Kundenorientierung

Ute

Poweruser
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04.02.2002
Beiträge
1.736
Ort
Hannover
Beruf
Krankenschwester, Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege (FLP)
Akt. Einsatzbereich
Zur Zeit in der Elternzeit
Funktion
Study nurse
Was steckt hinter dem Begriff "Kundenorientierung"?

Das Krankenhaus der Zukunft, mit seinem individuellen spezifischen Leistungsspektrum, präsentiert sich dann im Wettbewerb der Anbieter als Dienstleistungszentrum, das über den reinen Versorgungsauftrag hinaus Kundenansprüche Rechnung tragen wird ????

Was meint Ihr?

Gruß
ute
 
Hallo Ute,

ich beziehe regelmässig das QM Rundmail von Dr. Rolf Hildebrand (siehe dazu auch dessen Website. Er hat sich in seinem letzten Rundmail sehr ausführlich zu diesem Thema ausgelassen. Ich fand es interessant, was er zu sagen hatte

Patientenorientierung. Ein mitllerweile gängiges Schlagwort. - Patientenorientierung - was deutet das? KTQ; das "amtliche" deutsche Zertifizierungsinstitut, mit dem immer mehr Krankenhäuser glücklich zu sein scheinen, macht es sich leicht: Jeder (Visitor) darf selber raten, was er darunter verstehen will. Die Lektüre sogenannter Qualitätsberichte auf der KTQ®-Website macht den Neugierigen auch nicht schlauer. Der Tenor: Patientenorientierung ist Patientenorientierung. Aha.

Glücklicherweise kommt der Autor ein wenig in der (Krankenhaus-)Welt herum, ist mit dem international gebräuchlichen Begriff Customer Focus vertraut und weiß, was man zum Beispiel in gut geführten amerikanischen Krankenhäusern (z.B. bei den Baldridge-Preisträgern) darunter versteht: Eine ohne "Wenn" und "Aber" auf die Bedürfnisse des Kunden* Patient ausgerichtete Organisation! Ökonomen beschreiben dies so: Ein Krankenhaus mit Customer Focus hat seine funktionale längst in eine objektorientierte Organisation umgewandelt. Objekt ist der Patient. S. Eichhorn (lang ist's her..) sprach vom "Behandlungssubjekt". : Darauf richten sich alle Krankenhausprozesse aus, und schon die Organisation ist eine patientenorientierte!

Damit sehen deutsche Krankenhäuser ganz schön blaß aus. Hier herrscht noch der "Ständestaat" oder gar ein "Kastenwesen" wie in Indien. Jedes Fach organisiert sich nach Gutdünken seines Chefs - selbst solche, die wie die Radiologie eigentlich interne Dienstleistungen erbringen! Pflege- und ärztlicher Dienst folgen (nicht nur als rangunterschiedliche Kasten, sondern auch als selbständige Organisationseinheiten) eigenen Organisationsregeln - soweit man in diesem Zusammenhang überhaupt von "Organisation" sprechen kann. Hat der Patient - was nicht ganz selten ist - mehrere Abteilungen zu durchlaufen, gleicht sein Aufenthalt im deutschen Krankenhaus einem Hürdenlauf. Gelegentlich wird einmal jemand an einer "Schnittstelle" vergessen. - Manche sprechen auch von einer Geisterbahn.

Doch es gibt - z.B. einem frühen Einfall der Rhön-Klinikum AG folgend - auch Modernisierer. Um die Kosten zu senken, läßt man dort Patienten einfach öfter umziehen. Von "High Care" über "Intermediate Care" zu "Low Care". Mit "Schränken auf Rädern"! Schon wenige Jahre später findet sich dies "hochmodene" - pflegekostensenkende - Konzept in Fachveröffentlichungen. So zuletzt als sogenanntes "modulares" in der aktuellen Ausgabe von "Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement", dem Verbandsorgan der GQMG. - Patientenorientiert? (Durften Sie schon einmal in einem Hotel umziehen, weil das den Profit des Hoteliers erhöht?)

Es gilt, die Krankenbehandlung so zu organisieren, dass jeder Patient sich mit seiner Krankheit persönlich ernstgenommen und vorzüglich versorgt sieht. Dazu ist der Aufenthalt von dem Erstkontakt bis zur Entlassung von den berechtigten Bedüfnissen des Patienten (bzw. vom für diesen angestrebten Ergebnis) her zu organisieren. Dafür sind Patienten krankheitsartenweise (zusammengehörige DRG-Cluster) auf interdisziplinären Stationen zusammenzufassen. Der Behandlungsablauf ist - samt Ressourcenzumessung ergebnisorientiert so zu organisieren, dass es wenig Um- und Irrwege gibt. Nicht mehr der Patient kommt zum Arzt, der Arzt (aller Fächer) kommt zum Patienten (Ausnahme z.B. OP oder teure Radiologie). Für alle Beteiligten verbindlich - auch für den Chef! Das ist der Kern "richtiger" klinischer Pfade. Wenn diese dann auch - evidence based - dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen, verhüten verbindliche Pfade auch noch forensische Auseinandersetzungen.

Dann kann das Wort "Patientenorientierung" abgeschafft werden.

Und mit jedem Patienten kann bezüglich des gemeinsamen Behandlungsergebnisses eine Zielvereinbarung getroffen werden, was - bei Compliance und aktivem Mittun des Patienten voraussichtlich als Ergebnis erreicht werden kann. Und der Patient weiß, wann was warum geschehen wird und wem er welche Detailfragen stellen kann.

In diesem Sinne

herzlichst
Ihr

Rolf Hildebrand

* Kunde = der in einer unter Wettbewerbsbedingungen - zumeist - freiwilligen Austauschbeziehung "Leistung gegen Geld" Geld gibt und dafür die Leistung erhält.

Cheers

Ingo :wink: