Sprache in der Pflege - Pflegesprache?

Elisabeth Dinse

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Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
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Intensivüberwachung
Es gibt Situationen in der Pflege, wo man bewußt witzelt, zynisch ist. Auch ich kann mich auch über die Gomerskala ( *(Defekter) Link entfernt* ) oder über unschöne Sätze, die man dann nicht hören will im Op (*(Defekter) Link entfernt* amüsieren.

Was mir aber auffällt, das diese Art der Beschreibung von Situationen sich offensichtlich unbemerkt in unsere tägliche Kommunikation eingeschlichen hat. Wie konnte das passieren? Eigentlich sind wir doch nicht menschénverachtend. Nutzen wir diese Worte weil uns andere fehlen in der Beschreibung einer Situation? Jeder weiß, was mit bockig (schon in Pflegeberichten gelesen:( ) gemeint ist. Wenn der Begriff mangelnde Mitarbeitsbereitschaft verwendet wird sind manche erst mal unsicher.

Elisabeth :?:
 
hallo Elisabeth,

das ist doch aus der schule schon ein bekanntes phänomen, dass man lernen muss zwischen umgangssprache und schriftlichem ausdruck zu unterscheiden.

natürlich schreibt man in eine akte NICHT rein : "Pat ist bockig"

das ist doch logisch, oder?

ob man es "unter uns" sagen kann, hängt immer von der situation ab. hier muss man feingefühl beweisen. manchmal kann es eine richtige attribuierung sein, aber da es auch unter kolleginnen nicht immer angemassen verstanden wird, sollte man mit solchen ausdrücken sehr sparsam sein.

den willen von pat sollte man schließlich respektieren. ein pat hat das recht, therapeutische und pflegerische aktionen zu verweigern.
das ist noch lange keine "Mitarbeitsverweigerung".

und ob das pflegepersonal unter sich eine "rotzige" sprache pflegt, hängt von vielen einflussfaktoren ab.
man hat aber die gewalt über sich selbst, ob man das mitmacht oder nicht, und kann eine kollegin gegebenenfalls darauf hinweisen. es hört dann meist in der eigenen gegenwart sehr schnell auf.

auf unserer station ist es unüblich, aber ich weiß es von vielen anderen einsätzen, dass es woanders zum teil sehr schnodderig zugeht.
nachvollziehen kann mans, weil sich das personal damit auch ein ventil verschafft.
 
Hallo,
ich muss einfach mal auf diesen doch etwas Älteren Thread zurückgreifen, heute habe ich folgenden Satz miterlebt:
" Herr XY muss noch vernebelt werden":D
Die Kommunikation unter Pflegenden ist manchmal echt ein Knaller und für Patienten und Außenstehende vielleicht doch etwas gewöhnungsbedürftig.
"Der Patient muss noch fertiggemacht werden", "So, dann wollen wir mal unsere Tabletten nehmen", "Es gibt mal nen kleinen Pieks",
Welche Nettigkeiten fallen Euch denn noch so ein? Freue mich auf Eure Antworten
 
Hallo @all,
auch uns sind einige amüsante, z.T. prekäre sprachliche Verfehlungen aufgefallen. Wir betreuen wachkomatöse Patienten und verwenden für die sehr umfangreich notwendigen Lagerungen spezielle Hilfsmittel. U.a. lange Lagerungsrollen, in den Bestelllisten und im internen Sprachgebrauch als "Schlange" bezeichnet. Vor längerer Zeit ist einer unserer Patienten aufgewacht und kann wieder etwas sprechen, ist aber blind. Jedes Mal, wenn er gelagert wurde, protestierte er heftig (aber undeutlich). Nachdem das wiederholt auftrat, wurde er mal aufgefordert, doch aufzuschreiben (auch wieder bei uns gelernt), wo das Problem ist. Text: "Ich will keine Schlangen im Bett"!!! Würden wir auch nicht, oder? Oder noch viel blöder: Die Innenkanülen von Dauer-Trachealkanülen werden im internen Sprachgebrauch gern als "Seele" bezeichnet. Aber wie blöd ist das, wenn wir einem Patienten sagen: "Ich wechsle jetzt mal Ihre Seele" oder "Ich muss mal Ihre Seele reinigen"???
Wohl dem, der es wenigstens mitkriegt und versucht abzustellen, wir sprechen jetzt von "Rollen" und "Innenkanülen".
Viel Spaß noch bei der Suche nach weiteren Verfehlungen!
 
"Der Patientin wurde heute der Kopf gewaschen."

Machmal wunder ich mich schon was man so liest.

Kann mich an einen Punkt auf dem Beurteilungsbogen erinnern, auf dem es sinngemäß heisst:

Artikulationsfähigkeit: SchülerIn ist in der Lage sich der Situation entsprwechend mündlich/schriftlich auszudrücken.

Find ich sehr wichtig. Für mich hat es etwas mit Professionalität zu tun, die Dinge fachlich zu benennen.
Um nachher so zu reden wie Lieschen Müller von nebenan brauch ich keine Ausbildung zu machen.

In diesem Sinne:
Schweigen ist Silber, reden ist Gold :daumen:
 
....uuuhh ganz ganz schrecklich.
Bei uns im Haus arbeitet eine KPH, die auch immer ganz "tolle" Wörter benutzt. Zu Frauen sagt sie: "Zeig mir mal dein Schmuckkästchen, das muss auch gewaschen werden"...und bei Männern wird der "Pimmelmann" verwendet. Grundsätzlich werden die Patienten natürlich auch geduzt.... :dudu:

Ich hab mal so anklingen lassen, dass einige Patienten vielleicht lieber geziezt werden und dass das auch etwas höflicher ist... Nunja, die Antwort war: " Wenn ich denen schon den Atsch waschen muss, dann werde ich doch wohl auch Du sagen dürfen".....aaaahhhhjaaa.....:kloppen: :angry:
 
Zuletzt bearbeitet:
Nutzen wir diese Worte weil uns andere fehlen in der Beschreibung einer Situation?
Das würde ich nicht für die breite Masse der Pflegenden stehen lassen. Aber einige gibt es sicherlich, denen auch das fachliche Rüstzeug (Vokabular) dafür feht, sich passend auszudrücken.

Ich sehe hier eher eine emotionale Entladung. Welche realistischen Möglichkeiten der Bewältigung hat denn ein Pflegender, wenn er eine Schicht lang mit zwischenmenschlichen Konflikten zu tun hat?

Ich habe im letzten Nachtdienst eine "normale" Situation erlebt. Viel zu tun, und einen, der gemeint hat, er müsse mich beschäftigen. Und das 2minütig mit 1 Std. Pause - und das ist nicht übertrieben. Nach 10 Std. Dienst liegen die Nerven dann blank.
Während es in der Dokumentation mit viel Beherrschung noch relativ leicht gelingt dies objektiv auszudrücken, birgt die mündliche Übergabe im "Kämmerchen" dann Gelegenheit sich den Ballast von der Seele zu reden. Und das wird mehr oder weniger genutzt.

Also, eher ein Mittel der Bewältigung (Selbsthilfe) als Boshaftigkeit und Ignoranz gegenüber Patienten - in Zeiten, die für beide Seiten immer härter werden. Wobei ich denke, dass dieses Phänomen schon immer bestand. Der Anspruch an Professionalität war aber ein anderer.

Welche Nettigkeiten fallen Euch denn noch so ein?
Zur schlimmsten Verfehlung meiner Meinung nach (auch wegen dem Gesichtsausdruck des Patienten danach) gehörte der Satz:
"Er hat so einen kleinen Pipi, sonst hätte ich ein Kondom-Urinal probiert" bei einer bettseitigen Übergabe eines 80jährigen orientierten, urologischen Patienten.

"Interessant" sind häufig auch die Dokumentation für desorientierte Patienten. Da kann man daraus lesen, was die Pflegeperson wohl "durchgemacht" hat. Dabei sollte eher hevorgehen, was der Patient durchgemacht hat.
...
Bei uns im Haus arbeitet eine KPH, die auch immer ganz "tolle" Wörter benutzt. Zu Frauen sagt sie: "Zeig mir mal dein Schmuckkästchen, das muss auch gewaschen werden"...und bei Männern wird der "Pimmelmann" verwendet. Grundsätzlich werden die Patienten natürlich auch geduzt...
Und dann gibt es natürlich noch die Art von Mitarbeitern mit fehlendem Intellekt.

Noch 2 Nächte - ich werde Acht gehen ;-)

Grüße
Michl
 
Dann gibts da noch diese bekannten mir verhassten Wörter wie : jemanden pampern, füttern und "Hier ist ihr Lätzchen."

Wohlgemerkt in der Erwachsenenpflege!!!

Eine Situation fand ich jedoch ganz lustig. Schwester ging ins Zimmer um routinemäßige Temperaturkontrollen durchzuführen: "So meine Herren, jetzt wollen wir mal ihr Temperament messen."
 
Hallo Elisabeth ,
habe diesen Artikel vor ein paar Tagen gelesen und war schwer beeindruckt ...
LG Ernie
 
Der Bericht ist wirklich beeindruckend...und gibt mir zu denken...

Ich habe selbst erst gemerkt, was ich mir eigentlich von prof.Pflegekräften wünsche, als ich selber in der Patientenrolle steckte.
Sowas kann einem schon mal einen kleinen Denkanstoß verpassen um sein eigenes Verhalten zu überdenken.
 
hey,

ich habe von diesem artikel schon gehört gehabt aber leider noch net gelesen gehabt, dies konnte ich nun gestern nachholen , hat mich sehr beeindruckt.

ich war schon für mehrere wochen mal auf de anderen seite des bettes und es ist nicht gut was man da so erlebt. denn das PP und die ärzte reden nicht mit sondern über einen. es wird auch, wenn auch unbemerkt, der wille des patienten teilweise unterdrückt. z.b.: zum abendessen, sie müssen jetzt essen, denn in einer stunde räumen wir wieder ab*mmh* also, brot geschmiert und später gegessen, sonst gab es nix mehr.
es waren viele solcher dinge auch die begriffe für eine bestimmte tätigkeit und so weiter.

ich muss sagen, das ich meine art dem patienten und vorallem auch den angehörigen gegenüber verändert habe, den ich möchte nicht das die sich so fühlen wie ich mich in den wochen fühlte.

PS: denkt alle dran, vorallem die neuen in der pflege; ältere menschen sind keine kleinen kinder, also nicht solche ausdrücke wie pampers, lätzchen oder pullermann waschen. bitte, den wollt ihr das man mit euch so erzählt????
 
Ein sehr schöner Artikel!

@ pflege richi
bin zwar noch azubi (3. Lehrjahr) und daher noch nicht lange im Beruf, aber ich muss die ganz ehrlich sagen, dass es meiner Meinung nach häufiger die "älteren" in der Pflege sind, die die von dir aufgezählten und ähnliche Begriffe verwenden und die Patienten duzen.
 
Super Artikel, werde ihn gleich erstmal ausdrucken und ihn mit nehem zur Arbeit.
Aber ich finde es spricht auch sehr viel Verständniss fur uns vom PaT/Schreiber heraus.
Wichtig ist immer, das jeder seine eignene Arbeit überdenkt und in Frage stellt. Und nicht nur bei den jungen oder bei den alten Kollegen sucht. Ich gebe mir immer Mühe alle "Kommunikationsregeln" einzuhalten. Muss aber auch sagen, das es mir durch aus Entgleisungen vorkommen.
Wär hat denn noch mehr von solchen Artikeln??? Würde mich sher intressieren?
LG
 
Hallo
Patient sein ist eine "tolle" Erfahrung.
Liege nach einer OP noch im halbschlaf und äußere Schmerzen, als mir ein Pfleger ohne Vorwarnung ein Zäpfchen in den Hintern rammt.Kommentar auf meinen Protestschrei " Stell dich nicht so an !"
Später auf Station wird mir Antibiotika angehängt, der Mandrin auf das
Nachtkästchen gelegt. Antibiotika leer, Schwester schnappt sich Mandrin vom Nachtkästchen und bevor ich ragieren kann schiebt sie ihn mir in die Braunüle.
Auf meinen dezenten Hinweis daß ich dies unhygiesch finde kam die Antwort: "Das macht nichts, das Nachtkästchen wurde nach dem Früstück abgewischt da sind dann keine Keime mehr drauf."
Morgens 6.30 Uhr wird die Tür aufgerissen, das Deckenlicht angeschaltet ein schmetterndes "So jetzt wollen wir alle aufstehn" ertönt. Unmittelbar danach wird mir meine Bettdecke entrissen und jemand versucht meine Beine spreizen mit den Worten " Wir brauchen jetzt einen Katheterurin ".
Völliges Unverständnis seitens der Pflegekraft als ich mich weigerte und dazu auch noch wissen wollte warum.
Kontrasmitteluntersuchung der Niere steht an. Schwester hält mir Einverständiserklärung unter die Nase " Da, unterschreiben sie mal".
Der Einwand, daß ich gerne aufgeklärt werden würde was da passiert wir ignoriert mit den Worten "Das ist bei uns so üblich " Auf meine Bitte die Einverständnis erst mal in Ruhe durchlesen zu wollen ein pampiges " dafür habe ich keine Zeit, glauben sie das wir ihnen hier was schlechtes wollen?"
Im Nachbarbett eine zeitweise desorientierte Patientin die gelagert werden mußte. Nachtschwester mit Clocks rein ins Zimmer, reißt die Bettdecke weg,Lagerungsmaterial ohne Kommentar aus Rücken und Beine der Patientin entfernt. Patientin wehrt sich (verständlicherweise), 2. Schwester nagelt Patientin mit Klammergriffen in Seitenlagerung fest mit den Worten "na Oma willst Du ärger machen? Da hast Du keine Chanche, denn ich bin stärker als du!"
Nach einer Woche Aufenthalt habe ich mich als Krankenschwester geoutet und ein Gespräch mit der Stationsleitung gesucht. War sehr unbefriedigend,denn sie fand die Vorfälle völlig normal. Wenn man im Streß ist sei das völlig normal.
Alesig
 
alesig`s Beitrag gehört wohl eher in die Rubrik "Gewalt in der Pflege"
Auch Verbalattacken sind Teil derGewalt
MfG
rudi09
 
Hallo,

der Artikel ist wirklich toll. Und es stimmt alles.
Mein Mann war auch ziehmlich lange beatmet und auf Intensiv. Er hat mir das gleiche erzählt. Vor allem der "Durchgang" muß so fürchterlich gewesen sein,daß er jetzt noch manchmal Alpträume davon hat. Was wir uns nicht vorstellen können,ist, daß das Durchgangssyndrom für die Patienten real ist. Alles was sie im Durchgang sehen hören oder fühlen ist für sie in diesem Moment wirklichkeit.
Dieses Gefühl des ausgeliefertseins kann man wirklich nur nachvollziehen, wenn man selbst stationär ist.
Die Frage ist wie kann man als Pflegepersonal eine gewisse sensibilität dafür entwickeln, was gerade in welcher Situation angebracht ist und wie kann ich das "Individuum" Patient als solches berücksichtigen? Vermutl. helfen ja schon die einfachen Höflichkeitsgebote, die eigentlich jeder kennt , und vom anderen auch erwarten würde.
Das duzen der Patienten ist in meinen Augen eine gewisse Distanzlosigkeit und Respektlosigkeit und steht weder den "jungen" noch den "alten" zu.
Wobei ich schon sagen muß, daß die Bayern auf dem Land dies oft nicht so eng sehen. Bei uns in Niederbayern duzen einen ganz oft die Leute, auch wenn sie einen nicht kennen.
Noch ein Beispiel: Eine Schwester vielleicht grad mal 20 frisch examiniert und neu auf Station,kommt ins Zimmer mit den Worten-"Na Meister hast du Hunger, dann wollen wir mal essen". Der Patient war übrigens mitte 40 und völlig klar im Kopf. Tja, das fällt einem dazu noch ein?:weissnix:

Schönen abend euch wünscht
Manu
 
Hallo!

Wenn man so darüber nachdenkt, wir sagen auch immer dass Patienten bei denen Hauttransplantationen durchgeführt worden sind "Gedeckt" worden sind.
Wie muss sich dass wohl für den Patienten anhören?

MFG Skuld:knockin:
 
"Gedeckt", kann ich dir sagen: Pferd wird gedeckt:D
Andererseits, jede Berufsgruppe hat ihre Sprache, die oftmals nicht zu verstehen ist.
Unser Problem, wenn wir mit Menschen arbeiten.
Aber dass wir keine "Pflegesprache" haben, kann uns keiner vorwerfen (hi, hi):zunge:
 

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