Morphium und Opiode

Dorothee

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Hallo,

für alle, die es interessiert, eine kleine Beitragsreihe aus dem Bereich der Pharmakologie. Den Anfang machen die Opiode. Sollten andere Bereiche von Interesse sein, bitte melden - werde dann versuchen weitere Themenbereiche auszuarbeiten. :wink:

Grüße,
Dorothee

MORPHIUM UND OPIOIDE

Opium ist der getrocknete Milchsaft der unreifen Kapsel des Schlafmohnes. Der Name leitet sich vom griechischen Wort opos = Saft ab. Der Hauptwirkstoff ist Morphin.
Unter Opioiden versteht man alle (körperfremden) Substanzen mit einer morphinähnlichen Wirkung.
Man hat erfolgreich Verbindungen synthetisiert, die weit weniger kompliziert als das Morphinmolekül sind, aber dessen analgetisch wirksamen Strukturelemente noch enthalten. Alle Verbindungen enthalten ein asymetrisches C-Atom; nur die linksdrehenden Formen sind analgetisch wirksam.
Die meisten Effekte nach der Gabe eines Opioides kann man durch die Interaktion mit den Opiatrezeptoren erklären, die sich in verschiedenen Geweben befinden. Die unterschiedlichen unerwünschten Wirkungen wie Suchtauslösung und Atemdepression lassen sich dadurch erklären, daß es nicht den Opiatrezeptor gibt, sondern daß verschiedene Subtypen existieren. Pharmakologisch bedeutend sind die Rezeptoren Delta, Kappa, Mü und Sigma.

Mü-Rezeptor
Dieser Rezeptor ist die Hauptbindungsstelle für Opioide vom Morphin-Typ. Bewiesen ist ein Zusammenhang mit der Entstehung einer Atemdepression, einer Toleranzentwicklung, einer Miosis und der Ausbildung von Entzugssymptomen. Ebenfalls belegt ist die Beteiligung an der Entstehung der supraspinalen Analgesie und der Euphorie. Nach neueren Erkenntnissen wird noch eine weitere Unterteilung in µ, µ1 und µ2 vorgenommen.
Kappa-Rezeptor
Der Kappa-Rezeptor ist verantwortlich für eine Sedierung, eine spinale Analgesie, eine antikonvulsive Wirkung und eine Miosis. Der Wirkstoff Nalbuphin (Nubain ® ) hat an diesem Rezeptor seinen Angriffspunkt.
Sigma-Rezeptor
Diese Bindungsstelle wird mit Nebenwirkungen wie Tachykardie, Toleranz, Mydriasis und Halluzinationen in Verbindung gebracht.
Delta-Rezeptor
Dieser Rezeptor vermittelt Wirkungen wie Atemdepression, Toleranz, Hypotonie und Entzugssymptome.
Ausschlaggebend für die erwünschten und unerwünschten Wirkungen eines opioiden Arzneimittels ist die Affinität zu den unterschiedlichen Rezeptortypen. Ziel ist es, ein Opioid zu entwickeln, das so spezifisch wirksam ist, daß man eine gut steuerbare Analgesie ohne Atemdepression und Sucht erreicht.
Am Rezeptor unterscheidet man folgende Bindungsarten:
- reine Agonisten Sie besetzen den Rezeptor und lösen einen Reiz aus, z.B. Endorphine, Morphin und andere Opioide.
- partielle Agonisten Vertreter dieser Gruppe stimulieren den Opiodrezeptor wie die Agonisten, jedoch mit geringerer Aktivität. Beispiel für einen partiellen Agonisten ist Tramal ® .
- gemischte Agonisten/Antagonisten Diese Opioide haben sowohl agonistische als auch antagonistische Eigenschaften, d.h. auf den einen Opiatrezeptor haben sie eine blockierende Wirkung, auf den andern eine anregende Wirkung. So ist es möglich, daß sie zwar analgetisch wirksam sind, aber gleichzeitig Entzugssymptome bei einem Opiatabhängigen auslösen.
Ein Beispiel ist Fortral ®. An µ- Rezeptoren reagiert es als partieller Antagonist, an Kappa- und Sigma-Rezeptoren dagegen als partieller Agonist. Dies ist auch der Grund, weshalb man Opioide verschiedener Substanzklassen nicht wahllos kombinieren kann. Ein solcher „Schmerzcocktail“ birgt die Gefahr unüberschaubarer Nebenwirkungen bis hin zur Aufhebung der analgetischen Wirkung.
- reine Antagonisten Sie blockieren die Opiatrezeptoren, ohne eine Eigenwirkung auszuüben und werden deshalb bei Intoxikationen als Antidot eingesetzt. Naloxon und Naltrexon gehören in diese Gruppe.

Der nächste Teil folgt.
 
Pharmakokinetik
In der Regel werden die (körperfremden) Opioide in der Leber metabolisiert; dieser Abbau ist für Morphin, Piritramid und Pentazocin besonders stark und führt zu einer so hohen präsystemischen Elimination, daß die Resorption nach oraler Gabe sehr unzuverlässig und von der Verordnung oraler Arzneiformen abzuraten ist.
Der Metabolit von Pethidin (Nor-Pethidin) kumuliert bei Niereninsuffizienz und kann dann Krämpfe auslösen. Die renale Elimination unveränderter Opioide ist gering bei pH-Werten im Urin von 7,0; sie kann durch Acidifizierung z.T. erheblich gesteigert werden. Dies hat Bedeutung bei dem besonders lange wirksamen Methadon, dessen renale Elimination durch forcierte saure Diurese gehoben werden kann.
Die körperfremden Opioide gehen in die Muttermilch über und passieren die Placentaschranke. Die Blut-Hirn-Schranke des Neugeborenen und Säuglings ist für diese Stoffe besonders gut permeabel; atemdepressive Wirkungen werden schon durch geringe, der Mutter verabreichte Dosen erzeugt.
Die Bioverfügbarkeit der Opioide mit hoher präsystemischer Elimination kann bei wiederholter Gabe und langsamer Sättigung der Leber oder bei Leberzirrhose erheblich steigen.
Toxikologie von Opioiden
Als Vergiftungsquellen kommen neben Rauschdrogen wie Opium, Morphin und Heroin, Antitussiva vom Codeintyp oder stark wirksame Analgetika mit Morphingrundstruktur in Frage.
Eine Nachfrage bei einer Giftinformationszentrale ergab, daß immerhin zwei Prozent aller Anfragen akzidentelle Vergiftungen mit codeinhaltigen Hustensäften bei Kindern betreffen.
Bei einer Überdosierung mit Opioiden ergibt sich folgendes Vergiftungsbild:
 respiratorische Insuffizienz bis hin zum Atemstillstand
 Zyanose
 keine Muskelreflexe
 kalte Haut, niedrige Körpertemperatur
 evtl. Koma
Die Verengung der Pupillen soll nicht als Leitsymptom angesehen werden, da bei einer ausgeprägten Hypoxie oder Mischintoxikationen mit Scopolamin eine Pupillenerweiterung eintritt.
Die atemdepressive Wirkung wird durch die Herabsetzung der Empfindlichkeit des Atemzentrums gegenüber Kohlendioxidwandspannung bzw. der Wasserstoffionenkonzentration im Blut ausgelöst. Die Reizschwelle des Atemzentrums wird heraufgesetzt. Diese unerwünschte Nebenwirkung tritt bereits bei Dosierungen auf, die unterhalb der therapeutischen Dosis liegen. Ab 50 mg Morphin wird die Atemfunktion wesentlich beeinflußt, ab 150 - 200 mg ist eine tödliche Atemlähmung möglich. Hinsichtlich der Letaldosis bestehen große Unterschiede, da die Toleranzentwicklung eine große Rolle spielt. Interessant ist, daß Schmerzpatienten eine wesentlich größere Dosis erhalten müssen, um eine atemdepressive Wirkung zu erfahren, als solche, die schmerzfrei sind. Die Erklärung hierfür ist, daß das Symptom Schmerz einen Reiz auf das Atemzentrum ausübt und dieses stimuliert.
Der Beginn der Atemdepression ist eine langsame (bis zu 2 - 4 mal pro Minute) und oberflächliche Atmung. Die Folge ist eine Hypoxie und damit eine periphere Zyanose. Neben dem zentralen Atemstillstand ist eine respiratorische Insuffizienz möglich. Hierbei kommt es zu Sekretstauung in den Atemwegen infolge des erloschenen Hustenreflexes. (siehe auch Narcanti ® )[code:1:fd067bb51f][/code:1:fd067bb51f]