Tätigkeitsbericht: Anästhesie

Rabenzahn

Poweruser
Registriert
15.02.2002
Beiträge
933
Ort
Kassel
Beruf
AN-Pfleger
Akt. Einsatzbereich
in Rente
Ein Arbeitstag
Der Arbeitstag in der Anästhesie eines Großklinikums beginnt um
7:00 Uhr.
Wir treffen uns alle um 7:00 Uhr und halten eine Frühbesprechung ab. Dabei werden eventuelle Dienste, welche noch zu besetzen sind angeboten, Besonderheiten besprochen und die Einteilung für die einzelnen Bereiche vorgenommen.

Die Anästhesie versorgt:

- Hautklinik, Kernspin, CT und Angio
- HNO
- Gynäkologie und Radium
- Augenklinik
- Traumatologie
- Abdominal – und Thoraxchirurgie
- Neurochirurgie
- Urologie
- Handchirurgie
- Schockraum
- Und alle Reanimationen auf Station

Die Herzchirurgie wird auch von der Anästhesie versorgt, dort hat sich aber eine kleine Gruppe gebildet, die ständig dort eingesetzt sind, während die anderen Bereich auch teilweise täglich wechseln.
Insgesamt müssen morgens um 7:00 Uhr 21 Operationstische bedient werden.

Nach der Verteilung begeben wir uns in unsere Bereiche.

Hier besteht die erste Aufgabe in einem ausführlichen Test der unterschiedlichen Narkose – und Überwachungsgeräte, einschließlich des Notfallmaterials und der Defibrillatoren. Diese Aufgabe wird gewissenhaft durchgeführt und auf einem extra Blatt für jedes Gerät per Unterschrift dokumentiert.

Dann werden die verschiedenen Medikamente aufgezogen, die für die unterschiedlichen Narkoseformen benötigt werden. Ich habe zum Beispiel eine Vorliebe für die Neurochirurgie und da speziell die Eingriffe wie
- intrazerebrale Blutung
- Aneurysma- Clipping
- Hirntumore aller Art

Hier stellt die Vorbereitung, Einleitung und Durchführung hohe Anforderung an den Anästhesisten und mich.

So ein Spritzenset mit allen Medikamenten zur Narkoseeinleitung sieht so aus.

- 2 x 500 mg Trapanal ( Barbiturat )
- 2 x 25 mg Esmeron ( Muskelrelaxans )
- 1 x 10 mg Paspertin ( Magen-Darm-Therapeutikum )
- 1 x 1,25 mg Dehydrobenzperidol ( Neuroleptikum )
- 1 x 0,5 mg Atropin (Parasympathikolytikum )
- 1 x 0,5 mg Fentanyl ( Opiat )
- 1 x 0,150 mg Catapresan ( Antihytertonikum )
- 1 x 20 mg Xylocain 2 % ( Lokalanästhetikum )
- 2 x 100 mg Lysthenon 5 % nicht aufgezogen
( Muskelrelaxans )



Als nächste Tätigkeit werden die verschiedenen Perfusorspritzen aufgezogen. Diese sind

- Suprarenin
- Arterenol
- Ultiva
- Propofol

Sämtliche Medikamente und Perfusorspritzen werden in ganz bestimmten Konzentrationen aufgezogen. Das bedeutet, aufziehen, verdünnen, beschriften.

Mittlerweile verfügt die Anästhesie über intelligente Spritzenpumpen, die nicht mehr nach ml / h sondern nach Alter und Gewicht des Patienten programmiert werden und die sogenannten Zielwerte ermitteln und berechnen. Das heißt, wir wollen eine bestimmte Serumkonzentration erzielen, der Perfusor rechnet aus wie viel er pumpen muss. Manchmal kann es ziemlich kompliziert sein.

Sind die Spritzen und Perfusoren bereit, werden die entsprechenden Infusionen und Leitungen vorbereitet. Auch das ist eine kleine Wissenschaft für sich, was ist der periphere Zugang, was die ZVK – Leitung ? Wo schließen wir welchen Perfusor an, wo wird im Falle der Luftembolie aspiriert ? Da die Patienten mit dem Kopf von uns weggedreht werden, brauchen wir an jeder Leitung eine Verlängerung, Zuspritzpforten und Möglichkeiten zu aspirieren. Eine arterielle Druckmessung wird ebenfalls vorbereitet.

Nach Abschluss aller Vorbereitungen kommt der Patient in den Einleitungsraum. Hier werden alle relevanten Daten verglichen, der Patient nach Name, Vorname, Geburtsdatum befragt. Letzte Nahrungsaufnahme und fester Sitz der Zähne muss geklärt werden. Laborbefunde, Röntgenaufnahmen und Einwilligungserklärungen vorhanden sein. Antibiotikum aufgelöst werden.

Dann erfolgt die „ Vollverkabelung „ der Patienten. EKG, Dinamap, Sättigung zur Einleitung.
Der Patient bekommt nachdem die ersten Werte notiert sind, eine Sauerstoffmaske aufgesetzt und muss bis zur Narkoseeinleitung reinen Sauerstoff einatmen um den Körper gut aufzusättigen. Das ist bei den Kopfeingriffen wichtig.

Zusammen mit dem Anästhesisten spritze ich dann alle notwendigen Medikamente, damit der Patient ruhig und entspannt einschläft. Der Anästhesist beatmet dann über die Maske, bis die Muskelrelaxanzien wirken, während ich die Durchführung der Intubation vorbereite. Dazu verwenden wir besondere, flexible Tuben, die nicht abknicken können. Nach erfolgter Intubation und richtiger Lagekontrolle des Tubus wird dieser fixiert. Der Anästhesist beginnt mit der Vorbereitung der arteriellen Punktion, ich lege eine Magensonde und fixiere sie. Dann klebe ich den Augenschutz auf.
Liegt die arterielle Kanüle, verbinde ich sie mit dem vorbereiteten System, fixiere alles und führe den Nullabgleich durch.

Der Anästhesist muss noch einen Zentralvenösen Katheter legen, bei sitzenden Positionen oder kranken Patienten wählen wir den Mehrlumigen. Nach ausführlicher Desinfektion erfolgt die sterile Punktion. Die Materialien habe ich angereicht. Während der Punktion regel ich das Infusionsprogramm, kontrolliere die Vitaldaten und greife ein, falls der Blutdruck nach der Narkoseeinleitung zu niedrig wird. Damit der Patient auch wirklich schläft, starte ich die Perfusoren und damit beginnt die intravenöse Narkose, die sich über die ganze Operation hinziehen wird.

Der ZVK liegt und wird intrakardial gemessen. Dazu muss ich das EKG auf Ableitung II einstellen, ein Gerät ( Alphcard ) am Seldinger-Draht befestigen und durch Umstellung auf intrakardiale Messung stellen. Liegt die Katheterspitze im Vorhof zeigt sich eine hohe P – Welle. Wir machen das einmal um keine Röntgenkontrolle des Katheters durch führen zu müssen und um im Bedarfsfall Luft aus dem Herzen zu aspirieren. Der Anästhesist näht den Katheter an, ich lege in der Zwischenzeit einen Blasendauerkatheter.

Dann kann in den Operationssaal gefahren werden.

Dort angekommen, wird der Patient an das dortige Beatmungsgerät angeschlossen, die Vitaldatenbox und die CO² - Leitung verbunden, damit wir wieder eine Überwachung haben.
Die Chirurgen wickeln die Beine( wegen dem venösen Ruckfluss ) und dann kommt der Moment wo der Kopf in die Mayfield-Zange eingespannt wird. Ein sehr schmerzhafter Vorgang, deshalb vertiefen wir vorher die Narkose nochmals.

Muss der Patient aufgesetzt werden, wird er mit vereinten Kräften gelagert. Das dauert manchmal bis zu 40 Minuten und ist ein wirklich komplizierter Vorgang. Jeder muss darauf achten das nichts passiert, kein Schlauch knickt oder diskonnektiert, der Kehlkopf frei liegt und alle Schraubverbindungen fest angezogen sind.

Nachdem der Patient sitzt, platziere ich die Temperaturfühlsonde, decke eine Wärmedecke über ihn und bringe die Wärmegeräte in Position .
Dann kommt die korrekte Positionierung des Dopplers, damit wir hören können, wenn Luft eindringt und eine Luftembolie droht.
Zu diesem Zeitpunkt müssen dann bereits die ersten Perfusorspritzen gewechselt werden. Der Anästhesist schreibt dann erst mal Protokoll, während ich die erste ( Ausgangs BGA ) Blut Gas Analyse abnehme und durchführe, damit wir wissen, wie unsere Beatmung ist.
Auf dem Weg zum BGA-Gerät mache ich eine Kontrolle ob Blutkonserven im Blutkühlschrank sind.

Ist die BGA in Ordnung bereite ich die Infusionen vor, die als nächstes angehangen werden. Das ist z.B. Osmofundin zum Hautschnitt und zusätzlich 8 mg Fortecortin i.v., weitere Perfusorspritzen werden aufgezogen und das Medikamentenset entsprechend ergänzt.

Wenn die Chirurgen dann die Navigation des Tumors durchführen, kann ich den Einleitungsraum aufräumen und bin zum Hautschnitt wieder im Saal.
Operieren wir ein Aneurysma herrscht für alle Anwesenheitspflicht, falls es zu einer unkontrollierbaren Blutung kommt.

Während der ganzen Narkose sitzt der Anästhesist und ich an der Maschine, kontrollieren den Patienten, versorgen ihn mit dem was benötigt wird, beobachten über unsere Monitore den Operationsverlauf und sind immer hellwach.

Ich glaube es ist sicherer bei uns eine Narkose zu bekommen, als z.B. über eine Strasse zu gehen. Wir haben nämlich ein großes Interesse daran den Patienten sicher vom Op-Tisch zu bekommen.

Neurochirurgische Eingriffe dauern immer sehr lange, manchmal bis zu 10 und mehr Stunden. Danach beenden wir die Narkose, der Patient erwacht noch auf dem Tisch und wird dann an die Intensivstation übergeben.

Es ist zwar sicherlich ein Beruf mit viel Stress, aber es ist schön. Und morgen machen wir es wieder.


Hyronimus Rabenzahn
 
Hallo Rabezahn,

wie kann ich feststellen ob der Patient sediert ist und in keinen Wachkoma ist ? Mann/Frau hört ja so viele schreckliche Dinge ! :?

Unter der OP zwar keine Schmerzen aber der Patient äußert, dass er alles mitbekommen hat, vom 1.Schnitt bis zum zusammen nähen !!!

Erzähl mal was macht Ihr, damit sowas nicht passiert !?
MfG ute
 
Hallo Ute,

der schlimmste Fall der passieren kann ist der, dass vergessen wird den Narkosegasverdampfer aufzudrehen. Dann würde der Patient zwar relaxiert sein, also ruhig da liegen , könnte aber fühlen und hören.
Das würde man daran bemerken das die Vitaldaten ausser Rand und Band geraten würden. Der Blutdruck und Pulsfrequenz würden ansteigen, der Patient schwitzt extrem. Alles Zeichen einer zu flachen oder fehlenden Narkose. Jeder der am Narkosegerät sitzt würde aufmerksam werden und dann die Narkose vertiefen. Ich glaube nicht, dass es Fälle gibt wo der Patient unter Narkose alles mitbekommt. Ist er nur sediert ( z.B. wenn er zusätzlich eine Regionalanästhesie hat ) kann es vorkommen das sie hören und auch sehen können. Dabei aber keinen Schmerz empfinden.
Aber unter Vollnarkose ist es nahezu ausgeschlossen.
 
also ein anästhesiepfl. bereitet praktisch einen patienten auf eine op vor und bleibt auch während der gesamten op dabei, richtig?!
seid ihr auch in aufwachräumen eingesetzt? oder welche ausbildung braucht man dafür? und noch ne frage: was tut ein INTENSIVANÄSTHESIEPFLEGER??? bzw. lese bei uns in der klinik immer wieder die schilder: intensivstation anästhesiologie und würde gerne mal wissen was die menschlein dort treiben, konnte mir nämlich bisher niemand wirklich erklären. :( :?:
 
Hallo Nadine,

das Aufgabengebiet eines Anästhesiepflegers ist groß.
Es umfasst die Vorbereitung , Assistenz und Nachbereitung einer Narkose.
Dazu zählt:
- Checken der Narkosegeräte und aller weiteren Geräte
- Vorbereitung der Medikamente und Infusionen
- Einleitung der Narkose mit dem Anästhesisten
- Aufrechterhaltung und Durchführung der Narkose mit dem Arzt
- Nachbereitung , Desinfektion, nächste Aufbereitung

Während des laufenden Op´s werden weiter Medikamente, Infusionen, Blutkonserven benötigt, die bereiten wir dann auf.

Die postoperative Überwachung und Stabilisierung führen wir durch.

Ferner müssen wir den Schockraum mit Schwerstverletzten versorgen und Notfälle auf Station.
Das ist nur ein kleiner Einblick in die vielen Aufgaben, die wir haben.
Anästhesie ist intraoperative Intensivmedizin.

Was die Kollegen auf der Intensivstation so am Tage tun, weiss ich auch nicht :lol: , weil bisher keiner seinen Tagesablauf aufgeschrieben hat.

Wenn bei euch steht : Anästhesiologische Intensivstation bedeutet das eigentlich nur, dass diese Station unter der Leitung der Anästhesie steht. Die anderen Fakultäten können dort Patienten hinlegen lassen, die Therapie erfolgt durch die Anästhesie ( mit Absprache der einzelnen Fachbereiche. ) Es gibt auch Medizinische oder Neurologische Intensivstation.
Auf einer > Anästhesiologische Intensivstation< liegen im Regelfall operierte oder polytraumatisierte Patienten.

Zur Ausbildung ist zu sagen:
3 Jahre Krankenpflegeausbildung
2 Jahre Berufserfahrung ( davon ~ 6 Monate auf Intensiv-oder Anästhesie )
2 Jahre Fachweiterbildung mit Rotation auf alle Intrensivstationen und Anästhesieabteilung.
Dann nochmals Prüfung ( schriftlich, praktisch, mündlich )
 
vielen dank für die ausführliche antwort...

bin wie glaube bereits erwähnt gerade in einer ausbildung zur kinderkrankenschwester (habe aber leider noch 2 jahre vor mir)
intressiere mich sehr für die intensivmedizin und habe wahrscheinlich im zweiten oder dritten ausbildungsjahr die möglichkeit mir eine solche station anzuschauen, und das in ner uniklinik, ist bestimmt nicht unintressant...

bis dann, nadinsche
 
WUNDERBAR....endlich jemand, wo ich das Gefühl habe, denjenigen gefunden zu haben, der mir helfen könnte.

Ich bin Autor und schreibe einen Roman/Thriller.
Zu Recherchezwecken suche ich deshalb dringend Kontakt zu einem kompetenten und versierten Experten für Narkosen, Sedierungen, Relaxierungen,

Das is kein grosser Zeitaufwand und ginge easy per Mail.

Mit herzlichen Grüssen
in der Hoffnung auf Rückmeldung
lg Markus
P.S.: ich habe Ihnen auch eine persönliche Nachricht geschickt!
 
WUNDERBAR....endlich jemand, wo ich das Gefühl habe, denjenigen gefunden zu haben, der mir helfen könnte.

Ich bin Autor und schreibe einen Roman/Thriller.
Zu Recherchezwecken suche ich deshalb dringend Kontakt zu einem kompetenten und versierten Experten für Narkosen, Sedierungen, Relaxierungen,

Das is kein grosser Zeitaufwand und ginge easy per Mail.

Mit herzlichen Grüssen
in der Hoffnung auf Rückmeldung
lg Markus
P.S.: ich habe Ihnen auch eine persönliche Nachricht geschickt!


Vielleicht könnte da ein Facharzt für Anästhesie auch Hilfestellung geben?
 
@ Paula: Gute Idee, kenne leider keinen.....Toll, wenn sich jemand meldet?:–))
Oder kennst Du einen?

lg Dr.Good
 
Danke für den Hinweis,
aber ganz oben hat Rabenzahn sehr sehr ausführlich einen Tagesablauf für Anästhessiten und deren Assistenten beschrieben - für meine Zwecke aber nur ansatzweise :–)) Daher hoffte ich hier auf Antwort (auch von ihm)!

lg Dr.Good
 
Nur aus Neugier, was möchtest du denn genau wissen?
 

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