Frontal - Beitrag
Hallo @ all,
zunächst einmal vielen Dank für den superinteressanten link!
(Ich habe keinen Fernseher und verpasse so manchmal interessante Dinge)
In München sind wir Dank einiger vorrausdenkender Ärzte auf einer "Insel der Glückseligen".
Hier gibt es seit Anfang der 90iger Jahre das Programm"Frühdefibrillation durch Rettungssanitäter"
In diesem wird die Anwendung der Defibrillation durch Rettungsdienst mit Hilfe der halbautomatischen Defibrillatoren gelehrt und regelrecht "eingedrillt".
Einmal jährlich muß der vorgebene Algorythmus in einer Prüfung vor einem
durch den ANR (
www.anr.de) befähigten Arzt demonstriert werden.
Klingt zwar schrecklich, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen:
Je häufiger diese Prüfung gemacht wird, um so besser schleift sich das Ablaufschema ein. Und dies kommt wieder den Patienten zugute, da eine Reanimationssituation nicht allzu häufig vorkommt. Dazu ein paar Zahlen aus München: pro Jahr ca. 600 Reanimationen, diese verteilen sich auf ca. 30 Rettungswagen und 14 arztbesetzte Rettungsmittel (NAW,NEF,Rettungshubschrauber), die im 3-Schichtbetrieb vorgehalten werden.
Die Wahrscheinlichkeit, das es einen mit einer REA "trifft" ist gering, besonders dann, wenn der Rettungsdienst 2 bis 3 mal im Monat ehrenamtlich geleistet wird.
Meine letzte (primär erfolgreiche) Reanimation liegt ein Jahr zurück.
Seit letztem Jahr ist ein Halbautomat als Ausrüstungsgegenstand in Bayern auf jedem RTW vorhanden.
Ein paar Infos zu den im Film interwievten Personen:
Dr. Gerhard Nadler ist Jurist und Rettungsassistent und arbeitet u.a. für den Berufsverband der Rettungsassistenten.
Prof. Sefrin ist Chefarzt der Anästhesie am Missionskrankenhaus Würzburg und gehört zu den ersten Ärzten die sich die für die Einführung der Defis auf den Rettungswagen stark gemacht haben. Er hat außerdem an der Ausbildungsordnung für Rettungsassistenten mitgewirkt und Fachbücher und viele Beiträge für den Rettungsdienst verfasst.
Die Gabe von Medikamenten wie Adrenalin und Atropin ist im Ablaufschema der Frühdefibrillation fest verankert, ebenso die Intubation.
Die Intubation dient nicht nur der Sicherung der Atemwege, wie im ABC-Schema der Reanimationsrichtlinien beschrieben, sondern ist oftmals der schnellste weg um Adrenalin oder Atropin dem Patienten (endobronchial) zu verabreichen.
Zum Thema Schmerzmittel:
Bei gesicherten Indikationen wie Frakturen oder Nierenkoliken "meckert" in München kein Aufnahmearzt mehr, wenn Analgetika verabreicht werden.
Wichtig ist nur, das es Dokumentiert und bei der Übergabe im KH gesagt wird.
Die Verdachtsdiagnose Herzinfarkt ist allerdings nach wie vor eine Notarztindikation!!
Auch wenn es etwas länger dauert bis er kommt und dann oftmals Chirugen als Notärtze unterwegs sind und diese nicht immer das notwendige tun!
Die angesprochene Notkompetenz schließt, juristisch gesehen, mehrere Faktoren ein:
Die U N A U F S C H I E B B A R K E I T der Maßnahme.
Diese ist bei einer Reanimation sicher gegeben. Dazu gehört auch die Defibrillation. Hier haben Studien (an Schweinen, nicht an Menschen!)
gezeigt, daß die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Defibrillation pro Minute bestehendes Kammerflimmern um 10 % abnimmt!
Die B E H E R R S C H UN G der Maßnahme.
Dafür gibt es die jährlichen Prüfungen vor dem verantwortlichen Arzt.
Die D O K U M E N T A T I O N der Maßnahmen.
Die Halbautomaten dokumentieren automatisch auf Datenträger oder zum Ausdrucken alle EKG-Rhythmen, "Schüsse" und deren Folgen mit Datum und Uhrzeit.
Außerdem gibt es ein extra Formblatt in dem alle durch den Rettungsdienst durchgeführten Maßnahmen dokumentiert und von den verantwortlichen Ärzten ausgewertet und bei Bedarf nachbesprochen werden.
Bei groben Fehlern kann die Erlaubnis zur Frühdefibrillation auch zurückgezogen werden.
Dies ist menes Wissens in München jedoch noch nie vorgekommen.
In den Nachbarlandkreisen kann der Rettungsdienst schon Ärger bekommen,
wenn er nur eine Infusion anhängt, ohne den Notarzt nachzufordern.
Letztes Jahr war ich auf einem Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Notfall und Katrastrophenmedizin. Hier war ein großes Gesprächsthema, ob der Notfallsanitäter (entspricht dem Deutschen Rettungsassistenten) ohne Notarzt Blutzucker messen darf! Dies ist eine Frage nach der in Deutschland
"kein Hahn kräht"!
So, das wars von mir.
Freue mich auf Eure Antworten!
Werner