Zu sensibel für die Krankenpflege?

Sternenstaub

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15.03.2005
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Azubi
hallo !

als erstes möchte ich sagen, dass ich froh bin dieses forum gefunden zu haben, denn ich denke, ich werde in nächster zeit viel austausch benötigen.

ich habe3 semester pharmazie studiert, obwohl das medizin-studium immer mein traum gewesen ist, doch leider ist mein abi zu schlecht.
da ich mein pharmazie - studium aus diversen gründen nicht fortsetzen werde, habe ich mich nach einer alternative umgesehen, die meinen interessen gerecht wird.

es gab und gibt für mich nur eine alternative : den beruf der krankenschwester.
ich habe großes medizinisches interesse, besondere vorliebe ist die pharmakologie, aber insbesondere der kontakt zu menschen mir enorm wichtig.

ich brauchte, gott sei dank, nur eine bewerbung zu schreiben, um eine lehrstelle zu bekommen. am 1.4 2005 werde ich meine ausbildung anfangen.

ich habe gerade ein praktikum gemacht, um für mich 100 % ig abzuklären, ob es die richtige entscheidung ist.

der kontakt zu den patienten hat mir große freude bereitet, besonders schön war das feedback der patienten an meinem letzten tag.
ich konnte für mich feststellen, dass mich dieser bereich erfüllt.
besonders dankbar waren einige, weil ich so einfühlend war...

und genau da liegt mein problem !

nach 4 tagen hatte ich meine " erste " tote. die patientin war 98 und wollte sterben, dennoch hat mich der tot doch sehr berührt, besonders weil sie alleine gestorben ist.
der umstand das menschen alleine sterben finde ich schrecklich.
so etwas treibt mir die tränen in die augen.

auch die anderen erkrankungen, wie krebs etc, haben mich berührt und ich bin häufig traurig nach hause gefahren.
meistens brauchte ich nach der arbeit eine stunde für mich, um abschalten zu können.

über das leben mache ich mir nicht erst seit heute gedanken, ergo werde ich nicht mit dingen konfrontiert, mit denen ich mich noch nie auseinander gesetzt habe, aber ich merke die probleme mich abzugrenzen.

das was die patienten als sehr positiv bei mir empfunden haben, meine sensibilität und empathie, bereiten mir probleme.

als ich die examinierten fragte, die auch noch eine ecke jünger waren als ich, zuckten diese nur mit den schultern.

ich bin ein sehr sozialer mensch und ich weiß, dass ich im laufe meiner ausbildung auf genügend dinge treffen werde, die mich innerlich aufschreien lassen werden.

deshalb auch die frage, ob ich nicht einfach zu sensibel bin...

oder die frage an euch : wie ist man in der lage empathisch und sensibel für dinge zu bleiben, ohne dabei selber zu leiden?
wie werde ich in zukunft in der lage sein, menschen sterben zu sehen und sie dabei zu begleiten, ohne das jedes mal ein kleines stück in mir stirbt ?
ich weiß, das gehört alles zu leben dazu, dennoch würde gerne von euch hören, wie man damit einen umgang findet.

danke
sternenstaub
 
Hm, ich habe meine Ausbildung auch noch nicht begonnen, weiß aber auch aus Erfahrung, dass ich, ganz genau so wie du, ein sehr sozialer, mitfühlender Mensch bin und ich die selben Probleme haben könnte, wie du...

Wenn da nicht ein Gedanke wäre, der mir immer wieder als einzige (vielleicht zu einfache?) Lösung in meinen Kopf schleicht.
Du (wir) musst einfach versuchen, weiter so sozial zu sein, so wie du es bist. Du darfst niemals zu einer der Schwestern werden, die man selbst im Krankenhaus erlebt hat; die Verbitterten, "Gefühlskalten" (sorry, ich unterstelle niemandem hier etwas, ich hab es nur so selbst erlebt) ...

Du musst versuchen, dich innerlich von den Krankheiten und Patienten abzugrenzen. Ich mein, wie erlebst du "das Leid auf dieser Welt"? Mitfühlend, verzweifelt oder mitfühlend und aber nicht "direkt real" (weil es dich ja nicht "direkt" betrifft?)? Klingt vielleicht alles ein wenig abgedroschen und nach "lange Rede, kurzer Sinn", aber vielleicht verstehst du ja auch, was ich sagen wollt :)

lg,
serena
 
Hallo Sternenstaub!!!

Du wirst in diesem Beruf Dinge erleben, die Dich traurig machen und Dinge, die Dich glücklich machen. Du wirst lachen und weinen und lachen und weinen... Es wird Dinge geben, die Dich wütend machen und Dinge, die Dein Herz erfreuen.
Es wird Tage geben, an denen Du zufrieden nach Hause gehst und vielleicht genau so viele Tage, an denen Du die Brocken einfach hinschmeissen willst und an GAR NICHTS mehr glaubst...

Aber ich denke, DAS IST GUT SO!!!

Gefühle sind doch was Tolles... und wenn man "abstumpft" heisst das nicht nur, daß man möglicherweise nicht mehr so traurig ist, sondern auch, daß man irgendwie nicht mehr so glücklich sein kann... das habe ich mir immer vor Augen gehalten... und ich habe mir direkt von Anfang an gesagt, daß sobald es so weit ist, daß mir das alles nicht mehr nahe geht, dann höre ich auf... weil DANN kann ich mein Ziel, nämlich eine gute Schwester zu sein, nur noch verfehlen...

Du wirst allerdings sehen, daß Dich nicht jeder "Tote" so dermaßen aus der Bahn wirft... zu manchen baut man eine besondere Bindung auf... zu anderen widerum nicht so sehr... manche kämpfen und verlieren... andere haben ihren Frieden mit dem Tod gemacht und kämpfen nicht mehr dagegen an... den Einen reisst der Tod einfach so aus dem Leben... für den Anderen ist er eine Erlösung...

Das Schlimme ist immer, wenn die Angehörigen sehr stark trauern...

Ich erinnere mich an eine ganz schreckliche Situation... da war eine türkische Frau, die an einem Herzinfarkt verstorben ist... und da war ihr Sohn... dieser warf sich vor mich und sagte: "Mach', daß meine Mutter wieder lebt... gib ihr MEIN Herz, aber SIE darf nicht sterben... sie ist doch meine Mutter!"... dann warf er sich auf seine Mutter und flehte sie an HIER zu bleiben... es war furchtbar...

Ich glaube, irgendwann hat die ganze Stationsbesetzung geweint... samt Ärzten...

Auf meiner alten Intensivstation haben wir überhaupt viel geweint eigentlich...

Aber warum auch NICHT?!

Du solltest Dich freuen, daß Du ein Herz hast... denn das macht Dich in der heutigen Zeit BESONDERS!!!
 
Hey!

Erstmal muss ich sagen, daß ich es toll finde - oder eher gesagt mutig im positiven Sinne - dein Studium abzubrechen, um eine Krankenschwesterausbildung zu machen. Und man merkt, dass du dir viele Gedanken machst und nicht unüberlegt an die Sache rangehst.

Ich glaube, wenn ein Patient stirbt, besonders wenns für einen das erste Mal ist, ist es immer schlimm; hat man vorher die Gelegenheit gehabt, eine besondere Bindung zu diem Patienten aufzubauen, ist das natürlich noch trauriger und es stecken noch mehr Emotionen drin. Aber ich denke, man lernt, damit umzugehen, was nicht gleich bedeutet, dass man abstumpft, sondern eher eine gesunde Distanz aufbaut, die einem hilft, selbst nicht daran kaputtzugehen. Mitgefühl empfinden und auch zeigen ist wichtig, aber man muss versuchen, es nicht in Mitleid ausarten zu lassen.

Man muss auch sehen, dass der Tod für manche Patienten eine Erlösung ist und sich auch dessen bewusst sein, dass man nicht jeden retten kann...

Meine erste Tote hat mich erstmal auch ziemlich aus der Bahn geworfen, wobei ich zu der Patientin keinen besonderen Bezug hatte, sondern sie quasi da das erste Mal gesehen habe. Die gefühle, die ich dabei hatte, kannte ich nicht, zuerst gings mir gut, ich hab ein Kippchen geraucht, was getrunken und dachte, ich könnt normal weitermachen, aber eine halbe Stunde später konnte ich nur dasitzen, habe nichts gedacht, wollte niemanden hören oder sehen und hatte ständig das Bild der Frau vor Augen...Aber irgendwann wars auch wieder okay und auch wenns blöd klingt - ich bin dankbar für die Erfahrung, denn jetzt kann ich meine Reaktionen besser abschätzen und bin eher darauf vorbereitet.

Und beim nächsten Mal - auch wenn ich am liebsten kein nächstes Mal erleben würde - wirds vielleicht nicht mehr so schlimm. Das Mitgefühl und die Traurigkeit, die man empfindet, wenn einer stirbt, werden aber bleiben, man muss nur lernen, damit umzugehen.

Alles Gute und viel Spaß bei deiner Ausbildung!

Schokohexe:)
 
Hallo,
ich glaub nicht, dass du zu sensibel bist. Das haben ja die anderen auch schon gesagt. Was mich im KH immer furchtbar störte war, dass die Leute wirklich alleine sterben. Es gibt aber in fast jeder Stadt Hospizgruppen, die dann die Leute auf dem letzten Weg begleiten. Oder mach selber einen (dauert einige Wochen, Samstagskurse zumindest bei uns), vielleicht hilft dir das weiter. Ansonsten kann ich dir nur raten, die Krankenhaussorgen dort zu lassen. Das zieht dich sonst auf Dauer runter. Denk zuhause lieber an die schönen Sachen, dass ein Appo-Patient wieder alleine Essen kann und so. Alles Gute!
Tina
 
Hallo,


ich finde, dass niemand "zu sensibel" oder "zu gefühlskalt" etc ist. Man ist so wie man ist.
Wenn man das Gefühl hat, den Beruf der Krankenschwester nicht ausüben zu können, weil man sich psychisch oder körperlich nicht in der Lage fühlt, dann hört man am besten auf "seinen Bauch". Es gibt für alles und jeden eine Lösung.

LG
Trisha
 
hallo Sternenstaub

ich möchte nur sagen, das du froh sein kannst, das du nicht so eiskalt oder abgebrüht bist, das dich der Tod dieser Frau überhaupt nicht berührt.

Man sollte nie vergessen, das man mit Menschen arbeitet...

Und hinter jedem Sterbenden verbirgt sich ein Leben mit Erlebnissen, Erfahrungen und Vergangenheit.

Wenn es mich nicht mehr berühren würde, wenn ein Mensch stirbt, müsste ich mir ernstlich überlegen den Beruf zu wechseln.

Es erwartet keiner, das du jedes mal , wenn einer der Pat. stirbt, einen halben Zusammenbruch bekommst, aber MitGEFÜHL sollte doch da sein.

Nur sollte es nicht zu MitLEID ausarten.
 
Ich habe durch Zufall diesen Thread gefunden,

zu sensibel? Was soll mir das sagen? Ich leide immer mit? Ich bin so empfindlich? Empfindlicher als andere Menschen? Ich bin besser?
Wir sind alles Menschen, haben Züge von Mitleid, aber auch negative Eigenschaften.

Jetzt aber lernen wir oder haben einen Beruf der uns mit Schicksale konfrontiert. Mitleid oder zu grosse Sensibilität hindern uns nur. Wir haben in unserer Ausbildung gelernt nicht ohnmächtig dem gegenüber zu stehen, manchmal schwieriger manchmal eben auch leichter.

Ich sehe Pflege immer so, dass ich Menschen helfe selber ihre Stärken zu finden, sich selber zu helfen. Aber oft haben wir keinen Einfluss. Unsere Gefühle haben aber immer was mit uns selber zu tun. Zum Beispiel, ob ich Mutter, Vater, Kind, Enkelkind bin, kann mich davon nicht frei sprechen. Es kommen natürlich auch noch viele andere Aspekte von Wertvorstellungen, Sozialisation, Alter, Geschlecht, usw. dazu die uns beeinflussen.

Aber Professionalität unsere Überlegungen frei von diesen, bringen uns dazu auch für andere Menschen den Weg zu beschreiten welcher der Beste für sie ist. Welche Kollegin oder Kollege der Kinder hat würde nicht aufschreien wollen, wenn eine Mutter ihr Kind zur Adoption frei geben will? Aber dann kommen Hintergründe hinzu die uns sagen, Hochachtung das ist in ihrer Situation das beste was sie für ihr Kind tun kann. Wer sollte dies ermessen können? Das Leid, den Scharfsinn zu haben, besser ich leide, als wenn mein Kind leidet. Das nenne ich eher Mutterliebe, als wenn ich einem Kind keine Zukunft bieten, bzw nur Leiden aussetzen würde.

Wenn ich denke, ich bin zu sensibel, habe ich oft den Gedanken dabei, ja mit wem bin ich eigentlich sensibel? Mit mir selber.......

Gruß Brady
 
zu sensibel? Was soll mir das sagen? Ich leide immer mit? Ich bin so empfindlich? Empfindlicher als andere Menschen? Ich bin besser?
Wir sind alles Menschen, haben Züge von Mitleid, aber auch negative Eigenschaften.



Wenn ich denke, ich bin zu sensibel, habe ich oft den Gedanken dabei, ja mit wem bin ich eigentlich sensibel? Mit mir selber.......

Gruß Brady


Hallo zusammen,

mir kommen ähnlich Gedanken wie dir Brady, wenn ich von jemandem höre er sei besonders sensibel. Und dann habe ich mich schon oft gefragt, warum ich solche emotionalen Dinge aus meinem Alltag meistens nicht über den Arbeitstag hinaus beschäftigen? Weil ich nicht sensibel bin? Sensibilität und Empathie ist eine positive Eigenschaft, aber meines Erachtens nicht gleichzusetzen mit Mitleid und Trauer für jeden unserer Patienten und sein Schicksal.
Wenn dem so wäre meiner Meinung nach, kann man nicht Jahre in dem Beruf arbeiten.

@sternenstaub (auch wenn der Thread schon was älter ist und ich nicht weiß, ob du das überhaupt noch liest)
Und dann zu den Schulternzuckenden Kollegen noch eine Bemerkung. Wir wissen nicht, was die bei dem Vorfall empfunden haben, vielleicht haben sie dich einfach nicht an ihren Gefühlen teilhaben lassen. Manche Menschen lassen sich nicht so gern hinter die Fassade gucken.

Gruß
Behid
 
I
zu sensibel? Was soll mir das sagen? Ich leide immer mit? Ich bin so empfindlich? Empfindlicher als andere Menschen? Ich bin besser?
Wir sind alles Menschen, haben Züge von Mitleid, aber auch negative Eigenschaften.
Ich glaube nicht, dass es heissen soll, dass man besser ist als andere. Ich glaube, das lässt sich nicht pauschalisieren.

Jeder muss für sich selbst entscheiden, wo seine Grenze ist.
 

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