Hab ich mir manchmal auch gedacht, wenn es Leute gab, die beim medizinischen Rechnen den Dreisatz nicht beherrscht haben oder mit einfachen Rechtschreibgrundregeln starke Probleme hatten. Aber es wird nicht besser, wenn man sich darüber aufregt. Helfen soll helfen! Sich mit den Leuten, die in der Theorie wohlgemerkt, in der Praxis kann es ja manchmal auch anders aussehen, nicht so fit sind, hinzusetzen und ihnen die Dinge, bei denen sie Lücken haben, zu erklären oder Material auszuleihen, bricht mir doch keinen Zacken aus der Krone.
Und in der Ausbildung ist es ja in der Regel anders als in der allgemeinbildenden Schule. Die "Scheißegal-Haltung" ist da ja nicht so verbreitet, weil jeder sein Examen bestehen will (zumindest war es bei uns so). Wenn man sich mit der Aura "ich kann alles, ich weiß alles, und ihr seid alle dumm" umgibt, wird einen niemand um Hilfe bitten, ergo wird sich das "Klassenniveau" auch nicht ändern. Aber wenn man sich freundlich verhält und niemanden dafür verurteilt, was er nicht kann, kommen die Leute (zumindest war es bei mir so) von alleine auf einen zu und fragen nach, wenn sie etwas nicht verstehen. Manchmal lässt man sich die Dinge eben lieber von Mitschülern erklären als von Lehrern.
Das "Problem" mit dem Dreisatz hat sich innerhalb von zwei Schulpausen à 15min erledigt gehabt. War das jetzt für mich ein großes Opfer oder viel Mühe? Hab ich dadurch irgendwas verloren? Nein, definitiv nicht! Innerhalb einer Klasse sind wir doch keine Konkurrenten. Wir lernen zusammen, also sollten wir alle Interesse daran haben, dass alle mitkommen, damit wir alle weiterkommen.
Also, ich bin mit Sicherheit nicht dumm (hab einen guten Abi-Schnitt, den genauen möchte ich nicht nennen, weil das arrogant wirken könnte, aber es hätte definitiv fürs Medizinstudium gereicht, wenn ich gewollt hätte). Und ich sitze sehr gerne in der Pflege fest, um das mal mit deinen Worten auszudrücken. Ich hab mich nämlich bewusst dafür entschieden. Und bei uns auf der Station ist sicherlich niemand dumm. Ganz im Gegenteil!!! Mag sein, dass der ein oder andere in der Ausbildung Startschwierigkeiten hatte, aber jetzt sind alle fit und kompetent. Mein AG legt Wert auf Fortbildungen, und wir haben neben Pflege-Fobis auch regelmäßig Fobis zu medizinischen Themen, größtenteils mit dem ärztlichen Personal zusammen. Wir werden von unseren Ärzten ernst genommen (was in anderen Kliniken allerdings nicht immer so der Fall ist, das weiß ich auch). Weil wir keine konkurrierende, sondern eine kooperierende Berufsgruppe sind.
Bei dir hört es sich so an, als ob für dich noch der Arzt ein Halbgott in Weiß ist und die Pflegekräfte unfähige Hilfsarbeiter. Pflege ist mehr als Bettpfannen leeren, das sollte nach zwei Ausbildungsjahren bei dir angekommen sein. Auch in der Pflege wird wissenschaftlich gearbeitet, sowohl in der Theorie, wo Studien durchgeführt und ausgewertet werden als auch in der Praxis, wo man Studienerkenntnisse umsetzt und evaluiert. Pflege ist zu einem großen Teil auch das, was du selbst daraus machst. Wenn du dich und deine Kollegen auf Waschen und Bettpfannen leeren reduzieren willst, ist das sehr schade, viel Erfolg dabei, aber den Schuh ziehe ich mir nicht an. Wenn du für dich selbst die Einstellung hast, dass die Pflege eine eigenständige kompetente Berufsgruppe ist und nicht der Handlanger der Ärzte, kannst du deine eigene Arbeit viel positiver sehen. Du kannst dich und deine Arbeit hinterfragen. Warum mache ich das so und so, warum nicht anders? Wie kann ich diesem Patienten besser helfen, seine Ressourcen aktivieren, seine Selbstheilungskräfte stärken? Und so weiter und so fort. Selber denken ist das Stichwort! Sollte man können, wenn man Medizin studieren will, also fang an damit.