Jeder 5. hat Gewalt in der Pflege erlebt?

squaw

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Diese Meldung war heute in einem meiner Newsletter zu finden:

" Gewalt ist im pflegerischen Alltag weit verbreitet – das belegt eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Jeder fünfte Bundesbürger hat demnach bereits aggressives oder gewalttätiges Verhalten in der Pflege erlebt, von den Befragten mit Pflegeerfahrung sind es sogar mehr als ein Drittel."
Quelle: https://www.bibliomed.de/news/-/content/detail/676251

Was sagt Ihr dazu? Mir scheinen diese Zahlen doch sehr hoch.
 
Links waren interessant, aber auch hier steht und fällt die Diskussion mit der Definition des Begriffes. Was ich da manchmal so lese- wenn der Begriff "Gewalt" so eng gefaßt ist, daß sogar ein Wegschauen, das durchaus die unterschiedlichsten Ursachen haben kann, darunter fällt, fehlt mir jegliches Verständnis.
Dann leben wir wohl sowieso in einer gewalttätigen Gesellschaft.
 
Gewalt ist ja nicht allein physische Gewalt, sondern eben auch seelische Grausamkeit oder Vernachlässigung.

Wer Gewalt erlebt, ist das Opfer. Dem ist es egal, was die Ursache für Gewalt ist, die macht keinen oder keinen großen Unterschied. Gewaltausübung ist vielfach auch auf Gedankenlosigkeit zurückzuführen oder auf Rahmenbedingungen, die der Einzelne schwerlich beeinflussen kann.

Wenn ich allein im Nachtdienst bin, zig Leute klingeln und ich deshalb eben nicht wie erbeten eine Weile bei einer bestimmten Patientin bleiben kann, dann tue ich ihr Gewalt an. Sicherlich keine, weswegen man mich verklagen könnte - aber könnte sie selbst bestimmen, würde ich bei ihr bleiben.
 
Nur weil man etwas nicht bekommt, was man gern hätte, ist das noch keine Gewalt.

Es mag Individuen geben, die dies als Gewalt empfinden - aber längst nicht jeder empfindet Gewalt auf diese Art...!
 
Maniac, das sehe ich genauso. Irgendwie bleibt wohl langsam der vernünftige Menschenverstand auf der Strecke. Ich bin doch nicht allein auf dieser Welt!
 
@Claudia: "Wer Gewalt erlebt, ist das Opfer. Dem ist es egal, was die Ursache für Gewalt ist, die macht keinen oder keinen großen Unterschied. Gewaltausübung ist vielfach auch auf Gedankenlosigkeit zurückzuführen oder auf Rahmenbedingungen, die der Einzelne schwerlich beeinflussen kann. "
Gedankenlosigkeit ist keine Gewalt. Und: "Wer Gewalt erlebt, ist das Opfer"? Es muß auch wirklich objektiv Gewalt sein! Heutzutage ist es ja fast schon schick, sich als Opfer zu fühlen. Wir werden leider immer passiver und verharren in einer solchen Situation, die uns nicht zwingt, irgendetwas selbst zu tun bzw. sich selber zu helfen. DIE ANDEREN SIND SCHULD! Bast scho...
 
Genau das ist aber der Begriff von Autonomie. Nach einer Definition (andere sind durchaus legitim) erlebst Du dann Gewalt, wenn Du nicht selbstbestimmt handeln kannst. Es gibt danach auch legale Gewaltformen - Staatsgewalt erlässt Gesetze, an die wir uns halten müssen, polizeiliche und richterliche Gewalt sorgt für deren Durchsetzung, elterliche Gewalt sagt mir, wann ich ins Bett gehen muss.

Gewalt in der Pflege kann auch heißen: Ich kann nicht mehr darüber bestimmen, was ich esse, was ich anziehe, wann ich aufstehe oder ins Bett gehe. Und es ist wichtig, dass wir uns dies bewusst machen. Einen Teil dieser Gewalt kann ich nämlich verhindern.
 
Gedankenlosigkeit ist keine Gewalt.
Das hab ich auch nicht gesagt. Gedankenlosigkeit kann die Ursache von Gewalt sein. Wenn ich jemanden pflege, so wie ich es will, "weil wir das schon immer so gemacht haben", dann ist das gedankenlos von mir. Und wenn ich dem Pflegenden auf diese Art meinen Willen aufzwinge, anstatt ihn nach seinen Wünschen zu fragen, dann tue ich ihm Gewalt an. Wenn auch nicht absichtlich.
 
Der Gewaltbegriff ist bei mir und einigen anderen doch etwas anders besetzt. Bin ich nur einer unter vielen, muß es einfach organisatorische Regeln geben, die möglichst vielen gerecht werden und überhaupt erst eine Versorgung Vieler ermöglichen. Jedem Menschen recht getan ist eine Kunst, die keiner kann!
 
Und genau weil Du Gewalt anders definierst (als physische Gewalt wahrscheinlich?) kommen Dir die Zahlen in der Studie zu hoch vor.
 
Nicht zuletzte:
"Gewalt und Aggression in der Pf lege treten häuf ig – je nach aktuellen Rahmenbedingungen,persönl ichen Beziehungsmustern und individueller Motivation zur Übernahmeder Pflege – im Zusammenhang mit Überlastungs- und Überforderungserscheinungen​
auf." O- Ton Zentrum für Qualität in der Pflege
Genau!


Es tut mir leid, aber z.B. Wegsehen ist für mich keine Gewaltanwendung.
 
Wie gesagt, es ist eine Definitionssache. Einen Patienten, der Hilfe braucht, absichtlich zu übersehen, ist nach meiner Auffassung auch eine Form von Gewalt.

Versuch's mal mit "Macht" und "Machtausübung". Passt es dann eher?
 
Passt eher, aber nicht 100% ig. Manchmal hat man eben Prioritäten zu setzen und leider nur zwei Arme. Es kommt auch hier wieder auf die Gesamtsituation an.
 
Ich glaube nicht, dass gemeint ist, dass jede Form dieser Gewalt verwerflich ist.

Es geht sicher auch darum, sich in die Position der Patienten oder Pflegebedürftigen hineinzuversetzen. Nicht jeder versteht unsere Prioritätensetzung. Und selbst wenn er sie versteht, findet er sie nicht immer angenehm.
 
Was ich auch wieder toll finde: anstatt sich endlich mal auf ein positives Image unserer Profession zu besinnen und uns und unsere Arbeit zu würdigen und positiv zu verstärken, werden wieder mal die dunkelsten Themen aus der "Tabuzone" geholt. Wobei ich finde, so tabu ist das Thema gar nicht- kommt ja andauernd in den Medien! UND ES SIND WIEDER UNSERE EIGENEN LEUTE, DIE DAS TUN.
Die Pflege neigt leider zur Selbstzerfleischung...Und dann wundert es uns, daß keiner in die Pflege gehen will!
 
Und wer betrachtet die Kehrseite? Das meine Kollegin in der Stationsküche bedrängt wurde? Das der C2 Pat mir immer wieder gegen den Arm gehauen hat während ich die nasse Windel gewechselt habe? Meine Kollegin, die in die Zahnklinik musste, weil sie eins in die Fr.... bekommen hat?
 
Sehr richtig, Schwester Rabiata, das fiel mir auch spontan dazu sein.
Gewalt gibt es auf beiden Seiten, auf beiden Seiten sind Opfer und Täter zu finden.
Und dann natürlich die Definition von Gewalt, wo beginnt Gewalt?
Indem ich einen Patienten "zwinge", die verordneten Medikamente einzunehmen?
Beispielsweise?
 

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