Nidcap

nadl.b

Stammgast
Registriert
02.09.2006
Beiträge
276
Ort
Elmstein-Pfalz
Beruf
Kinderkrankenschwester
Akt. Einsatzbereich
interdisziplinäre Kinderintensivstation
Hallo!


Mich würde mal euere Meinung zum Thema NIDCAP interessieren!

Haltet ihr das Konzept auf Neo-Intensiv für insgesamt umsetzbar?
Bei wem wird das Konzept schon umgesetzt?

Ich meine hier nicht die Teilumsetzung dieses Konzeptes, sonder eine komplette Übernahme des Konzeptes in den Pflegealltag!

Für alle die sich ersteinmal mit dem Thema auseinandersetzen wollen:
NIDCAP Federation International's Home Page

Liebe Grüße
 
Hallo nadl.b,

ganz klar das Konzept ist durchaus umsetzbar, es gibt einige Beispiele in den USA und mittlerweile auch im europäischen Ausland (Belgien, Schweden) die das sehr eindrucksvoll belegen.

Es dauert allerdings Jahre bis sich das "Arbeitsverhalten" auf den Neonatologischen Stationen gewandelt hat und wirklich alle danach arbeiten. Grundvorraussetzung ist es, dass die Mitarbeiter geschult und eingewiesen sind. Das kostet zunächst Zeit und Geld, denn die Schulungen und Zertifizierungen sind nicht gerade billig.

2002 hatte ich die Gelegenheit NIDCAP-Introductiondays in London zu besuchen. Bereits vorher war ich von diesem Konzept begeistert, dort wurde ich total überzeugt, dass es sinnvoll ist sich für die Umsetzung auch auf deutschen Intensivstationen einzusetzen.

Es gibt sicher schon einige Stationen, die die Kinder nach einigen sehr wichtigen Grundprinzipien (Entwicklúngsförderung, Stressreduktion) pflegen und sich Mühe geben Nidcap umzusetzen. Zur kompletten Umsetzung gehört die Beobachtung und Einschätzung der Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes und dazu bedarf es Schwetsern und Ärzte die "gelernt" haben wie man nach NIDCAP-Prinzipien beobachtet und beurteilt. Anschließend folgt eine Planung der weiteren Pflege, an die sich alle an der Versorgung Beteiligten halten.

Die Nidcapfachleute sagen, dass es Jahre dauert, bis sich alle Strukturen auf einer Station so verändert haben, dass man von der kompletten Umsetzung sprechen kann.
Aber man hat uns auf der oben genannten Veranstaltung auch Mut gemacht, es immer wieder zu versuchen die Kinder nach Nidcap zu versorgen, denn jede einzelne stressfreie Intervention kommt einer positiven Entwicklung zugute.
Ich persönlich schaffe es im stressigen Alltag auch nicht immer, die Frühchen so zu versorgen, wie ich es dort gelernt habe. Das liegt u.a. daran, dass man bei dieser Versorgung den ersten Eindruck gewinnen kann, dass man unglaublich langsam ist und so manchen Kommentar seitens der nicht informierten Kollegen zu hören bekommt. Aber man spart im weiteren Verlauf so viel Zeit, weil die Kinder weniger Atmungs- und SO2probleme haben.

Mich würde auch interessieren ob es mittlerweile in Deutschland Neonatologische Staitonen gibt, die Nidcap umgesetzt haben bzw. dabei sind es zutun. Da es aber meines Wissens noch nicht möglich ist im deutschsprachigem Raum die Nidcap-Lehrgänge zu absolvieren, wird es sicher (leider) noch eine Weile dauern, bis man das Konzept auch hier vollständig umsetzt.

Liebe Grüße
Tildchen
 
Hallo sorry was ist Nidcap?
 
Hallo Lenchen79,

Nidcap ist die Kurzform für Newborn individualized developemental care and assesment program und bedeutet übersetzt Programm zur Einschätzung Neugeborener (Frühgeborener) und die individuelle entwicklungsfördernde Pflege.
Bei NIDCAP wird der Entwicklungsstand jeden einzelnen Kindes beobachtet und dann individuelle entwicklungsfördernde Massnahmen erarbeitet, die es dem Kind ermöglichen möglichst stressfrei "groß" zu werden. Stressreduktion ist einer der Hauptaspekte von Nidcap. Dieses Programm kann nur umgesetzt werden, wenn möglichts viele Mitarbeiter geschult sind und wissen auf was man genau achten muss. Mit allgemeinen Dingen (wie Geräusch-, Licht- und Stressreduktion) ist es nicht getan. Damit tut man zwar schon recht viel, aber von Nidcap ist das noch weit entfernt.

Entwickelt wurde Nidcap von Frau Dr. H. Als aus Boston und mittlerweile gibt es in den USA einige Nidcapcenter, wo nach den entsprechenden Kriterien gepflegt wird. In Europa gibt es meines Wissens inzwischen auch Kliniken (Lund, Rotterdam, London, Brüssel), die Nidcap vollends umsetzen. Eine deutschsprachige Internetseite habe ich leider auch noch nicht gefunden.....

Liebe Grüße
Tildchen
 
Hier an der Uni Tübingen sind wir seit 2010 dabei, das Prinzip einzuführen. Ich fange morgen mit der Ausbildung zum NIDCAP-Professional an und bin schon sehr gespannt auf die Arbeit mit Frau Als (die gestern aus Boston angereist ist). Deutsche Literatur/Hompage gibt es meines Wissens nach tatsächlich noch nicht...
 
Hallo Julien,

wie sieht diese Einführung bei Euch denn aus? Wieviele werden geschult? Was könnt ihr im Alltag denn umsetzen?
Der Lehrgang mit Fr. Als wird sicher toll, eine sehr charismatische Frau....habe sie und auch Fr. Kleberg aus Lund (Schweden) bei mehreren Kongressen kennenlernen dürfen.

Leider habe ich bisher in Deutschland die Erfahrung gemacht, dass die komplette Umsetzung des Konzepts bisher nicht gelingt. Was mich mal interessieren würde, haben die jüngeren Kolleginnen in der Ausbildung etwas darüber gelernt?
ludmilla
 
Zur Ausbildung: Ja, NIDCAP war bei uns ein Teilbereich in den Schulstunden über Frühgeborenenpflege (2009).

Wir haben hier die letzten beiden Jahre erst mal den Ist-Zustand erfasst, zudem hat eine Kollegin schon die Ausbildung zum NIDCAP-Professional gemacht. Mit mir fangen morgen noch zwei weitere Kollegen an, ein Psychologin und eine Neonatologin. Dann jedes Jahr zwei weitere. Für's erste hatten wir uns bis jetzt auf Äußerlichkeiten konzentriert, Arbeitsgruppen haben dazu Verbesserungen bei Raumgestaltung, Licht, Lärm etc. erarbeitet. Die nächsten Jahre (Jahrzehnte?) geht es dann um das Erlernen von Beobachten und Empfehlungen, und um das langsame Abgewöhnen lieb gewordener Abläufe - zum Beispiel eine bessere und frühestmögliche Integration der Eltern und generell ein individuelleres Rangehen an das Kind. Ich bin gespannt - das sind wir alle. Mal schaun was passiert :-)
 
Klingt doch gut. Ich habe vor mehr als 12 Jahren das erste Mal von Nidcap gehört und mich sehr intensiv damit befasst. Es ist ein langer Weg, vor allem die Gewohnheiten abzuschütteln. Ich kenne einige Abteilungen, die Teilaspekte dieses Konzepts anwenden. Ich glaube in Heidelberg und irgendwo in einer Klinik im Osten sind auch einige geschult. Die Basics des Nidcap-Beobachtens habe ich bei Fr. Kleberg aus Lund gelernt, es war aber schwierig weiter zu üben, weil kaum eine Kollegin bereit war sich bei einer Versorgung beobachten zu lassen. Ich finde gut, auch wenn dafür mehr als 10 jahre ins Land gehen mussten, dass das Konzept immer mehr umgesetzt werden soll. Die Studienergebnisse sprechen für sich.
Ich arbeite nicht mehr in der Neonatologie, aber mein Herz schlägt immer noch für die entwicklungsfördernde Pflege und vor allem für Nidcap.

Wer finanziert denn bei Euch die doch nicht ganz billigen Schulungen (war auch ein Grund dafür, dass ich nicht weiter gemacht habe. Es war für mich einfach nicht bezahlbar)?

Gruß ludmilla
 
Soweit ich weiß kommt das Geld aus Drittmitteln - ich habe eine 20%-Stelle für die Dauer der Ausbildung (und vermutlich darüber hinaus).