Psychiatrische Pflege und selbst in Therapie?

stevy

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Hallo!

Ich würde gerne mal eure Meinung hören/lesen:

Meine Freundin möchte schon seit längerer Zeit auf einer psychiatrischen Station arbeiten und sucht eine Stelle. Sie macht selbst eine Therapie wegen psychosomatischen Beschwerden, ist aber sonst ein aufgeschlossener und ausgeglichener Mensch und ich kann mir gut vorstellen, dass diese Arbeit etwas für sie ist (ich kenne die Psych. aber nur aus der Ausbildung).
Nun macht sie sich Gedanken, ob es negativ oder positiv bewertet würde;ob sie es eher verheimlichen oder offen damit umgehen sollte.
Ich weiss es auch nicht. Eigentlich denke ich, dass die Erfahrung ja nicht schaden kann, oder wird sie als psychisch zu labil eingeschätzt???

Vielleicht haben psychiatrieerfahrene Schwestern und Pfleger eine Antwort.

Schonmal Danke, Stevy
 

Lillebrit

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Hallo,
ich denke, dass es ganz einfach darauf ankommt warum genau sie in Behandlung ist, wie es ihr geht und wo sie später arbeiten möchten...so pauschal kann manm dass hier nicht beantworten.

Wenn sie z.B. seit 10 Jahren eine Essstörung hat und mit drastischem Untergewicht und überhaupt keiner Krankheitseinsicht in einer Klinik ist, dan wird sie mit Sicherheit nicht auf einer Station für Magersüchtige arbeiten können !

Wenn sie unter einem stressbedingten Magenulcus leidet und deswegen einen "Coach" benötigt ist das was wieder anderes.....

Allerdings möchte ich nicht verheimlichen, dass die Arbeit in der Psychiatrie nicht einfach ist und ein hohes Maß an Selbstreflexion voraussetzt.
Denn in einer therapeutischen Beziehung muss man sich auch selber immer wieder feflektieren und auch mal die Frage nach den "eigenen kranken Anteilen"stellen.


Gruß,
Lillebrit
 

Moni

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Hallo!

Ich halte es nicht für eine gute Idee!!!! Es ist ja ein Widerspruch wenn deine Freundin psychosomatische Probleme hat und dennoch ausgeglichen ist, oder?
Vielleicht kannst du mal diese psychos. Beschwerden definieren.:gruebel:
Gruß Moni
 

stevy

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Hallo Moni,
es geht um zwischenzeitlich auftretende Angst mit Herzklopfen nach einer Vergewaltigung,
Stevy
 

Moni

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Hallo Stevy!

Ich denke so ein Erlebnis wird immer ein Trauma bleiben. Sicherlich wird sie mit der Zeit auch besser umgehen können mit ihrer Angst. Trotzdem halte es nicht für eine gute Idee auf solch einer Station zu arbeiten. Ich denke es können dort vermehrt Situationen auftreten, wo sie bestimmte Stimmungen und Handlungen von Patienten, mit ihrem Erlebnis in Verbindung bringt.
Z.B.: Umgang mit Patienten die sehr aggressiv sind oder vielleicht auch handgreiflich werden. Dazu kommt noch das Patienten, krankheitsbedingt, vielleicht irgend einem körperliche schäden zugeführt haben. ( Vater, Freundin usw.) ----> kann sie dort sich objektiv in Pat. hineinversetzen, pflegen und helfen????? Ich denke durch ihre eigenen Erlebnisse könnte dort die Arbeit sehr schwer werden!!
Wieso möchte sie unbedingt dort arbeiten? Es gibt so viele Fachabteilungen, wo es sich auch lohnt zu arbeiten. Wo sich sie auch mit Erfolgserlebnissen nach Hause geht. In der Psychatrie kann sich das evtl erst über Monate oder Jahre entwickeln.

Schöne Grüße:flowerpower: Moni
 

stevy

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Danke erstmal für eure Antworten, ich werde das mal so weitergeben.
Gruß, Stevy
 

milano

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hallo stevie,

ich denke es ist überhaupt keine gute idee deiner freundin auf einer psychiatrischen station zu arbeiten. nicht weil sie dazu vielleicht nicht in der lage ist, sondern weil sie meiner meinung nach immer auf der suche nach reflektionspatienten sein wird, und die fragen, die sie natürlicherweise traumatisiert noch hat, auf einer solchen station beantwortet haben möchte. auf solchen stationen kann man wirklich nur arbeiten, wenn man keine altlasten hat. ich habe gerade erst die erfahrung mit einer praktikantin bei uns gemacht....und es hat ihr im nachhinein wirklich nicht gut getan.der umgang mit den patienten ist auch nicht mehr neutral...wünsche ihr trotzdem alles gute
 

Lehmchen

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Ich denke, es ist unterschiedlich. Es kommt auch auf die einzenlne Person an. Ich habe selber leichte Depressionen und arbeite auf einer Psychiatrie und komme gut klar....
Man brauch starke Nerven, aber die können auch versagen, wenn man ansonsten kerngesund ist, also darauf kommt es nicht unbedingt an.
 

Eve

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Denke wenn deine Freundin diese Richtung wirklich gerne einschlagen möchte, sollte sie doch noch einige Zeit vergehen lassen und währenddessen etwas Anders machen.Je größer der Abstand, umso klarer die Sicht.
 

Fritzi

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Moin auch !

Ich selbst war lange Zeit in stationärer und danach in ambulanter Therapie.Wärend ich in ambulanter Therapie war,habe ich auch in einer psychiatrischen Einrichtung gearbeitet und ich kann sagen,dass es auch für die dortigen Patienten von Vorteil sein kann.Viele Patienzen sagten mir,dass ich sehr gut auf spezielle Probleme und auch Gefühle eingehen konnte (natürlich wußte niemand das auch ich in Therapie war),dass hat vielen Patienten sehr geholfen,da ich mich zum Teil in Gefühlssituationen usw. wiedererkannt habe und Tipps geben konnte wie man handeln bzw. gegen Gefühle,Zwänge,etc...angehen kann.
Also kann es auch sehr von Vorteil sein auf einer solchen Station zu arbeiten,für Patient aber auch für deine Freundin.

Gruß von Fritzi...
 

Ogni

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Hallo!
Meiner Meinung nach sollte sie es von der Station abhängig machen... warum sollte sie nicht mit Suchtpatienten, Gerontopsychiatriepatienten oder chronisch Schizophrenen arbeiten?
Sie sollte jedoch tunlichst vermeiden, mit Patienten zu arbeiten, die ähnliches erlebt haben (also Borderline o.ä.)... , da:
es fehlt der notwendige Abstand (Nähe-Distanz), Reflektionsfähigkeit und der feste Boden unter den Füßen, die ständige Konfrontation könnte bei ihr selbst zu einer Dekompensation o.ä. führen.
Meine (gesunden) Kolleginnen haben zuweilen schon Probleme, wenn sie mit zu viel Einzelheiten von mißbrauchten Patientinnen konfrontiert werden...

Grüße
Ingo
 

Friedrich

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Hi Stevy!

Schließe mich insgesamt dem differenzierten Bild der bisherigen Antworten an:

Erstens finde ich es eine wichtige Eigenschaft, psychisch stabil und belastbar zu sein, um in der Psychiatrie arbeiten zu können. Das kann nach erfolgreicher Bearbeitung eines solchen Traumas auch wieder der Fall sein.

Zweitens sollte man in sich gehen und dort ein klares nein auf die Frage finden, ob die Arbeit in der Psychiatrie nicht auch etwas mit einem halbbewussten Selbsttherapieversuch zu tun hat. Das wären zumindest schlechte Voraussetzungen.

Drittens spielt sicher das Arbeitsfeld eine Rolle. Wer selbst traumatisiert ist, sollte nicht mit traumatisierten Patienten arbeiten (PTBS; Borderline, DIS usw.). Das hebt die therapeutische Distanz auf, die nötig ist, um ohne zu große emotionale Beteiligung die Probleme der Patienten zu betrachten, was gerade einer unserer entscheidenden Vorteile in einer professionellen Arbeitsbeziehung ist. Würde dann am ehesten den Gerontobereich empfehlen (es sei denn, Täter waren im Seniorenalter).

Letzendlich muss es jeder selber wissen und verantwortlich handeln.

Die Kollegen, die ich als Patienten betreut habe, haben überwiegend von einer Weiterarbeit in der Psychiatrie abgesehen oder aber in einen für sie "ungefährlichen" Bereich gewechselt.

Und für die Grundstabilität ist es ein Unterschied, ob es sich um anhaltende jahrelange Traumatisierungen oder um einmalige Traumen handelt. gerade bei letzteren kann man gute Therapieerfolge mit relativ kurzen Psychotherapien erreichen. Empfehlenswert sind logischerweise Therapeuten und Einrichtungen, die sich darauf spezielisiert haben.

Lieben Gruß

Friedrich
 

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