Wie umgehen mit "verwaisten" Eltern?

Gaby

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Umgang mit verwaisten Eltern

Was du tun solltest:

Zeige den Eltern deine aufrichtige Anteilnahme. Lass sie deine Fürsorge spüren!

Stelle dich den Eltern zu Verfügung, „biete“ dich ihnen an!

Nimm dir die Zeit, ihnen zuzuhören, ihnen zu helfen, sie zu unterstützen – wo immer es notwenig ist!

Frag nach, wo sie Hilfe benötigen!

Biete ihnen deine Hilfe an!

Sag ihnen, es tut dir leid. Leid was geschehen ist!

Lass sie zu ihrer Trauer stehen, erlaube ihnen – mit dir darüber zu reden. Erlaube ihnen, ihre Trauer auszudrücken!

Ermutige sie dazu, sich Zeit und Geduld zu nehmen.

Versuche dem entgegen zu wirken – dass sich die betroffenen Eltern die Schuld geben. Oder sich vielleicht gegenseitig die Schuld zuschreiben!

Gib ihnen Zeit!

Sprich mit ihnen!

Höre ihnen zu!

Gib ihnen die Möglichkeit alleine zu sein. Alleine mit ihrem Kind. Sag ihnen, dass du für sie da bist. Sie dich holen können. Gehe regelmäßig auf sie zu! Wiederhole es!

Nenne das Kind beim Namen! Betrachte es als eigene Persönlichkeit!

Beziehe die Geschwisterkinder mit ein! Auch sie leiden. Meist mehr als man vermutet. Sie bekommen vielleicht jetzt nicht so viel Aufmerksamkeit, wie sie verdienen! Sie sind ebenfalls verletzt, verwirrt - nimm dir Zeit für sie!

Gib ihnen Zeit Fotos zu machen, ermuntere sie dazu!

Mach einen Hand- und Fußabdruck des Kindes!

Gib ihnen, das Gefühl alles für ihr Kind getan zu haben.

Ich persönlich halte es immer so:

Es gab eine Zeit in der wir uns kennen gelernt haben. Vielleicht auch eine Zeit des näheren kennen Lernens. Eine Zeit des miteinander, eine Zeit des auf einander zu gehen. Eine Zeit in der man zusammen Zeit verbracht hat. Vielleicht auch eine Zeit in der man zusammen gelacht hat!

Warum sollte man dann nicht auch zusammen trauern, zusammen weinen! Eine Zeit des Abschiedes!


Etwas möchte ich euch noch schreiben:


Es schreit in mir.
Unvernehmbar,
außer in der Tiefe meiner Seele.

Von Augenblick zu Augenblick
Halte ich dich fester,
und ich weiß,
wenn ich dich noch länger halte,
kann ich dich nie mehr gehen lassen.

Ungläubig habe ich innerlich geschrien,
als sie dich von mir nahmen.
Meine letzte Chance dich zu berühren,
dich zu halten
und bei dir zu sein.
Du ach so besondere Liebe,
die ich für allzu kurze Zeit kannte.

Und doch kenne ich dich für immer.

Aus: Unendlich ist der Schmerz von Julie Fritsch/Ilse Sherokee


Liebe Grüße aus Wien!

Gaby
 
Hallo Gaby,

deinen Beitrag musste ich mehrmals lesen. Und immer habe ich dabei einen dicken Kloß im Hals. Du hast mit diesem Beitrag aufgezeigt, wo meine und unsere Schwachstellen im Umgang mit " verwaisten " Eltern liegen.

Ich weiss viele Dinge über den menschlichen Körper, über den Umgang mit Notfallsituation und auch über das Verhalten in Extremsituationen.

Ich habe gelernt Menschen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Tod eines Menschen zu verhindern und wie ich dieses Wissen weitergeben kann.

Ich habe nie gelernt, Eltern so meine Hilfe anzubieten, wie Du es beschreibst !

Wenn ich so an die Situationen denke, in denen wir Kinder verloren haben, dann gleichen sich die Bilder für mich immer.

Notfalleinsatz, Stationsflur, weinende Eltern vor der Tür, betriebsame Hektik im Zimmer.

Und wenn es "vorbei" ist, wenn wir es wieder einmal nicht geschafft haben, dieses Kind zu retten, dann möglichst schnell das Material nehmen und gehen.

Der Arzt wird dann schon mit den Eltern sprechen !

Warum bin ich dann zu feige hin zu gehen und mein Beileid aus zu drücken ? Ihr Hand zu halten und Hilfe an zu bieten !

Warum hülle ich mich dann in Schweigen, wenn ich mit ihnen reden sollte ?

Dein Beitrag hat mir auf eine schonende Art und Weise klar gemacht, den Verlust des Kindes nicht als ein persönliches Versagen, als eine Niederlage zu sehen, mit der ich alleine klar kommen muss, sondern als ein Ereignis, welches ich mit den Eltern teilen kann.

Ich hoffe mich daran zu erinnern, falls es wieder dazu kommt.

Sie werden helfen, eine winzige Öffnung für die Daunenfeder in meiner Rüstung zu lassen.


Noch eine persönliche Anmerkung.

Gaby, ich finde diese Art der Beiträge von Dir sehr gut. Sie sind mit viel Sensibilität zu einem ganz sensiblen Thema geschrieben. Sie öffnen Augen, wo man sie all zu gerne verschließen möchte.


Ich frage mich dabei immer, woher nimmst Du die Kraft und die Stärke deinen Beruf so aus zu üben, woher den Mut dich solchen Situationen zu stellen ?

Und auch die anderen KollegINNen die sich mit dieser Thematik so intensiv befassen, lebt ihr euer Leben doppelt intensiv ?
 
Dein Text macht Mut. Für mich ist es sehr schwer mit sterbenden Kindern und ihren Eltern umzugehen. Da bin ich sehr schnell an meiner Grenze. Mit den Eltern zu sprechen und ihnen eine Hilfe zu sein wäre mein Wunsch, aber meist kriege ich in so einer Situation kaum ein Wort heraus, weil es mich selber so mitnimmt.
Ich arbeite auf einer Station, wo Kinder eher selten sind, haben wir dann doch mal kleine Patienten, merke ich erst wie sehr man psychisch drin steckt und wie viel man von "der Arbeit" mit nach Hause trägt.
Liebe Grüße. Lara
 
Hallo Rabenzahn, Hallo Lara,


auch wenn es noch so stressig ist, die nächste Aufnahme schon vor der Tür steht – bleibt einem doch meist die Zeit den betroffenen Eltern die Hand zu reichen. Auch wenn dies stumm geschieht und man in dieser Minute vielleicht gar nichts sagen kann oder möchte. Die betroffenen Eltern verstehen dies als Zeichen der Anteilnahme. Alleine der Satz – es tut mir so leid für sie, verfehlt selten seine Wirkung.

Natürlich macht es einen großen Unterschied, ob man die Kinder zuvor gekannt hat oder ob es sich um einen Notfall handelt.

Auch im Bezug auf den Umgang mit den Eltern. Kennen die Eltern die Station und das Pflegepersonal – wird sich sicher eine andere Ebene auftun und vieles wird anders verlaufen.

Das wichtigste für die Eltern ist, dass in dieser Zeit jemand für sie da ist. Dass sie sich von ihrem Kind verabschieden können. Das braucht aber Zeit. Zeit die in einem Krankenhaus oft nicht vorhanden ist!

Immer wieder mal, kommt der Wunsch von Eltern – sie würden so gerne ihr totes Kind noch einmal mit nachhause nehmen. Zugegeben ein sehr gewöhnungsbedürftiger Gedanke – vor allem für unsere Kultur. Ich habe selbst, sehr lange darüber nachgedacht. Konnte mich anfangs gar nicht mit diesem Gedanken auseinander setzten. Da ich die Frage aber dann von einigen Eltern gestellt bekommen habe – habe ich mich intensiver mit diesem Thema auseinander gesetzt. Seither kann ich diesen Wunsch besser verstehen.

Denn wirklich Ruhe um Abschied zu nehmen, finden betroffene Eltern nur zu Hause. Sie können dort gemeinsam mit den anderen Familienangehörigen Abschied nehmen und können so auch leichter loslassen!

Es kommt nicht immer auf die Worte an – reiner Beistand, den Eltern das Gefühl zu geben – ich bin da für euch – darauf kommt es meist an!

Meine Kraft und meinen Mut Rabenzahn, schöpfe ich aus meinen gesunden Kindern – meiner eigenen inneren Einstellung. Für mich gehört der Tod zum Leben – ist der Abschluss von diesem! Ob wir es möchten oder nicht – wir müssen loslassen lernen – auch wenn es weh tut!

Vieles im Umgang mit betroffenen Eltern habe ich im privaten Bereich erlebt – bin immer wieder Anlaufstelle. Einfühlsam und mitfühlend vielleicht deshalb – weil ich weiß wovon ich rede und daher oft einen Zugang zu den betroffenen Eltern finde.

Liebe Grüße aus Wien

Gaby
 

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