Hallo Hansi!
Bei uns auf der Abteilung ist es in erster Linie Sache der Ärzte, dem Patienten mitzuteilen, daß seine Lage hoffnungslos ist. Aber selbstverständlich werden wir von der Pflege auch schonmal gefragt.
Ich persönlich sage, wenn ich SICHER weiß, daß es auch tatsächlich so ist, dem Patienten offen, wie ich die Dinge sehe. Allerdings betone ich ausdrücklich, daß es sich um meine Meinung und meine persönliche Einschätzung aufgrund meiner eigenen Erfahrung handelt.
Dabei spreche ich gerade heraus. Nach meiner Meinung hat jeder Mensch das Recht, über die ihm verbleibende Lebenszeit frei zu verfügen. Das kann nur, wer in einer solchen Situation präzise weiß, wo er dran ist.
Wenn mich also jemand fragt, ob er sterben muß, sage ich sowieso grundsätzlich JA. Weil, soweit ich weiß, konnte dem noch niemand entkommen.
Fragt ein Patient mit einer sicher nurmehr kurzen Rest-Lebenserwartung, sage ich ebenfalls ja, wenn ich eben genau weiß, daß der Arzt ihm schon einmal etwas dazu gesagt hat. In diesem Fall allerdings füge ich o.g. Erläuterung nicht hinzu.
Und ich gebe auch an, wenn ich denke, es wird nicht mehr lang dauern oder, wenn ich zum Beispiel am Freitag mittag nach Haus gehe und mir sicher bin, diesen Patienten am Montag nicht mehr zu sehen, dann nehme ich Abschied von diesem Patienten und gebe auch ehrlich an, daß ich annehme, ihn am Montag nicht mehr anzutreffen.
Meine Erfahrung sagt, daß die meisten Menschen damit viel besser umgehen können, als wenn man ihnen das Blaue vom Himmel runterlügt, während sie das Gefühl, bald zu sterben doch deutlich in sich tragen.
Und je offener wir uns zu sein trauen, je mehr fühlt sich der Patient angenommen, ernstgenommen, geborgen, kann er offener aus sich herauskommen, kann er offener seine Sorgen und Ängste besprechen.
Das ist nicht immer einfach. Dazu muß man gut in seinen Schuhen stehen. Vor Allem aber muß man IMMER authentisch bleiben. Wenn ich etwas nicht weiß, sage ich das offen. Wenn mir etwas -in welche Richtung auch immer - zu weit geht, gebe ich das deutlich an.
Zur Authentizität gehört dann auch, daß man selbst Trauer fühlen darf. Geht mir etwas derart nahe, daß mir die Tränen kommen, dann kommen die eben. Geschieht aber am Sterbebett etwas lustiges, traue ich mich ebenfalls, darüber auch zu lachen, wenn dies angebracht ist.
Diese Ehrlichkeit empfinde ich auch im Kollegium und wir alle versuchen, diese Einstellung auch an unsere Schülerinnen und Schüler weiter zu geben. Wir sind Menschen. In jeder Beziehung. Immer. Nichts mehr und nichts weniger.
Aus welcher Position heraus betrachtest Du dieses Thema, Hansi?
Viele Grüße!
Andreas