Mobbing tut weh
Krankschreiben hilft bei Leidensdruck - aber es ist keine Lösung. Hier kannst Du nachlesen, wie Opfern von Psychoterror am Arbeitsplatz geholfen werden kann.
Sie werden geschnitten, geschmäht und gequält von Kollegen oder Chefs. Rund 1,5 Millionen deutsche Arbeiter und Angestellte sind nach Schätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Mobbing-Opfer am Arbeitsplatz. Noch nicht gerechnet die vielen Kinder, die in der Schule oder die Menschen, die in ihrer Familie augegrenzt, erniedrigt oder beleidigt werden. Herzkrankheiten und Rückenschmerzen, Magengeschwüre und Rheuma, Schlaflosigkeit und Ödeme, Depressionen und Selbstmord sind mögliche Folgen. Zehn bis 20 Prozent aller Selbstmorde gehen vermutlich auf Psychoterror am Arbeitsplatz zurück.
Der Begriff geht auf den Forscher Prof. Heinz Leymann von der Universität Umea in Schweden zurück. Nach Leymanns Definition besteht bei Mobbing eine mit Konflikten belastete Situation unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person stets unterlegen ist. Von Mobbing spricht man aber erst, wenn eine solche Situation mindestens ein halbes Jahr andauert und die Zielperson mindestens einmal pro Woche angegriffen wird. Prof. Leymann stellt die Wirkung von Mobbing auf die gleiche Ebene wie die von Geiselhaft, Vergewaltigung oder Raubüberfällen.
Immer mehr Menschen suchen ihren Arzt auf mit Aussagen wie "Herr Doktor, ich bin völlig erledigt, ich kann nicht mehr, helfen Sie mir!". Mobbing hat viele Gesichter. "Man wird ständig in seiner Arbeit unterbrochen, immer wieder angeschrien, wie Luft behandelt oder in einen anderen Raum versetzt", nennt Gottfried Richenhagen von der Mobbing-Hilfseinrichtung "Gesünder Arbeiten" in Nordrhein-Westfalen einige typische Mobbing-Situationen. Psychoterror ist es aber auch, wenn etwa die Post für einen Mitarbeiter immer wieder anderen Kollegen auf den Tisch gelegt wird oder wenn die Arbeitsunterlagen eines Mitarbeiters ständig durcheinander gebracht werden.
Wenn ein Mobbing-Opfer zum Arzt kommt, empfiehlt der Allgemeinmediziner Dr. August Wilhelm Bödecker aus Wiehl eine Krankschreibung für zehn Tage, um die aktuelle Konfrontation am Arbeitsplatz auszuschalten. "Das heißt aber nicht, dass der ersten Bescheinigung nun über sechs, acht Wochen immer weitere folgen, denn ein Verschleppen des Problems trägt nicht zur Lösung bei", erklärt Bödecker. Das Übel müsse an der Wurzel gepackt werden.
Anfangs können dem Patienten Medikamente wie Antidepressiva, die nicht süchtig machen, helfen, besser mit seiner Situation fertig zu werden. "Oft ist dem Patienten auch mit einer Überweisung zum Psychotherapeuten mehr geholfen als mit einer Krankschreibung", meint Dr. Anja Aldenhoff-Zöllner vom GEK-Teledoktor (Schwäbisch Gmünder Ersatzkasse). "Denn manchmal verschlechtert sich zusätzlich die Lage des Patienten im Kollegenkreis, wenn er oft krankgeschrieben wird."
Das Entscheidende ist aber die Klärung der Situation im Betrieb - je nachdem, wer den Psychoterror ausübt. In vielen Fällen kann die Konfliktsituation ausgeräumt werden, oft hilft eine Versetzung innerhalb des Betriebes, manchmal ist aber die Situation so verfahren, dass nur noch der Ausstieg aus der Firma als letzte Möglichkeit bleibt.
"Frühzeitig das Gespräch mit den Kollegen oder dem Vorgesetzten suchen", rät auch Richenhagen als wichtigste Maßnahme. In vielen Firmen gebe es inzwischen Beschwerdestellen oder Ansprechpartner beim Betriebsrat. Denn Firmen sind zunehmend interessiert, ihre Leistungskraft nicht durch interne personelle Querelen schwächen zu lassen. Immerhin schätzt der DGB den volkswirtschaftlichen Schaden des Mobbing, der durch Arbeitsunfähigkeit und nachlassende Leistungsfähigkeit des Unternehmens entsteht, auf 15 bis 25 Milliarden Euro jährlich.
In zwei Entscheidungen hat das Landesarbeitsgericht Thüringen Mobbing als "eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts" bewertet. Seit August 2002 können Beschäftigte bei Mobbing oder sexueller Belästigung von ihrem Arbeitgeber Schmerzensgeld verlangen, auch wenn das Mobbing von Kollegen und nicht vom Chef ausgeht. Also müssen die Unternehmen darauf achten, dass kein Mitarbeiter von seinen Kollegen terrorisiert wird. Auch aus diesem Grund schließen immer mehr Firmen Vereinbarungen mit dem Betriebsrat ab, um schon vorbeugend tätig zu werden.
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Quelle:
Gesundheit - Das Magazin der Schwäbisch Gmünder Ersatzkasse : Online unter: www.gek.de