde verletzt? Der "Täter" kann die Situation net bewerten. Und ist es net auch im Sinne der Menschenwürde, dass ich solche kranken Menschen trotzdem als Mensch sehe und sie betreue nach bestem Wissen und Gewissen?

Menschenwürde ist sicher keine Einbahnstraße. Aber es kann vorkommen, dass einer sich verfährt und aus eigener Kraft net mehr umdrehen kann. Ich kann ihn jetzt ins Pflaster bügeln. ich kann aber auch anerkennen, dass ihm einfach die Fähigkeiten fehlen und versuchen ihm da zu begegnen, wo er steht. Und das sogar ohne jegliche Gegenforderung.

Elisabeth