Quelle: ver.di.de
Beim "Angebot" der Arbeitgeber würden die Beschäftigten noch draufzahlen
Einen „Ackergaul als Rennpferd“ verkaufen zu wollen – "auf Pferdemärkten hat man das noch Rosstäuscherei genannt“. So reagierte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske am späten Abend des 24. Januar in Potsdam auf das „Angebot“ der Arbeitgeber von Bund und Kommunen: Sie hatten ihren Vorschlag auf "fünf Prozent" beziffert.
Doch ein kurzer Blick auf dessen Wortlaut offenbart schnell ihren durchsichtigen Trick: Die Zahl soll der Öffentlichkeit imponieren, aber tatsächlich stünden die Beschäftigten damit Ende 2009 schlechter da als heute. Denn die von den Arbeitgebern vorgeschlagenen
- 2,5 Prozent zum 1. Februar 2008,
- 1,0 Prozent zum 1. Oktober 2008 und
- 0,5 Prozent zum 1. März 2009
summieren sich bei der von ihnen angestrebten Laufzeit von 24 Monaten auf gerade mal
- 2,5 Prozent mehr im Jahre 2008 und
- 0,4 Prozent mehr im Jahre 2009.
Diesen minimalen Anstieg sollen die Beschäftigten bei Bund und Kommunen nicht nur selbst finanzieren, sondern dabei sogar noch draufzahlen. Denn die Arbeitgeber wollen die Wochenarbeitszeit
- ab 1. Juli 2008 auf 39,5 Stunden und
- ab 1. Januar 2009 auf 40 Stunden
erhöhen.
Die angeblichen fünf Prozent werden überdies geschmälert, da für 2008 und 2009 jeweils 0,5 Prozent davon auf ein höheres Volumen für das Leistungsentgelt entfallen sollen – eine Zahlung, die nicht allen Beschäftigten zugute käme.
Von einer sozialen Komponente, wie ver.di sie fordert, ist im Angebot der Arbeitgeber erst gar nichts zu lesen.
Kein Wort auch zur Frage der Fortgeltung von Ansprüchen auf Bewährungsaufstiege und Vergütungsgruppenzulagen, die geregelt werden müssen, solange es für Bund und Kommunen noch keine neue Entgeltordnung gibt. Eine Erzieherin zum Beispiel, so Frank Bsirske in der Pressekonferenz, habe früher in der Entgeltgruppe 6 angefangen, sei aufgestiegen in die 8 und habe mit einer Zulage schließlich wie 9 verdient. Fielen nun diese Ansprüche weg, sei damit ein Verlust von 420 Euro im Monat verbunden, "ein Fünftel des Gehalts". Dasselbe träfe beispielsweise auch Techniker, Ingenieure oder Stationsleitungen in Krankenhäusern – für den ver.di-Vorsitzenden ein "Vorstoß zur Abqualifizierung und Entwertung gesellschaftlich wichtiger Tätigkeiten". Dabei sei es heute schon schwierig, im öffentlichen Dienst für diese Aufgaben Personal zu finden.
Frank Bsisrske zeigte sich auch empört darüber, dass die Arbeitgeber "im Jahre 19 der deutschen Einheit" noch immer einen Unterschied in der Bezahlung zwischen Ost und West machen wollten. Zudem wies er ihre Absicht zurück, den Beschäftigten der Krankenhäuser die im Jahre 2006 vereinbarten 35 Euro pro Monat von einem Einkommensanstieg abzuziehen.
Alles in allem sei dieses "Angebot" eine Provokation – womöglich nach dem Motto, der Versuch koste ja nichts. Die Arbeitgeber sollten sich aber nicht täuschen, denn "dieser Versuch kostet sie ihre Glaubwürdigkeit bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und auch in der Öffentlichkeit". Am Ende müsse jedenfalls "etwas grundlegend Anderes herauskommen als die Trockenübung, die die Arbeitgeber hier vorgelegt haben".
Am 11./12. Februar folgt die dritte Runde, wieder in Potsdam. Dann wird die ver.di-Bundestarifkommission den Verhandlungsstand bewerten und über weitere Schritte entscheiden.
Zur zweiten Verhandlungsrunde waren die Tarifparteien am Morgen zusammen gekommen. Um neun Uhr trafen die Verhandlungskommissionen beider Seiten sich zunächst zu internen Beratungen. Wieder berichteten die ver.di-Vertreter/innen von großer Mobilisierungskraft und zahlreichen Eintritten in die Organisation.
In einem Spitzengespräch unter sechzehn Augen gab's von seiten der Arbeitgeber anfangs noch kein Angebot. Statt dessen forderte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), die rund 450.000 Beschäftigten der kommunalen Krankenhäuser vom allgemeinen Lohnanstieg abzukoppeln. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft und die dbb tarifunion wiesen dieses Anliegen geschlossen zurück.
Text und Fotos:
Hermann Schmid
Porträtfoto Frank Bsirske:
Cornelia Haß