Jeder 5. hat Gewalt in der Pflege erlebt?

ich denke, daß man klar sagen muß, welche gewaltdefinition wirklich tragbar ist. was ich da manchmal so lese, ist irrsinn und hat mit machbarem und gesundem menschenverstand nicht mehr das geringste zu tun.
ach so, ganz wichtig für mich: man soll doch endlich nicht nur solche negativuntersuchungen machen, sondern endlich mal welche, die der pflege im alltag helfen können, adäquat mit gewalt und aggression umzugehen!

Die diskutierte Studie ist schonmal nicht schlecht um aufzuzeigen, wie die Gesamtsituation ist.
Erstaunlich das gerademal 7% meinen, das gegen Gewalt gegen Demenzkranke zuwenig getan wird....

In der Einleitung wurden ja auch bereits Anmerkungen über die Ursachen getätigt. Diese Studie richtet sich nicht nur an die Pflegenden selber, als auch an alle anderen die in irgendeiner Form für die Pflege wichtig sind. Politiker, Angehörige, Ärzte...
Außerdem, so wie ich Teile der Studie verstanden habe, scheinen Pflegende wesentlich mehr Gewalt in der Pflege zu sehen, als Nichtpflegende. Leider sagt die Studie nicht aus, was die Pflegenden genau gesehen haben: Gewalt von den Pflegenden ausgehend, oder vom gepflegten? Das würde zeigen, inwieweit sich die Definition von Gewalt zwischen pflegenden und nichtpflegenden Personen unterscheiden und wieviel gewalt wirkich vom wem ausgeht. Das hätte dann auch auf die notwendigen Handlungsweisen Auswirkung.

Theoretisch haben wir alles, was wir für eine gewaltfreie Pflege bräuchten, in der Ausbildung gelernt. Wir setzen sie leider nur nicht immer um, aus verschiedensten Gründen. Da kann sich jeder hier an die eigene Nase fassen. Weshalb die gewaltfreie Pflege auch leider größtenteils Theorie bleibt. Beispiele wurden ja hier genannt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist mir zu einfach. Da bleibt die Verantwortung doch wieder bei uns!
 
Das ist mir zu einfach. Da bleibt die Verantwortung doch wieder bei uns!

Ich denke wir haben die Verantwortung zum Anstoß der Diskussion. Die endgültige Verantwortung hat aber die ganze Gesellschaft zu leisten. Nicht nur bei der Definition oder Legitimität von möglicherweise notwendigen Gewaltanwendungen, sondern auch, was es letztendlich gewaltfreie Pflege bedeutet und was es dafür braucht.
 
Zwangsbehandlung?
Die betagte Frau Meier/Müller/Schmidt ist zur Gerireha (Variante: im ZAM*, der Geriatrie, sonst wo in einer der vielen Abteilung im Haus)
dort fällt eines Tages auf: Die Patientin hat ein akutes leichtgradiges neurologisches Defizit
demzufolge macht ein CCT, ordert den Neurologen, befindet: Wär was für die Stroke**
Wollen tut sie nicht, aber sie lässt sich dazu überreden.
Kaum da, verkabelt und Standard-infusioniert, will sie wieder weg, es gefällt ihr bei uns nicht. In unserem sehr funktionellen, unpersönlichen Zimmer, kein Bad drin, kein Bild an der Wand. Kein Grünzeug. Nee, kein wohnliches, vertrauensbildendes Umfeld. Ziemlich öd und langweilig.
Unzufrieden klingelt sie alle paar Minuten um mitzuteilen, WAS ihr alles nicht gefällt. Ihr fällt sehr viel ein.
Wieder wird sie überredet, da zu bleiben.
Am nachmittag des Folgetages eskaliert die Situation. Sie will jetzt weg. Kollegin entscheidet - 1 Runde am Flur mit dem Rollator, könnt ja helfen. Dort geht es aber weiter. Sie bekundet laut ihren verständlichen und nachvollziehbaren Unmut über diese ihr unsägliche Situation. Sie lässt sich fast hinfallen, kündigt es jedoch an und wird mit 2 PK gerade noch davon abgehalten; mit 3 PK dann ins Bett gebracht.
Sie schlägt um sich, den nächsten dran trifft es, ordentlich. Sie ist richtig stinksauer, schreit. Der Kollege wird auch laut.
Leider ist an diesem Tag wieder keine Verlegung möglich, ihr Platz ist inzwischen andersweitig belegt.
Am Tag darauf - geht es auch noch nicht.
Erst am übernächsten Tag darf sie zurück.

Hätt man' s gelassen, wär' s wohl besser gewesen. Wusst man halt nicht zu 100% vorher, was draus wird, wie sie damit umgehen wird.
Verstehen lassen sich beide Seiten, aber doof ist es halt immer wieder für alle Beteiligten.
Ein jüngerer Mensch würd seinen Kram zusammenpacken - so ich geh jetzt, mir doch piepschnurzegal was ihr wollt, oder dass ihr JETZT keine Zeit habt, für die Entlasspapiere, Überredungsversuche. ICH hab ein Handy, ruf Bekannte xy an, alles nicht mein Problem. Tschüß.

*Zentrum für Altersmedizin
** Stroke=immer gut für Patient+Finanzen
wenn man ab und zu mal innehält und drüber nachdenkt, könnte man zu dem Schluß kommen, dass beides relevant ist
mal tendiert es mehr in die eine, mal in die andere Richtung
 
Wo willst Du denn da anfangen? Es geht doch schon bei unseren Altenheimen los. In allen Hochkulturen werden die Alten geschätzt, ihre Erfahrungen sind gefragt und man hört auf sie. So wie sie ihre Familie früher versorgten, werden sie später von ihren Familien versorgt Bei uns werden sie auf der grünen Wiese ausgeparkt! So wie viele alte Menschen heute und hier möchte ich nicht enden! Da ist Aggression nicht undenkbar.
 
wenn man ab und zu mal innehält und drüber nachdenkt, könnte man zu dem Schluß kommen, dass beides relevant ist
mal tendiert es mehr in die eine, mal in die andere Richtung

Ist auch immer die Frage, was die Gewalt, hierin Form von einer Zwangsbehandlung, am Ende bringt. Ist es ein positives Ergebnis, wird keiner ein Problem damit haben. Ist das Ergebnis aber am Ende negativ, dann ist das Geschrei groß...
Die Frage der Legitimität eben....
 
So wie viele alte Menschen heute und hier möchte ich nicht enden! Da ist Aggression nicht undenkbar.
Tja, dann versuch doch mal die Alterspyramide umzudrehen.

Ich kenne im übrigen etliche Bewohner, die froh sind im Heim zu leben. Nämlich die, die wissen, das sie zuhause vereinsamen würden, während im Heim sogar neue Freundschaften und soziale Kontakte entstanden sind.

Man kann nicht alle Menschen über einen Kamm scheren, des einen Freud, des anderen Leid.
Es sollte halt immer Alternativen geben, und die sind meines Erachtens zu wenig.

Und auch in kleinen Wohngruppen sind Agressionen nicht undenkbar!
 
Tja, weil Menschen eben zwangsweise auf engem Raum miteinander zusammenleben müssen, die sich nicht ausgesucht haben!
 
Das ist mir zu einfach. Da bleibt die Verantwortung doch wieder bei uns!
Ich würde behaupten, dass Pflegekräfte durchaus für einen Teil der Gewalt selbst verantwortlich sind.

Mir wär's wiederum zu einfach, die Schuld allein auf den Personalmangel zu schieben.
 
Ich würde behaupten, dass Pflegekräfte durchaus für einen Teil der Gewalt selbst verantwortlich sind.

Und woran liegts Deiner Meinung nach?

Die Gründe für Gewalt in der Pflege sind meiner Meinung nach jedenfalls multifaktoriell....
 
Wollte nur mal daran erinnern, daß es bei dem hier diskutierten Thema nicht um eine Studie, sondern m eine Forsa- Umfrage im Auftrag von... geht, siehe Link
" Gewalt ist im pflegerischen Alltag weit verbreitet – das belegt eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Jeder fünfte Bundesbürger hat demnach bereits aggressives oder gewalttätiges Verhalten in der Pflege erlebt, von den Befragten mit Pflegeerfahrung sind es sogar mehr als ein Drittel."
Quelle: https://www.bibliomed.de/news/-/content/detail/676251
Es ist bei diesem Text nicht einmal klar, wer die Gewalt eigentlich ausübt. In der Umfrage selber wird es schon klarer, ist aber immer noch nicht eindeutig. Und: "Jeder 5. Bundesbürger hat ...aggressives und gewalttätiges Verhalten in der Pflege erlebt, von den Befragten mit Pflegeerfahrung..." - Aha. Wie soll man das jetzt verstehen? Die ohne Pflegerfahrung haben Gewalt in der Pflege erlebt? Wie geht das?
 
I. Hintergrund und Methodik
Von den insgesamt 2,34 Millionen pf legebedürftigen Menschen in Deutschland werden etwa 2/3 in der eigenen Häuslichkeit gepf legt, ca. 1/3 erhält eine vollstat ionäre Versorgung in einer Pflegeeinrichtung. Zu der Frage, inwiefern in den verschiedenen informellen und professionellen Pflegekonstellationen Gewalt und Aggressionen auftreten, gibt es bislang kaum gesicherte Erkenntnisse. ...
Gewalt und Aggression in der Pflege treten häufig – je nach aktuellen Rahmenbedingungen, persönlichen Beziehungsmustern und individueller Motivation zur Übernahme der Pflege – im Zusammenhang mit Überlastungs- und Überforderungserscheinungen auf. Alte Beziehungsmuster und Konflikte zwischen der Pflegeperson und dem Gepflegten können die Pflegesituation maßgeblich beeinflussen. Zur allgemeinen Pflegebelastung trägt oftmals auch eine mangelhafte Aufklärung bei. Kritische Situationen treten besonders dann auf, wenn Kenntnisse über das zugrundeliegende Krankheitsbild und die entsprechend angezeigte pflegerische Versorgung fehlen. Dies spielt vor allem bei dementiellen Erkrankungen eine wichtige Rolle. In der professionellen Pflege können Konflikte besonders dann auftreten, wenn es an entsprechenden Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen aber auch finanziellen wie personellen Ressourcen mangelt . Insbesondere auch die fehlende gesellschaftliche Anerkennung für Pflege als verantwortungsvolle und wichtige Aufgabe kann als belastend empfunden werden.
Bisher steht das Thema Gewalt in der Pflege in der öffentlichen Debatte nur am Rande. Dies spiegelt sich neben mangelnden präventiven und unterstützenden Maßnahmen auch in fehlenden gesetzlichen Bestimmungen zum Umgang mit Verdachtsfällen wider. Durch die starke Tabuisierung des Themas und das damit verbundene geringe Problembewusstsein, ist der öffentliche Diskurs besonders im Vergleich zu den Problemen von Kindes- und Frauenmisshandlung nur schleppend verlaufen.
http://www.zqp.de/upload/content.000/id00148/attachment00.pdf
Es geht also bei der Umfrage net nur um die professionellen Pflege sondern auch um die Angehörigenpflege. Man muss sich net jede Jacke anziehen, die einem gereicht wird.

Ist die Gewaltausübung in der Pflege eine Erscheinung der Neuzeit? Der alte Großvater und der Enkel - Gebrüder Grimm auf Maerchen.com

Elisabeth
 
Die Gründe für Gewalt in der Pflege sind meiner Meinung nach jedenfalls multifaktoriell....

Und die Pflegekraft ist ein Faktor. Nicht jeder reagiert gleich auf Stress. Und nicht jeder macht seinem Stressempfinden durch Aggressivität oder Gewalt Luft. Man kann sich auch auf harmlosere Weise Erleichterung verschaffen. (Ich kenne eine Palliativstation, die einen Boxsack für die Mitarbeiter hat.)

Für den Teil, den wir Pflegenden selbst steuern können, haben wir meiner Ansicht nach sehr wohl die Verantwortung.
 
wenn das eine ernst gemeinte frage ist, dann ist bei diesem beispiel die grenze zur gewaltanwendung ja doch schon deutlich überschritten.

Ja?
Da sieht man, wie unterschiedlich Gewalt wahrgenommen wird.
Und ja, selbstverstänlich ist es ernst gemeint, denn von meinem simplen Beispiel gibt es auch noch x Steigerungsformen.
Oder wie nennst du dann Fixierung oder Schlimmeres, wenn Tabletteneinnahme unter strenger Aufsicht schon unter Gewaltanwendung fällt.
 
fixierung und "schlimmeres" nenne ich: gewaltanwendung bzw. unmittelbaren zwang.



p.s.:

da sieht man eben nicht, wie unterschiedlich etwas definiert wird. das ist ein logischer fehlschluss.

da sieht man lediglich, dass (es war ja von "zwang" die rede) bei der ausübung von zwang bereits eine anwendung von gewalt vorliegt. das schlüsselwort ist hier "zwang". dass "zwang" eine art von gewaltausübung ist, ist doch (hoffentlich sehr sehr breiter) gesellschaftlicher konsens.
 
@Eisenbarth:

"da sieht man eben nicht, wie unterschiedlich etwas definiert wird. das ist ein logischer fehlschluss."
Das ist wohl eher ein Fehlschluss Deinerseits! Natürlich sieht man da die unterschiedlichen Definitionsmöglichkeiten mit ihren jeweiligen Konsequenzen!
Wenn das alles derartig eng gefaßt ist, haben wir wohl einen Beruf, der häufig mit Zwang und Gewaltanwendung verbunden ist. Ist schon etwas extrem, diese Auffassung!
 
Da muß ich sqaw zustimmen,denn im Endeffekt tun wir als Pflegepersonal dem Patienten regelmäßig "Zwang" an und sei es nur,in dem wir auf die Einhaltung seiner ärztlich verordneten Bettruhe achten und ihn so "zwingen",Steckbecken und Urinflasche zu benutzen. Wenn das dann schon zur "Gewalt" gezählt werden soll,machen wir uns an jedem Arbeitstag hunderte Male strafbar... Da dies nun doch sehr sehr aufwendig für die Staatsanwaltschaften wäre,sind solche Begriffe wie "Zwang" und "Gewalt" weit gefächert definierbar,weswegen Eisenbarths "logischer Fehlschluß" wohl doch eher ein "Fehlschuss" ist :troesten:.
 
Hier liegt ein Denkfehler vor.
Beispiel:
Nur weil ich jemanden durch eine vorübergehende Fixierung vor sich selbst schütze, ist und bleibt das ganze immer noch ein Freiheitsentzug. Egal durch was dieser legitimiert wurde.
Niemand behauptet hier, das Gewaltanwendung immer umgehbar wäre, aber ich finde es schon happig wenn ich hier drüber diskutieren muss ob Fixierung oder Medeinnahme unter Zwang den überhaupt Gewalt bzw. Zwang sei.
 

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