Wie soll das weiter gehen?

carmen

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22.07.2002
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Hallo Leute,

ich bin echt gefrustet ohne Ende und nehme dieses visuelle Forum, um etwas Dampf abzulassen :?

Gestern nachmittag auf Stat.

Eine Pat. 1919 geboren, mit diversen, altersentsprechenden Vorerkrankungen, wurde gegen 18 Uhr übel und sie erbrach auch.
Die Ärztin ging gleich rein und rief sofort den AVD mit zu Hilfe.
Der Stress begann.
Bricanyl, Lasix, Morphin aufziehen, im Dauerlauf ans Pat. Bett bringen, 02 Maske auf's Gesicht, DK legen, EKG-Gerät ran kacheln, alles so im Zeitraum von 8-10 min.
Die junge Frau hatte zum 2. Mal einen Myocardinfarkt geschoben und durfte natürlich nicht sterben, obwohl ihr AZ mehr als nur unten war und sicher auch bleibt.
Mit wehenden Fahnen wurde diese Pat. vom AVD und der behandelnden Ärztin auf die ITV gebracht und wir Dienst-Tuenden starrten uns nur ganz ungläubig an.
Jeder von uns hatte dieselbe Frage im Gesicht:"was soll das"?????????????
Als die beh. Ärztin mit dem leeren Bett zurück kam, fragten wir sie, was denn nun getan wird, wenn ein junger Mensch Intensivpflichtig wird, so ganz spontan?
Weil das Bett, welches unsere Pat. belegte, das letzte freie Bett auf ITV war.
Wir bekamen keine Antwort, dachten uns aber unser Teil.

LG

Carmen
 
Carmen,
Das ist eine Situation,die immer vorkommen kann.
Aber:Wer sagt Dir,daß der AZ schlecht bleibt?
Willst Du über Leben und Tod entscheiden?
Wann ist Leben noch lebenswert?
Das letzte ITS-Bett also mit dieser 85jährigen Pat. belegt.Und selbst wenn es eine 45jährige Pat.gewesen wäre,das Bett ist blockiert,käme da eine 15-,25-,35jährige.
Schwierige Situation,fürwahr.

Greetings,Rasmus
 
Moin Rasmus,

natürlich will ich nicht über Leben und Tod entscheiden, doch die Situation war sehr schwierig zu verstehen.
Die alte Dame kam ja schon in einem sehr schlechten AZ und verschlechterte sich weiter.
Sie selbst sagte noch vor 3 Tagen, dass sie es nicht nochmal mit machen möchte, nach einem HI auf der ITV zu landen, mit Schläuchen und Apparaten im und am Körper.
Ihr Wunsch ging nicht in Erfüllung, sie liegt mit Schläuchen und Apparaten im und am Körper auf ITV.
Das heißt, falls sie den HI überlebt hat, es war ja nicht der Erste.

Da war vorige Woche noch so eine Situation, wo das Team nur kopfschüttelnder weise da standen.

Ein Pat., 96 Jahre alt, verläßt seit Jahren nicht mehr das Bett, kam aus dem Pflegeheim mit AZ-Verschlechterung und er wollte keine Nahrung mehr zu sich nehmen, war aber zu diesem Zeitpunkt noch völlig klar und wußte, was er sagte und tat.
Die Ärzte trugen ihm das Legen einer PEG anheim, was er vehemend ablehnte, er hatte auch keine gesetzliche Betreuung.
Dieses änderte sich innerhalb von Stunden, weil der Amtsarzt angerufen wurde, dieser kam, stellte fest, dass der Pat. mit sofortiger Wirkung eine Betreuung benötige, wofür seine Tochter eingesetzt wurde.
Diese unterschrieb die Einwilligung zur PEG und der Pat. sollte auch 2 Tage später eine gelegt bekommen.
Es kam anders.
Beim Versuch, die PEG zu legen, stellte man fest, dass der Pat. einen Thoraxmagen hat und eine PEG nicht gelegt werden kann.
Somit bekam der Pat. einen ZVK, über den er mit Clinomel und Bewässerung ernährt wird.
Gestern wurde er in ein Hospiz verlegt, weil die Pflegekräfte aus seinem AH, wo er seit Jahren lebte, keinen Pat. mit ZVK zurück nehmen, weil sie keinen ZVK versorgen könnten.

Tolle Situation, oder???

Carmen
 
Carmen,
Das sind ja haarsträubende Stories bei Euch!
Meine Meinung ist,daß ein Mensch selbst darüber zu entscheiden hat,was mit ihm passieren soll,sofern er klaren Bewußtseins ist u.sich zu diesem Thema äußern kann.Deshalb hätte auch der Wunsch des Pat.akzeptiert werden müssen.
Wer in aller Welt hat also den Richter kommen lassen,der dann die Betreuung eingeleitet hat?
Auch die Angehörige scheint mit der gesanten Situation überfordert,wenn sie anstandslos die Einwilligung zur PEG-Anlage gibt.
Und nat. sollte auch der Wille der ersten Pat. (mit HI) respektiert werden,wenn sie sagt,keine lebensverlängernden/-erhaltenden Maßnahmen an ihr vornehmen zu lassen.Da hätte dann auch keine Verlegung mehr zur ITS sein müssen.
Wer also maßt sich an,diese Frau nicht von der Welt zu lassen?
Hoffentlich passiert eines Tages so etwas nicht mit uns-man uns nicht sterben läßt,obwohl der Tod doch schon zum Greifen nah ist!

Greetings,Rasmus
 
Hi Rasmus,

die Ärzte haben den Amtsricher für den Pat. bestellt und ihn unter Betreuung setzen lassen!
Es war pures Gück für den Pat., dass er einen Thoraxmagen hat, womit das Legen einer PEG unmöglich wurde.

Und sie Pat., 1919 geboren, Z.n. 2. Myocardinfarkt, welche am Donnerstag auf ITV verlegt wurde wurde, bekomme ich erst am Montag Kenntnis, wie die Situation auf ITV weiter gelaufen ist.

Aber es ist wirklich haarsträubend, was sich seit Wochen auf unserer Stat. ab spielt!

Carmen
 
Die Docs kommen manchmal auf sonderbare Ideen. Aber ich glaube fast, die lernen das so- immer Maximum machen. Scheint jedenfalls so.

Manche sind wenigstens so gescheit und lassen die Frage zu, ob die PatientIn von den Maßnahmen noch wirklich profitiert. Und manche hören sogar auch einen....
 
Hi!

Auch ich kenne Situationen, wie Carmen sie beschreibt, gehäuft. Denke aber unter anderem, dass man nicht prinzipiell den Ärzten, die ans Maximum gehen, die Schuld zuweisen darf. Erstmal, haben sie einen Eid darauf geschworen, Leben zu retten und zudem sind, wie wir alle wissen, Ärzte auch nur Menschen. Und für einen Menschen ist es eben schwer über Leben und Tod zu entscheiden - ganz egal welchen akademischen Grad er hat!
Zum anderen sehe ich bei dem Thema auch das Problem in der Gesselschaft: Der Tod und das Sterben wird nun mal tabuisiert, nicht um sonst Sterben die meisten Menschen in Krankenhäuser. Und die Meinung, dass man immer älter werden muß, ist doch auch weit verbreitet. Letztendlich ist es eine ethische Frage, ob ein Mensch gehen "darf" oder nicht.
Für uns selber können wir nur hoffen und uns darum bemühen, dass alle Fragen zu dem Thema im Vorfeld mit den Angehörigen geklärt werden. Auch ich habe schon solche Gespräche mit meinen Eltern (sind beide noch keine 50) und meinem Freund geführt.

Liebe Grüße
Andrea
 
Tachen!

Ich hoffe dass es eine nicht allzu peinliche Wissenslücke ist, aber für was steht:

- AVD
- DK
- ITV

MfG
Sloopy
 
Hallo Sloopy !

AVD => Arzt vom Dienst
DK => Dauerkatheter
ITV => Intensivstation

Liebe Grüsse

Dirk
 
Hallo!
Das Vorgehen bei akuten Erkrankungen ist für alle Beteiligten nicht einfach. Es gibt dabei mehrere Probleme.
1. Hat der Patient eine Patientenverfügung erstellt? Wenn nicht, warum nicht? Wenn er nicht selbst eine Entscheidung trifft wie er bei akuten / chronischen Ereignissen versorgt werden will, muß man von dem maximalen Versorgungswunsch ausgehen.
2. Das sieht das Rechtssystem genauso. Hast du bei einem Patienten nicht alles medizinisch machbares durchgeführt, mußt du vor dem Gericht, wenn Angehörige klagen mit einer Verurteilung rechnen.
3. Wer will entscheiden ob sich für einen Patienten die Intensivtherapie noch lohnt? Viele Entscheidungsträger sehen uns dann wieder im Jahr 1936-45! Wir werden diesen Makel scheints nie wieder los, obwohl wir eine ganz andere Generation sind. Andere Länder gehen mit solchen Entscheidungen ganz anders um.

Gruß

Axel
 
Manche Ärzte tun sich echt schwer damit,bei infausten Pat.mal etwas weniger als zu viel zu machen.Das hat mir selbst meine Stationsärztin mal gestanden.
Manchmal,so scheint es,akzeptieren Ärzte den Tod weitaus weniger als das Pflegepersonal u.die betroffenen Pat.selbst.

Greetings,Rasmus
 
1. Hat der Patient eine Patientenverfügung erstellt? Wenn nicht, warum nicht? Wenn er nicht selbst eine Entscheidung trifft wie er bei akuten / chronischen Ereignissen versorgt werden will, muß man von dem maximalen Versorgungswunsch ausgehen.


Ich kann Dir sagen warum:
Weil die wenigsten alten Menschen (aber auch jungen!) überhaupt nichts davon wissen!!!! "Patientenverfügung? Was ist das? Was muss ich da tun?"
Es ist leider so! Ich höre so viele Menschen den Wunsch äussern, dass sie im Falle eines Falles "an keine Maschinen mehr wollen" oder sonst irgendwie das leben künstlich verlängert haben wollten. Aber dass man sowas von einem Notar, Rechtsanwalt oder von einem Urkundsbeamten in den Gemeinden oder Stadtverwaltungen per Patientenverfügung schriftlich beglaubigt bekommt, das wissen die wenigsten. Woher auch?
Es gibt zu wenige Informationen darüber. Und deswegen werden die Leute therapiert bis zum geht-nicht-mehr, und für eine Patientenverfügung ist es in diesem Zustand meistens schon zu spät.
Traurig....
Wir sind immer darauf bedacht, die Pat. darüber aufzuklären, und ich habe noch niemand erlebt, der jemals zuvor davon gehört hat.

LG
Trisha
 
Ja Trisha, genau so verhält es sich.
Es gibt keine Institution, welche mit großen Werbeplakaten oder Werbung im Fernsehen und Radio auf eine Pat.-Verfügung hin weist und erklärt, warum eine solche Verfügung so wichtig ist.

Und warum gibt es keinerlei Hinweise darauf?
Weil das was mit Sterben und Tod zu tun hat, wo dieses Thema ja in unserer ach so tollen Druck- und Leistunggesellschaft nichts zu suchen hat :!: :x

Wenn die alten Leute erst hinfällig sind, Alzheimer und Demenz haben, braucht man ihnen nicht mehr mit einer Pat.-Verfügung daher kommen, weil sie es nicht mehr verstehen.

Die alte Dame, von der ich berichtete, liegt immer noch auf ITV und zwar beatmet und in einem äußerst kritischen Zustand. Es besteht so gut, wie keine Hoffnung mehr, dass sie auf unsere Stat. zurück kommt oder die ITV lebend verläßt.
 
Ja Carmen,

es ist einfach ärgerlich und traurig :( :cry: !
Und deswegen haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, bei Neuaufnahmen die Pat. auf Patientenverfügungen hinzuweisen und sie darüber aufzuklären.
Für alte Menschen ist das Thema "Tod" nämlich kein Tabuthema und sind froh, wenn sie ihre Wünsche für diesen irgendwann eintretenden Fall schriftlich, als Urkunde, hinterlegen können.
Ich wäre wirklich froh, wenn sich unsere Gesellschaft sich mehr mit diesen Themen beschäftigen würde.
Ich wünsche dieser Patientin von der Du berichtet hast, dass sie hoffentlich schnell von ihrer derzeitigen Lage erlöst wird...

LG
Trisha
 
ethische konflikte wird es wohl immer geben zwischen arzt und krankenschwester/pfleger!!
 
Aufklärung in Sachen Pat.Verfügung tut echt Not. Denn viele Docs handeln immer noch nach der Devise: Alles, was machbar ist, wird gemacht. Ob die PatientInnen profitieren, es mutmaßlich wünschen, oder nicht.

Die Würde des Menschen ist antastbar.

Natürlich ist es sehr schwierig, zu entscheiden, nichts zu tun. Aber zB einer 90jährigen mit fortgeschrittenem Tumorleiden, fast präfinal, Gerinnung im Eimer, Demenz usw ...

Sind Ärzte und Pflegepersonal für die PatientInnen da oder umgekehrt?
 

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