von der Gesundheitsseite HAZ vom 20.08.03
Tausende sterben an Arznei
Jedes Jahr sterben rund 58 000 Menschen in den internistischen Stationen deutscher Krankenhäuser an unerwünschten Wirkungen von Arzneimitteln - davon ist Prof. Jürgen Frölich, Leiter des Instituts für Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), überzeugt. Die hohe Zahl ist überraschend - denn bisher waren Mediziner von jährlich 8000 bis 16 000 Fällen ausgegangen. „Die vielen Todesfälle sind umso schockierender, wenn man bedenkt, dass etwa die Hälfte vermeidbar wäre“, sagt Frölich.
Der Mediziner beruft sich auf eine neue Studie aus Norwegen. Dort starben 732 von knapp 14 000 Patienten (etwa fünf Prozent), die binnen zwei Jahren in die internistische Abteilung eines Krankenhauses eingeliefert worden waren - 133 von ihnen wegen unerwünschten Medikamentenwirkungen. „Das ist einhundertprozentig auf Deutschland übertragbar“, sagt Frölich. Auch hier zu Lande stürben etwa fünf Prozent der jährlich sechs Millionen Patienten der internistischen Stationen in den Kliniken. Und die Medikamente seien in beiden Ländern identisch.
„Sterben Patienten in Krankenhäusern, fehlt den Ärzten meist das Problembewusstsein für unerwünschte Arzneimittelwirkungen“, sagt der hannoversche Pharmakologe. So auch in Norwegen, wo die Studie erstellt wurde: Dort hatten die behandelnden Ärzte nur bei acht der 133 Medikamenten-Toten Arzneimittel als Ursache vermutet. Bei den restlichen 125 Todesfällen äußerten sie keinerlei Verdacht. Erst bei der Blutanalyse und Autopsie „kam die Wahrheit ans Licht“, so Frölich. Etwa bei einer 74-Jährigen, bei der die Ärzte eine Lungenentzündung als Todesursache vermuteten. Tatsächlich starb die Frau an inneren Blutungen, weil eine Kaliumtablette ein Loch in ihre Speiseröhre gefressen hatte. „Wenn die Ärzte in 94 Prozent der Fälle keinen Verdacht äußern, ist das alarmierend“, sagt Frölich. Das zeige, wie sehr das Risiko von Arzneimitteltherapien unterschätzt werde.
Die Gründe für die vermeidbaren Todesfälle sind vielfältig: Mit 31 bis 58 Prozent seien Dosierungsfehler die häufigste Ursache, sagt der Pharmakologe. Die Ärzte würden etwa Nierenbeschwerden oder das Gewicht der Patienten nicht richtig berücksichtigen. „Dann sterben die Patienten an einer Überdosierung.“ Manchmal fehle es schlicht am Rechnen, sagt Frölich. Bei einer weiteren Studie mit 150 Ärzten seien nicht einmal die Hälfte in der Lage gewesen, fünf Dosierungen korrekt zu berechnen.
Der hannoversche Mediziner fordert deshalb, die Ausbildung der Ärzte zu verbessern. „Es ist skandalös, dass die klinische Pharmakologie noch nicht auf den Lehrplänen aller medizinischen Hochschulen der Republik steht“, sagt Frölich. Sogar an großen Fakultäten wie in Freiburg, Würzburg, Marburg und Mainz gebe es keine entsprechenden Abteilungen. „Unglaublich, wenn man bedenkt, wie wichtig die Arzneimitteltherapie ist.“
Für Ärzte, die ihr Studium bereits absolviert haben, setzt Frölich auf ein bundesweites Informationsnetz: Dort sollen sich die Kollegen per Computer oder Telefon über die Dosierung und Nebenwirkungen von Medikamenten informieren. Die MHH habe ein solchens Netz bereits in einem Pilotprojekt getestet - „und zwar sehr erfolgreich“, sagt Frölich. „Das rettet Leben.“ Nina Hacker
Viele Ärzte verschreiben falsche Medikamente oder verrechnen sich bei der Dosierung. Mit verheerenden Folgen: 58 000 Patienten sterben jährlich an Unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Die Hälfte der Todesfälle ist vermeidbar, sagt der hannoversche Pharmakologe Prof. Jürgen Frölich.
Wenn Ärzte Medikamente verschreiben, kann es gefährlich werden: Jedes Jahr sterben tausende Patienten an unerwünschten Wirkungen von Arznei. Meistens ist die Dosierung schuld.
Tausende sterben an Arznei
Jedes Jahr sterben rund 58 000 Menschen in den internistischen Stationen deutscher Krankenhäuser an unerwünschten Wirkungen von Arzneimitteln - davon ist Prof. Jürgen Frölich, Leiter des Instituts für Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), überzeugt. Die hohe Zahl ist überraschend - denn bisher waren Mediziner von jährlich 8000 bis 16 000 Fällen ausgegangen. „Die vielen Todesfälle sind umso schockierender, wenn man bedenkt, dass etwa die Hälfte vermeidbar wäre“, sagt Frölich.
Der Mediziner beruft sich auf eine neue Studie aus Norwegen. Dort starben 732 von knapp 14 000 Patienten (etwa fünf Prozent), die binnen zwei Jahren in die internistische Abteilung eines Krankenhauses eingeliefert worden waren - 133 von ihnen wegen unerwünschten Medikamentenwirkungen. „Das ist einhundertprozentig auf Deutschland übertragbar“, sagt Frölich. Auch hier zu Lande stürben etwa fünf Prozent der jährlich sechs Millionen Patienten der internistischen Stationen in den Kliniken. Und die Medikamente seien in beiden Ländern identisch.
„Sterben Patienten in Krankenhäusern, fehlt den Ärzten meist das Problembewusstsein für unerwünschte Arzneimittelwirkungen“, sagt der hannoversche Pharmakologe. So auch in Norwegen, wo die Studie erstellt wurde: Dort hatten die behandelnden Ärzte nur bei acht der 133 Medikamenten-Toten Arzneimittel als Ursache vermutet. Bei den restlichen 125 Todesfällen äußerten sie keinerlei Verdacht. Erst bei der Blutanalyse und Autopsie „kam die Wahrheit ans Licht“, so Frölich. Etwa bei einer 74-Jährigen, bei der die Ärzte eine Lungenentzündung als Todesursache vermuteten. Tatsächlich starb die Frau an inneren Blutungen, weil eine Kaliumtablette ein Loch in ihre Speiseröhre gefressen hatte. „Wenn die Ärzte in 94 Prozent der Fälle keinen Verdacht äußern, ist das alarmierend“, sagt Frölich. Das zeige, wie sehr das Risiko von Arzneimitteltherapien unterschätzt werde.
Die Gründe für die vermeidbaren Todesfälle sind vielfältig: Mit 31 bis 58 Prozent seien Dosierungsfehler die häufigste Ursache, sagt der Pharmakologe. Die Ärzte würden etwa Nierenbeschwerden oder das Gewicht der Patienten nicht richtig berücksichtigen. „Dann sterben die Patienten an einer Überdosierung.“ Manchmal fehle es schlicht am Rechnen, sagt Frölich. Bei einer weiteren Studie mit 150 Ärzten seien nicht einmal die Hälfte in der Lage gewesen, fünf Dosierungen korrekt zu berechnen.
Der hannoversche Mediziner fordert deshalb, die Ausbildung der Ärzte zu verbessern. „Es ist skandalös, dass die klinische Pharmakologie noch nicht auf den Lehrplänen aller medizinischen Hochschulen der Republik steht“, sagt Frölich. Sogar an großen Fakultäten wie in Freiburg, Würzburg, Marburg und Mainz gebe es keine entsprechenden Abteilungen. „Unglaublich, wenn man bedenkt, wie wichtig die Arzneimitteltherapie ist.“
Für Ärzte, die ihr Studium bereits absolviert haben, setzt Frölich auf ein bundesweites Informationsnetz: Dort sollen sich die Kollegen per Computer oder Telefon über die Dosierung und Nebenwirkungen von Medikamenten informieren. Die MHH habe ein solchens Netz bereits in einem Pilotprojekt getestet - „und zwar sehr erfolgreich“, sagt Frölich. „Das rettet Leben.“ Nina Hacker
Viele Ärzte verschreiben falsche Medikamente oder verrechnen sich bei der Dosierung. Mit verheerenden Folgen: 58 000 Patienten sterben jährlich an Unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Die Hälfte der Todesfälle ist vermeidbar, sagt der hannoversche Pharmakologe Prof. Jürgen Frölich.
Wenn Ärzte Medikamente verschreiben, kann es gefährlich werden: Jedes Jahr sterben tausende Patienten an unerwünschten Wirkungen von Arznei. Meistens ist die Dosierung schuld.