- Registriert
- 23.10.2006
- Beiträge
- 172
- Beruf
- Studentin Berufspädagogik und Kinderkrankenschwester
- Akt. Einsatzbereich
- Kinderklinik und Krankenpflegeschule
- Funktion
- Mentorin Manchester Triage System
Hallo Kollegen,
Ich arbeite zwar nicht im Altenpflegebreich, bin aber natürlich interessiert an der aktuellen Debatte: "Pflegenotstand/Personalmangel/usw."
Habe folgenden Artikel in der Zeitung (Berliner Morgenpost vom 6.10.07) gefunden:
Der Arzt am Pflegebett
Gegen Missstände in Altenheimen: Berliner Modellprojekt soll bundesweit Standard werden
Von Florentine Anders
Frieda Schomber sieht man nicht an, dass sie ständig an Schmerzen leidet. Die hellen Augen der 87jährigen sind fröhlich und neugierig, sie scherzt mit ihrem Therapeuten und diskutiert mit ihrem Arzt. Seit drei Jahren ist die Pflegeheimbewohnerin Teil eines Berliner Modellprojektes Heimärzte, das nun Bundesgesetz werden soll. Jedenfalls wenn es nach der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ginge. Ob sie sich damit in allen Interessengruppen durchsetzen wird, ist fraglich. Allein in Berlin ist es bisher nicht gelungen, das Modell auszuweiten. Und das, obwohl es seit fast zehn Jahren erfolgreich läuft. Die Zahl der beteiligten 38 Heime von insgesamt 272 Einrichtungen ist nicht gestiegen. In regelmäßigen Abständen müssen die beteiligten Heime sogar fürchten, dass der Versuch nicht verlängert wird.
Ärzte haben Patienten regelmäßig im Blick
Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Nicht nur für die pflegebedürftigen Menschen. Die Krankenkasse AOK, die gemeinsam mit der IKK Berlin Brandenburg und den Privatkrankenanstalten das Projekt gestartet hat, beziffert die Einsparungen trotz der Ausgaben für Ärzte und Therapeuten auf mehr als vier Millionen Euro jährlich, vor allem durch entfallende Krankenhausaufenthalte und Transporte. Würden alle Berliner Einrichtungen teilnehmen, könne eine zweistellige Millionensumme gespart werden. Gleichzeitig erhöht sich die Lebensqualität der Heimbewohner enorm. Denn die Anzahl der Krankenhauseinweisungen in den teilnehmenden Einrichtungen ist um mehr als die Hälfte niedriger. "Das Warten in der Notaufnahme, die Behandlungen durch völlig fremde Ärzte, die die Krankheitsgeschichte nicht kennen, ist für die betroffenen alten Menschen oft unerträglich", sagt der Heimarzt Karl Hoffmann, angestellt im Lore-Lipschitz-Haus der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Lichtenrade. Durch die regelmäßigen Visiten würde Missständen wie Wundliegen oder Flüssigkeitsmangel vorgebeugt. Selbst das Mittagessen hat Hoffmann im Blick - schließlich isst er es auch.
Die Bewohner begrüßen hier ihren "Doktor" alle per Handschlag. Viele haben die Einrichtung nur ausgewählt, weil es hier den Arzt und mehrere Therapeuten gibt. So auch Frieda Schomber. Etwas anderes käme für sie gar nicht in Frage, sagt sie entschieden. Mehrmals wöchentlich erhält sie Lauftraining, Massagen oder Schmerzbehandlungen. Bei der ambulanten Pflege würden die Personen ständig wechseln, für bestimmte Behandlungen müsste sie Transporte auf sich nehmen. Und Frida Schomber lässt sich nicht gern von den Göttern in Weiß bevormunden. Sie will genau wissen, warum sie ein Medikament in der verabreichten Dosierung nehmen muss. Dafür ist das persönliche Gespräch nötig. Der Heimarzt mit geriatrischer Ausrichtung ist für das Pflegepersonal rund um die Uhr ansprechbar, auch nach Feierabend und am Wochenende.
Selbst nachts ist jemand erreichbar
Wo andere Pfleger die Patienten vorsorglich ins Krankenhaus einliefern lassen, reicht hier häufig ein Telefongespräch. Natürlich haben auch andere Pflegeheime die Möglichkeit, niedergelassene Ärzte bei Bedarf ins Haus zu holen. Doch häufig sei niemand abrufbar, zumal wenn es Nacht ist, sagt der Pflegedienstleiter Holger Puttins. Schuld sei die schlechte Vergütung. Die teure Behandlung von mehrfach Erkrankten, wie es bei den älteren Menschen oft der Fall ist, sprenge für viele selbstständige Ärzte das Budget. Heinz Peter Ziech schreitet zügig durch ein 33 Grad warmes Wasserbecken. Kaum zu glauben, dass der 57-jährige sonst nur im Rollstuhl sitzen kann. "Für mich ist das hier ein Hotel mit Wellnessangebot", sagt Ziech, der an Multiple Sklerose leidet. Er hatte nicht einen Moment gezweifelt, als er sein Einfamilienhaus gegen das Zimmer im Pflegeheim eintauschte. Immerhin war er zuvor schwer gestürzt. Zwei Mal pro Woche kann er bei der Wassergymnastik seine Beweglichkeit und seine Muskeln trainieren.
Die langfristigen Therapien haben noch einen anderen Effekt. Während das Pflegeheim im Normalfall Endstation ist, können hier jene, die es wollen, nach erfolgreicher Behandlung wieder in eine eigene Wohnung entlassen werden. "Das ist ein Novum, eigentlich sind Pflegeheime aus Kostengründen bestrebt, ihre Bewohner so lange wie möglich zu halten", sagt Geschäftsführer Jürgen Brockmeyer. Schon eine Verbesserung der Pflegestufe wirke sich negativ aus. Die Modell-Heime dagegen erhalten eine Prämie, wenn sie für die Krankenkassen sparen und sich der Zustand des Pflegebedürftigen verbessert.
Die Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) unterstützt die Forderung der Bundesministerin nach einer verbindlichen ärztlichen Versorgung in der Pflege.
Die Senatorin fordert Kassenärztliche Vereinigung und Pflegekassen auf, zur Behebung von Missständen in den Pflegeeinrichtungen, integrierte Verträge mit angestellten oder niedergelassenen Ärzten abzuschließen.
Allerdings ist das auch in den landeseigenen Pflegeheimen nicht die Regel. Nur drei sind an dem Modellprojekt beteiligt. "In den landeseigenen Einrichtungen könnte der Senat Maßstäbe setzen und zeigen, welche fachliche Betreuung angemessen ist", betont Jasenka Villbrandt, sozialpolitische Sprecherin der Grünen.
Ich arbeite zwar nicht im Altenpflegebreich, bin aber natürlich interessiert an der aktuellen Debatte: "Pflegenotstand/Personalmangel/usw."
Habe folgenden Artikel in der Zeitung (Berliner Morgenpost vom 6.10.07) gefunden:
Der Arzt am Pflegebett
Gegen Missstände in Altenheimen: Berliner Modellprojekt soll bundesweit Standard werden
Von Florentine Anders
Frieda Schomber sieht man nicht an, dass sie ständig an Schmerzen leidet. Die hellen Augen der 87jährigen sind fröhlich und neugierig, sie scherzt mit ihrem Therapeuten und diskutiert mit ihrem Arzt. Seit drei Jahren ist die Pflegeheimbewohnerin Teil eines Berliner Modellprojektes Heimärzte, das nun Bundesgesetz werden soll. Jedenfalls wenn es nach der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ginge. Ob sie sich damit in allen Interessengruppen durchsetzen wird, ist fraglich. Allein in Berlin ist es bisher nicht gelungen, das Modell auszuweiten. Und das, obwohl es seit fast zehn Jahren erfolgreich läuft. Die Zahl der beteiligten 38 Heime von insgesamt 272 Einrichtungen ist nicht gestiegen. In regelmäßigen Abständen müssen die beteiligten Heime sogar fürchten, dass der Versuch nicht verlängert wird.
Ärzte haben Patienten regelmäßig im Blick
Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Nicht nur für die pflegebedürftigen Menschen. Die Krankenkasse AOK, die gemeinsam mit der IKK Berlin Brandenburg und den Privatkrankenanstalten das Projekt gestartet hat, beziffert die Einsparungen trotz der Ausgaben für Ärzte und Therapeuten auf mehr als vier Millionen Euro jährlich, vor allem durch entfallende Krankenhausaufenthalte und Transporte. Würden alle Berliner Einrichtungen teilnehmen, könne eine zweistellige Millionensumme gespart werden. Gleichzeitig erhöht sich die Lebensqualität der Heimbewohner enorm. Denn die Anzahl der Krankenhauseinweisungen in den teilnehmenden Einrichtungen ist um mehr als die Hälfte niedriger. "Das Warten in der Notaufnahme, die Behandlungen durch völlig fremde Ärzte, die die Krankheitsgeschichte nicht kennen, ist für die betroffenen alten Menschen oft unerträglich", sagt der Heimarzt Karl Hoffmann, angestellt im Lore-Lipschitz-Haus der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Lichtenrade. Durch die regelmäßigen Visiten würde Missständen wie Wundliegen oder Flüssigkeitsmangel vorgebeugt. Selbst das Mittagessen hat Hoffmann im Blick - schließlich isst er es auch.
Die Bewohner begrüßen hier ihren "Doktor" alle per Handschlag. Viele haben die Einrichtung nur ausgewählt, weil es hier den Arzt und mehrere Therapeuten gibt. So auch Frieda Schomber. Etwas anderes käme für sie gar nicht in Frage, sagt sie entschieden. Mehrmals wöchentlich erhält sie Lauftraining, Massagen oder Schmerzbehandlungen. Bei der ambulanten Pflege würden die Personen ständig wechseln, für bestimmte Behandlungen müsste sie Transporte auf sich nehmen. Und Frida Schomber lässt sich nicht gern von den Göttern in Weiß bevormunden. Sie will genau wissen, warum sie ein Medikament in der verabreichten Dosierung nehmen muss. Dafür ist das persönliche Gespräch nötig. Der Heimarzt mit geriatrischer Ausrichtung ist für das Pflegepersonal rund um die Uhr ansprechbar, auch nach Feierabend und am Wochenende.
Selbst nachts ist jemand erreichbar
Wo andere Pfleger die Patienten vorsorglich ins Krankenhaus einliefern lassen, reicht hier häufig ein Telefongespräch. Natürlich haben auch andere Pflegeheime die Möglichkeit, niedergelassene Ärzte bei Bedarf ins Haus zu holen. Doch häufig sei niemand abrufbar, zumal wenn es Nacht ist, sagt der Pflegedienstleiter Holger Puttins. Schuld sei die schlechte Vergütung. Die teure Behandlung von mehrfach Erkrankten, wie es bei den älteren Menschen oft der Fall ist, sprenge für viele selbstständige Ärzte das Budget. Heinz Peter Ziech schreitet zügig durch ein 33 Grad warmes Wasserbecken. Kaum zu glauben, dass der 57-jährige sonst nur im Rollstuhl sitzen kann. "Für mich ist das hier ein Hotel mit Wellnessangebot", sagt Ziech, der an Multiple Sklerose leidet. Er hatte nicht einen Moment gezweifelt, als er sein Einfamilienhaus gegen das Zimmer im Pflegeheim eintauschte. Immerhin war er zuvor schwer gestürzt. Zwei Mal pro Woche kann er bei der Wassergymnastik seine Beweglichkeit und seine Muskeln trainieren.
Die langfristigen Therapien haben noch einen anderen Effekt. Während das Pflegeheim im Normalfall Endstation ist, können hier jene, die es wollen, nach erfolgreicher Behandlung wieder in eine eigene Wohnung entlassen werden. "Das ist ein Novum, eigentlich sind Pflegeheime aus Kostengründen bestrebt, ihre Bewohner so lange wie möglich zu halten", sagt Geschäftsführer Jürgen Brockmeyer. Schon eine Verbesserung der Pflegestufe wirke sich negativ aus. Die Modell-Heime dagegen erhalten eine Prämie, wenn sie für die Krankenkassen sparen und sich der Zustand des Pflegebedürftigen verbessert.
Die Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) unterstützt die Forderung der Bundesministerin nach einer verbindlichen ärztlichen Versorgung in der Pflege.
Die Senatorin fordert Kassenärztliche Vereinigung und Pflegekassen auf, zur Behebung von Missständen in den Pflegeeinrichtungen, integrierte Verträge mit angestellten oder niedergelassenen Ärzten abzuschließen.
Allerdings ist das auch in den landeseigenen Pflegeheimen nicht die Regel. Nur drei sind an dem Modellprojekt beteiligt. "In den landeseigenen Einrichtungen könnte der Senat Maßstäbe setzen und zeigen, welche fachliche Betreuung angemessen ist", betont Jasenka Villbrandt, sozialpolitische Sprecherin der Grünen.
Aus der Berliner Morgenpost vom 6. Oktober 2007