Inwieweit ist Krankenpflege eine Berufung?
Für mich ist der Beruf der Krankenschwester, oder des Krankenpflegers ein Beruf wie jeder andere auch. Logisch gibt es gerade in der Pflege auch Dinge, zu denen man geeignet sein muss, um sie tun zu können. Als sehr veraltet erscheint mir jedoch die These, dass man aus Berufung diesen Beruf wählt und für einen Hungerlohn („Gotteslohn“) arbeitet! Für den Beruf der Krankenschwester benötigt man eine Eignung und klar vorgegebene Fähigkeiten. Mit Berufung hat dies NICHTS zu tun.
Aus welcher Überzeugung wählt man diesen Beruf?
Ich habe den Beruf des Fachmanns für Pflege gewählt, weil ich gerne mit Menschen zu tun habe. Den nahen Kontakt mit zum Teil Schwerkranken oder Sterbenden empfinde ich als intensiv und befriedigend. Medizin ist ein ausgesprochen interessantes und schnelllebiges Fachgebiet. Diesem Wandel und Fortschritt auch aus der Sicht der Pflege gerecht zu werden ist zweifellos eine echte Herausforderung! Sicherlich ebenfalls eine Rolle hat für mich das Ideal des „helfen und begleiten wollen“ gespielt.
Sind Krankenschwestern zu wenig intelligent für ein Medizinstudium?
Ein weit verbreitetes Vorurteil in der Gesellschaft bezieht sich auf den Aufgabenbereich der Krankenschwester oder des Krankenpflegers. Oft werden Pflegende als „AssistentInnen der Ärzte“ gesehen. Wir Pflegenden üben einen EIGENSTÄNDIGEN Beruf aus. Wir sind für die Pflege verantwortlich, während Arzt und Ärztin für die in ihrem Arbeitsbereich liegenden Aufgaben verantwortlich sind.
In der Pflege werden weisungsABhängige und weisungsUNabhängige Aufgaben unterschieden.
Wo bestehen Konflikte zwischen Arzt und Krankenschwester?
Schwierige Situationen entstehen zum Beispiel, wenn ein Arzt bei einem präterminalen Patienten eine Therapie anordnet, die vom Pflegeteam als untragbar und unethisch betrachtet wird. Denn ausführend ist die Pflege.
Oder die Krankenschwester findet, dass der Patient unnötig Schmerzen ertragen muss und möchte die Schmerzmittelreserve erhöht haben - allenfalls ist der Arzt damit nicht einverstanden.
Was versteht man eigentlich unter „Pflege“?
Eine besonders gute Frage. Im Volksmund versteht man unter Pflege vor allem „Waschen“. Oder man denkt an den Krankenpfleger, der eine Spritze verabreicht.
Doch Pflegende verstehen darunter etwas viel differenzierteres. Wir definieren Pflege in den 5 Funktionen:
Funktion 1
Unterstützung und stellvertretende Übernahme von Aktivitäten des täglichen Lebens.
Funktion 2
Begleiten in Krisensituationen und während des Sterbens.
Funktion 3
Mitwirkung bei präventiven, diagnostischen und therapeutischen Massnahmen.
Funktion 4
Mitwirkung an Aktionen zur Verhütung von Krankheiten und Unfällen einerseits sowie zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit andererseits, Beteiligung an Eingliederungs- und Wiedereingliederungsprogrammen.
Funktion 5
Mitwirkung bei der Verbesserung der Qualität und Wirksamkeit der Pflege und bei der Entwicklung des Berufes, Mitarbeit an Forschungsprojekten im Gesundheitswesen.
Wichtig erscheint mir, dass eben auch Gespräche zu führen, und der präventive Gedanke mit zur Pflege gehören. Der Mensch wird als Ganzes im Einklang von Körper, Geist und Seele wahrgenommen und soll auch so gepflegt und behandelt werden.
Eine wichtige Rolle soll das Fördern von gesunden Anteilen spielen.
Die Amerikamer verwenden den Begriff "care". Mir erscheint dieser treffender als "Pflege" - er beinhaltet auch "sich kümmern oder sorgen um jemanden" und beschreibt unsere Arbeit somit umfassender.
3 Jahre Ausbildung - nur um zu lernen, wie man wäscht?!
Der Aufgabenbereich der Krankenschwester oder des Krankenpflegers umfasst keineswegs nur die Körperpflege im Sinne von Waschen, Duschen oder Baden!
Fachwissen in Anatomie (Bau des Körpers), Krankheitslehre, Medikamentenlehre oder Hygiene ermöglichen uns erst, komplexe Krankheitsgeschehen zu verstehen und das Wissen in der Praxis umzusetzen.
Hintergrundwissen von vielen verschiedenen kulturellen Bräuchen und Sitten muss bestehen um auch anderen Kulturen gerecht zu werden.
Kompetenz in Psychologie und Gesprächsführung dient der Vereinfachung der Kommunikation in schwierigen Situationen und ermöglicht eine angepasste Problemlösung.
Das Organisationstalent ist zum Beispiel dort gefordert, wo eine Patientin für eine Transplantation abgeklärt werden muss; um die 30 Untersuchungen sind aneinander vorbei zu planen. Und dies in möglichst kurzer Zeit.
Wie umgehen mit Belastungen? Abgrenzung?
In der Tat ist der Pflegeberuf je nach Arbeitsort belastend bis sehr belastend. Menschen sterben, bekommen Diagnosen von extremer Tragweite für ihr weiteres Leben oder durchmachen Phasen im Leben, in denen sie von uns begleitet und betreut werden.
Belastend sind aber auch Spannungen im Pflegeteam, Konflikte mit der ärztlichen Seite, die unregelmässigen Dienstzeiten und der Druck durch die stetig wachsenden Sparmassnahmen.
Daneben darf man aber nicht vergessen, dass viele PatientInnen im Spital gesund werden und wieder nach Hause können. Wo dies nicht möglich ist, kann oft mindestens eine Verbesserung erzielt werden.
Freude bereiten Erfolge in Form von Fortschritten. Aber es ist richtig, dass man manchmal lernen muss, sich auch an Kleinem und Einfachem zu erfreuen.
Abgrenzung spielt eine grosse Rolle. In der Ausbildung wird viel Gewicht gelegt auf Psychohygiene. Darunter verstehen wir Massnahmen, die wir ergreifen, um unsere Psyche gesund zu erhalten. Abschalten lernen oder nach Möglichkeiten suchen, die es uns ermöglichen, mit Schwierigen Situationen fertig zu werden oder sie auszuhalten.
Pflege - ein Beruf ohne Karrieremöglichkeit?
In keinem anderen Beruf sind die Weiterbildungsmöglichkeiten so gross wie im Sektor der Krankenpflege!
Im leitenden Bereich sind Weiterentwicklungen wie Gruppenleitung, Stationsleitung, Leitung Pflegedienst möglich.
Im Bereich Fort- und Weiterbildung können zwei verschiedene Bereiche von Höheren Fachschulen absolviert werden.
Wer sich mehr pädagogisch ambitioniert fühlt, kann in die Schülerbegleitung auf der Station wechseln. BerufsschullehrerIn im Bereich Pflege an einer Krankenpflegeschule oder als Kliniklehrerin im Spital selber, bieten eine weitere Möglichkeit.
Als Leiter oder Leiterin einer Krankenpflegeschule führt man eine hohe, leitende Funktion aus.
Aber auch in der Pflege selber existieren zahlreiche Zusatzausbildungen zum Beispiel zur Krankenschwester für Intensivkrankenpflege und Reanimation, Anästhesie (Narkose), Operationspflege, Stomapflege oder Diabetesberatung, um nur einige zu nennen.
Seit Ende 1998 kann man in der Schweiz sogar Pflege an einer Hochschule studieren. In den USA und England ist dies schon lange möglich.
Ausserdem sind Einsätze in Katastrophengebieten möglich. Diese werden zum Beispiel durch das IKRK oder die Katastrophenhilfe-Organisation „Médecin sans frontières“ koordiniert und geleitet.
Warum hat das Pflegepersonal sowenig Zeit und Geduld?
Eine diplomierte Pflegeperson ist im Durchschnitt für etwa vier bis sechs mehr oder weniger pflegebedürftige PatientInnen zuständig. Personalmangel und die immer aufwendiger werdenden Therapien führen leider dazu, dass die Qualität der Pflege darunter leidet. Das am meisten frustrierende am Pflegeberuf ist wohl, dass man viele phantastische Pflegetheorien im Kopf hat und einem die Zeit fehlt, diese umzusetzen.
An gut ausgebildetem Pflegepersonal fehlt es also nicht. Die Realität sieht leider alarmierend aus! Oft kann nur noch das Nötigste verrichtet werden. Gespräche und die psychische Betreuung von Patienten kommen oftmals zu kurz. Dies führt zu Aggressionen und Anwendung von Gewalt.
Wie sieht es mit Gewalt in der Pflege aus?
Wenn von Gewalt in der Pflege gesprochen wird, geht man oft nur auf die Situation des Pflegepersonals ein. Das Pflegepersonal wird geschlagen, mit Kaffee überschüttet, angeschrien und das Essen wird verweigert.
Gewalt in der Pflege heisst aber auch, dass Pflegende Gewalt anwenden gegenüber den PatientInnen. Gewalt bedeutet aber nicht nur, Schläge auszuteilen. Gewalt ist es auch, wenn man eine alte, verwirrte Frau mit Medikamenten sediert (ruhigstellt), damit sie nicht aufsteht und sich etwas bricht. Oder wenn in der Psychiatrie jemand - weil er sich selber oder andere sonst gefährden würde - ans Bett fixiert.
Ebenfalls Gewalt ist es, wenn ich aus Antipathie einer Patientin eine Aussprache verweigere und sie damit strafe.
Gewalt ist auch, wenn ich einer Frau, die ich auf's WC mobilisieren müsste Windeln anziehe, weil ich keine Zeit habe, sie auf die Toilette zu bringen ...
Kurz gesagt: Gewalt in der Pflege kommt vor. Von seiten der Patienten oft von Verwirrten. Von seiten von Pflegenden oft in Situationen der Überforderung.
Klar gesagt: Gewalt gehört nicht in die Pflege. Sicherlich streben wir alle einen menschenwürdigen Umgang an. Richtig böse meint es sicher nur eine verschwindend kleine Minderheit - sowohl auf der Seite der PatientInnen als auch auf der Seite der Pflege.
Sparmassnahmen und Stellenabbau sind sicherlich begünstigende Faktoren für Aggressionen und Gewalt in der Pflege!
Weitere Faktoren sind Ungewissheit, Angst und Schmerzen.
Was sind die Hauptprobleme von Patienten im Spital?
Eine Studie (in Form einer Patientenbefragung) hat ergeben, dass die DREI HAUPTPROBLEME der Patienten im Spital Ungewissheit, Angst und Schmerzen sind. Ungewissheit wirkt man entgegen indem man möglichst genau und konkret informiert - Handlungen begründet und Vorinformationen vermittelt mit entsprechenden Erklärungen. Angst versucht man anzugehen, indem man Angst auslösende Faktoren aufspürt und anzugehen versucht. Schmerzen bedürfen einer adäquaten, umfassenden Schmerztherapie (Gespräche, psychische Begleitung, Schmerzerfassung in Form eines Schmerzprotokolls, stark wirksame Schmerzmittel wo erforderlich).
Pflegepersonal verdient zu schlecht - richtig?
Aus meiner Sicht muss ich diese Frage mit „Ja“ beantworten. Das Berufsbild hat sich gewandelt. Heute ist niemand mehr dazu bereit, diesen Beruf für Gotteslohn auszuüben.
Eine frisch diplomierte Fachperson für Gesundheits - und Krankenpflege mit Diplomniveau 2 verdient nach Abschluss ihrer vierjährigen Ausbildung Fr. 4300.- brutto.
Die hohe Belastung in Form von Erlebnissen rund um die Pflege, wie auch die zum Teil massivste Stressbelastung, die unregelmässigen Arbeitszeiten (Tagdienst, Nachtdienst, Wochenenddienst) und die hohe Verantwortung stehen in keinem Verhältnis zu unserem Verdienst!
Verglichen zum hohen Ansehen, das unser Berufsstand in der Gesellschaft geniesst sind wir also sehr schlecht bezahlt.
Trägt nicht der Arzt die Verantwortung?!
Nein. Die ausführende Pflegende trägt die Verantwortung für die Pflegehandlung. An einem Beispiel erklärt bedeutet dies: Der Arzt trägt zwar die Verantwortung für die Wahl des Medikamentes. Die Krankenschwester trägt jedoch die Verantwortung dafür, dass sie das RICHTIGE Medikament dem RICHTIGEN Patienten zur RICHTIGEN Zeit auf die RICHTIGE Art und Weise in der RICHTIGEN Dosis verabreicht (5 R-Regel!). Macht sie bei der Ausführung einen Fehler und der Patient erleidet dadurch einen Schaden, so wird sie für ihren Fehler verantwortlich gemacht!
Verordnet der Arzt (aus Unachtsamkeit oder Versehen) zum Beispiel eine bekanntlich schädliche oder tödliche Dosis, so ist die Krankenschwester verpflichtet, den Arzt darauf hinzuweisen. Tut sie dies nicht, so trägt sie die Mitschuld, wenn dem Patienten etwas geschieht.
Ebenfalls verantwortlich gemacht werden kann sie für fehlende oder mangelnde Weiterleitung von Beobachtungen.
Auch für Unterlassung von Pflegehandlungen kann sie zur Verantwortung gezogen werden. Führt sie zum Beispiel eine therapeutische Massnahme (Verabreichung eines Medikamentes) nicht aus und die Patientin erleidet einen Schaden, so wird sie zur Verantwortung gezogen.
Beispiele dafür gibt es aber auch in weisungsUNabhängigen Bereichen der Pflege, in denen die Pflegenden selbständig arbeiten und somit auch alleine dafür verantwortlich sind.
Eine Patientin mit Fieber, die sich nun kaum noch bewegt müsste gelagert werden um ein Wundliegen zu verhindern. Ordnet die Pflegende nun keine 2-stündlichen Umlagerungen an und ist um Flüssigkeitsersatz in Form von Infusionen, und eine gute Hautpflege besorgt, so verletzt sie die Sorgfaltspflicht. Dafür ist sie alleine haftbar. Dies ist nur eine kleine Auswahl von zahlreichen Beispielen!
Berufskleider - Weisse Tracht - längst veraltet. Oder?
Der weisse Kasack dient nebst der Funktion als Berufskleider (Schutz, hygienischer Aspekt) auch der Abgrenzung. Damit zeigen wir klar „ich arbeite hier“. Für viele ist das Ausziehen der Arbeitskleider nach Arbeitsschluss eine Art Zeremoniell. Auch für mich bedeutet es „ich lasse das Erlebte und die Geschichten von heute hier - und nehme sie nicht mit nach Hause“. Also auch eine Form von Abschalten.
Dass die Berufskleider der Pflege weiss sind, hat einen einfachen Grund: Sie können bei 95 Grad gewaschen werden, was bei vielen Flecken (Blut, Stuhl, Chemikalien, Desinfektionsmittel) nötig ist. Bakterien und Viren werden abgetötet. Weiss kann auch nicht verbleichen. Heute weiss man, dass Farben zum Beispiel ausgleichend oder stimmungsaufhellend wirken. Leider wird dies im Spital noch sehr wenig umgesetzt.
Entspricht das Bild von „Arztserien“ dem realen Alltag?
Ganz klar NEIN. Das einzige was bei „Auf alle Fälle Stefanie“ dem Spitalalltag entspricht sind die Spitalgänge, das Essen servieren, die Patientenzimmer und das Stationsbüro.
Wie, wenn wir herumträumen würden beim Richten von Medikamenten, Zeit hätten um pausenlos mit den Ärzten zu flirten und Patientengespräche die einzige Verrichtung wäre, die wir am Patienten machen ...
Und wenn die Röcke (so etwas gibt es in der richtigen Spital-Realität nicht) so kurz wären, wie in den Arztserien, dann wären sexuelle Übergriffe sicher häufiger.
Zum Glück müssen diese TV-Krankenschwestern nur kurzzeitig mit diesen Schuhen herumlaufen - nach einem 9-Stunden-Tag im Spital hätten die nämlich SICHER keine Füsse mehr!
Leider ist (gerade wegen solcher Serien) unter PatientInnen die Ansicht sehr verbreitet, dass das Pflegepersonal wenn es gerade nicht im Zimmer ist IMMER an der Kaffeepause ist ...
Krankenpflege - ein Frauenberuf?
Der Anteil der Männer in den Pflegeberufen macht einen verschwindend kleinen Anteil von 10% aus. Es spricht nichts dagegen, als Mann nicht diesen Beruf zu ergreifen. Sicherlich ist es nicht immer einfach in einer Frauendomäne zu arbeiten. Als schwuler Mann befindet man sich aber sicherlich in guter Gesellschaft.
Für mich ist der Beruf der Krankenschwester, oder des Krankenpflegers ein Beruf wie jeder andere auch. Logisch gibt es gerade in der Pflege auch Dinge, zu denen man geeignet sein muss, um sie tun zu können. Als sehr veraltet erscheint mir jedoch die These, dass man aus Berufung diesen Beruf wählt und für einen Hungerlohn („Gotteslohn“) arbeitet! Für den Beruf der Krankenschwester benötigt man eine Eignung und klar vorgegebene Fähigkeiten. Mit Berufung hat dies NICHTS zu tun.
Aus welcher Überzeugung wählt man diesen Beruf?
Ich habe den Beruf des Fachmanns für Pflege gewählt, weil ich gerne mit Menschen zu tun habe. Den nahen Kontakt mit zum Teil Schwerkranken oder Sterbenden empfinde ich als intensiv und befriedigend. Medizin ist ein ausgesprochen interessantes und schnelllebiges Fachgebiet. Diesem Wandel und Fortschritt auch aus der Sicht der Pflege gerecht zu werden ist zweifellos eine echte Herausforderung! Sicherlich ebenfalls eine Rolle hat für mich das Ideal des „helfen und begleiten wollen“ gespielt.
Sind Krankenschwestern zu wenig intelligent für ein Medizinstudium?
Ein weit verbreitetes Vorurteil in der Gesellschaft bezieht sich auf den Aufgabenbereich der Krankenschwester oder des Krankenpflegers. Oft werden Pflegende als „AssistentInnen der Ärzte“ gesehen. Wir Pflegenden üben einen EIGENSTÄNDIGEN Beruf aus. Wir sind für die Pflege verantwortlich, während Arzt und Ärztin für die in ihrem Arbeitsbereich liegenden Aufgaben verantwortlich sind.
In der Pflege werden weisungsABhängige und weisungsUNabhängige Aufgaben unterschieden.
Wo bestehen Konflikte zwischen Arzt und Krankenschwester?
Schwierige Situationen entstehen zum Beispiel, wenn ein Arzt bei einem präterminalen Patienten eine Therapie anordnet, die vom Pflegeteam als untragbar und unethisch betrachtet wird. Denn ausführend ist die Pflege.
Oder die Krankenschwester findet, dass der Patient unnötig Schmerzen ertragen muss und möchte die Schmerzmittelreserve erhöht haben - allenfalls ist der Arzt damit nicht einverstanden.
Was versteht man eigentlich unter „Pflege“?
Eine besonders gute Frage. Im Volksmund versteht man unter Pflege vor allem „Waschen“. Oder man denkt an den Krankenpfleger, der eine Spritze verabreicht.
Doch Pflegende verstehen darunter etwas viel differenzierteres. Wir definieren Pflege in den 5 Funktionen:
Funktion 1
Unterstützung und stellvertretende Übernahme von Aktivitäten des täglichen Lebens.
Funktion 2
Begleiten in Krisensituationen und während des Sterbens.
Funktion 3
Mitwirkung bei präventiven, diagnostischen und therapeutischen Massnahmen.
Funktion 4
Mitwirkung an Aktionen zur Verhütung von Krankheiten und Unfällen einerseits sowie zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit andererseits, Beteiligung an Eingliederungs- und Wiedereingliederungsprogrammen.
Funktion 5
Mitwirkung bei der Verbesserung der Qualität und Wirksamkeit der Pflege und bei der Entwicklung des Berufes, Mitarbeit an Forschungsprojekten im Gesundheitswesen.
Wichtig erscheint mir, dass eben auch Gespräche zu führen, und der präventive Gedanke mit zur Pflege gehören. Der Mensch wird als Ganzes im Einklang von Körper, Geist und Seele wahrgenommen und soll auch so gepflegt und behandelt werden.
Eine wichtige Rolle soll das Fördern von gesunden Anteilen spielen.
Die Amerikamer verwenden den Begriff "care". Mir erscheint dieser treffender als "Pflege" - er beinhaltet auch "sich kümmern oder sorgen um jemanden" und beschreibt unsere Arbeit somit umfassender.
3 Jahre Ausbildung - nur um zu lernen, wie man wäscht?!
Der Aufgabenbereich der Krankenschwester oder des Krankenpflegers umfasst keineswegs nur die Körperpflege im Sinne von Waschen, Duschen oder Baden!
Fachwissen in Anatomie (Bau des Körpers), Krankheitslehre, Medikamentenlehre oder Hygiene ermöglichen uns erst, komplexe Krankheitsgeschehen zu verstehen und das Wissen in der Praxis umzusetzen.
Hintergrundwissen von vielen verschiedenen kulturellen Bräuchen und Sitten muss bestehen um auch anderen Kulturen gerecht zu werden.
Kompetenz in Psychologie und Gesprächsführung dient der Vereinfachung der Kommunikation in schwierigen Situationen und ermöglicht eine angepasste Problemlösung.
Das Organisationstalent ist zum Beispiel dort gefordert, wo eine Patientin für eine Transplantation abgeklärt werden muss; um die 30 Untersuchungen sind aneinander vorbei zu planen. Und dies in möglichst kurzer Zeit.
Wie umgehen mit Belastungen? Abgrenzung?
In der Tat ist der Pflegeberuf je nach Arbeitsort belastend bis sehr belastend. Menschen sterben, bekommen Diagnosen von extremer Tragweite für ihr weiteres Leben oder durchmachen Phasen im Leben, in denen sie von uns begleitet und betreut werden.
Belastend sind aber auch Spannungen im Pflegeteam, Konflikte mit der ärztlichen Seite, die unregelmässigen Dienstzeiten und der Druck durch die stetig wachsenden Sparmassnahmen.
Daneben darf man aber nicht vergessen, dass viele PatientInnen im Spital gesund werden und wieder nach Hause können. Wo dies nicht möglich ist, kann oft mindestens eine Verbesserung erzielt werden.
Freude bereiten Erfolge in Form von Fortschritten. Aber es ist richtig, dass man manchmal lernen muss, sich auch an Kleinem und Einfachem zu erfreuen.
Abgrenzung spielt eine grosse Rolle. In der Ausbildung wird viel Gewicht gelegt auf Psychohygiene. Darunter verstehen wir Massnahmen, die wir ergreifen, um unsere Psyche gesund zu erhalten. Abschalten lernen oder nach Möglichkeiten suchen, die es uns ermöglichen, mit Schwierigen Situationen fertig zu werden oder sie auszuhalten.
Pflege - ein Beruf ohne Karrieremöglichkeit?
In keinem anderen Beruf sind die Weiterbildungsmöglichkeiten so gross wie im Sektor der Krankenpflege!
Im leitenden Bereich sind Weiterentwicklungen wie Gruppenleitung, Stationsleitung, Leitung Pflegedienst möglich.
Im Bereich Fort- und Weiterbildung können zwei verschiedene Bereiche von Höheren Fachschulen absolviert werden.
Wer sich mehr pädagogisch ambitioniert fühlt, kann in die Schülerbegleitung auf der Station wechseln. BerufsschullehrerIn im Bereich Pflege an einer Krankenpflegeschule oder als Kliniklehrerin im Spital selber, bieten eine weitere Möglichkeit.
Als Leiter oder Leiterin einer Krankenpflegeschule führt man eine hohe, leitende Funktion aus.
Aber auch in der Pflege selber existieren zahlreiche Zusatzausbildungen zum Beispiel zur Krankenschwester für Intensivkrankenpflege und Reanimation, Anästhesie (Narkose), Operationspflege, Stomapflege oder Diabetesberatung, um nur einige zu nennen.
Seit Ende 1998 kann man in der Schweiz sogar Pflege an einer Hochschule studieren. In den USA und England ist dies schon lange möglich.
Ausserdem sind Einsätze in Katastrophengebieten möglich. Diese werden zum Beispiel durch das IKRK oder die Katastrophenhilfe-Organisation „Médecin sans frontières“ koordiniert und geleitet.
Warum hat das Pflegepersonal sowenig Zeit und Geduld?
Eine diplomierte Pflegeperson ist im Durchschnitt für etwa vier bis sechs mehr oder weniger pflegebedürftige PatientInnen zuständig. Personalmangel und die immer aufwendiger werdenden Therapien führen leider dazu, dass die Qualität der Pflege darunter leidet. Das am meisten frustrierende am Pflegeberuf ist wohl, dass man viele phantastische Pflegetheorien im Kopf hat und einem die Zeit fehlt, diese umzusetzen.
An gut ausgebildetem Pflegepersonal fehlt es also nicht. Die Realität sieht leider alarmierend aus! Oft kann nur noch das Nötigste verrichtet werden. Gespräche und die psychische Betreuung von Patienten kommen oftmals zu kurz. Dies führt zu Aggressionen und Anwendung von Gewalt.
Wie sieht es mit Gewalt in der Pflege aus?
Wenn von Gewalt in der Pflege gesprochen wird, geht man oft nur auf die Situation des Pflegepersonals ein. Das Pflegepersonal wird geschlagen, mit Kaffee überschüttet, angeschrien und das Essen wird verweigert.
Gewalt in der Pflege heisst aber auch, dass Pflegende Gewalt anwenden gegenüber den PatientInnen. Gewalt bedeutet aber nicht nur, Schläge auszuteilen. Gewalt ist es auch, wenn man eine alte, verwirrte Frau mit Medikamenten sediert (ruhigstellt), damit sie nicht aufsteht und sich etwas bricht. Oder wenn in der Psychiatrie jemand - weil er sich selber oder andere sonst gefährden würde - ans Bett fixiert.
Ebenfalls Gewalt ist es, wenn ich aus Antipathie einer Patientin eine Aussprache verweigere und sie damit strafe.
Gewalt ist auch, wenn ich einer Frau, die ich auf's WC mobilisieren müsste Windeln anziehe, weil ich keine Zeit habe, sie auf die Toilette zu bringen ...
Kurz gesagt: Gewalt in der Pflege kommt vor. Von seiten der Patienten oft von Verwirrten. Von seiten von Pflegenden oft in Situationen der Überforderung.
Klar gesagt: Gewalt gehört nicht in die Pflege. Sicherlich streben wir alle einen menschenwürdigen Umgang an. Richtig böse meint es sicher nur eine verschwindend kleine Minderheit - sowohl auf der Seite der PatientInnen als auch auf der Seite der Pflege.
Sparmassnahmen und Stellenabbau sind sicherlich begünstigende Faktoren für Aggressionen und Gewalt in der Pflege!
Weitere Faktoren sind Ungewissheit, Angst und Schmerzen.
Was sind die Hauptprobleme von Patienten im Spital?
Eine Studie (in Form einer Patientenbefragung) hat ergeben, dass die DREI HAUPTPROBLEME der Patienten im Spital Ungewissheit, Angst und Schmerzen sind. Ungewissheit wirkt man entgegen indem man möglichst genau und konkret informiert - Handlungen begründet und Vorinformationen vermittelt mit entsprechenden Erklärungen. Angst versucht man anzugehen, indem man Angst auslösende Faktoren aufspürt und anzugehen versucht. Schmerzen bedürfen einer adäquaten, umfassenden Schmerztherapie (Gespräche, psychische Begleitung, Schmerzerfassung in Form eines Schmerzprotokolls, stark wirksame Schmerzmittel wo erforderlich).
Pflegepersonal verdient zu schlecht - richtig?
Aus meiner Sicht muss ich diese Frage mit „Ja“ beantworten. Das Berufsbild hat sich gewandelt. Heute ist niemand mehr dazu bereit, diesen Beruf für Gotteslohn auszuüben.
Eine frisch diplomierte Fachperson für Gesundheits - und Krankenpflege mit Diplomniveau 2 verdient nach Abschluss ihrer vierjährigen Ausbildung Fr. 4300.- brutto.
Die hohe Belastung in Form von Erlebnissen rund um die Pflege, wie auch die zum Teil massivste Stressbelastung, die unregelmässigen Arbeitszeiten (Tagdienst, Nachtdienst, Wochenenddienst) und die hohe Verantwortung stehen in keinem Verhältnis zu unserem Verdienst!
Verglichen zum hohen Ansehen, das unser Berufsstand in der Gesellschaft geniesst sind wir also sehr schlecht bezahlt.
Trägt nicht der Arzt die Verantwortung?!
Nein. Die ausführende Pflegende trägt die Verantwortung für die Pflegehandlung. An einem Beispiel erklärt bedeutet dies: Der Arzt trägt zwar die Verantwortung für die Wahl des Medikamentes. Die Krankenschwester trägt jedoch die Verantwortung dafür, dass sie das RICHTIGE Medikament dem RICHTIGEN Patienten zur RICHTIGEN Zeit auf die RICHTIGE Art und Weise in der RICHTIGEN Dosis verabreicht (5 R-Regel!). Macht sie bei der Ausführung einen Fehler und der Patient erleidet dadurch einen Schaden, so wird sie für ihren Fehler verantwortlich gemacht!
Verordnet der Arzt (aus Unachtsamkeit oder Versehen) zum Beispiel eine bekanntlich schädliche oder tödliche Dosis, so ist die Krankenschwester verpflichtet, den Arzt darauf hinzuweisen. Tut sie dies nicht, so trägt sie die Mitschuld, wenn dem Patienten etwas geschieht.
Ebenfalls verantwortlich gemacht werden kann sie für fehlende oder mangelnde Weiterleitung von Beobachtungen.
Auch für Unterlassung von Pflegehandlungen kann sie zur Verantwortung gezogen werden. Führt sie zum Beispiel eine therapeutische Massnahme (Verabreichung eines Medikamentes) nicht aus und die Patientin erleidet einen Schaden, so wird sie zur Verantwortung gezogen.
Beispiele dafür gibt es aber auch in weisungsUNabhängigen Bereichen der Pflege, in denen die Pflegenden selbständig arbeiten und somit auch alleine dafür verantwortlich sind.
Eine Patientin mit Fieber, die sich nun kaum noch bewegt müsste gelagert werden um ein Wundliegen zu verhindern. Ordnet die Pflegende nun keine 2-stündlichen Umlagerungen an und ist um Flüssigkeitsersatz in Form von Infusionen, und eine gute Hautpflege besorgt, so verletzt sie die Sorgfaltspflicht. Dafür ist sie alleine haftbar. Dies ist nur eine kleine Auswahl von zahlreichen Beispielen!
Berufskleider - Weisse Tracht - längst veraltet. Oder?
Der weisse Kasack dient nebst der Funktion als Berufskleider (Schutz, hygienischer Aspekt) auch der Abgrenzung. Damit zeigen wir klar „ich arbeite hier“. Für viele ist das Ausziehen der Arbeitskleider nach Arbeitsschluss eine Art Zeremoniell. Auch für mich bedeutet es „ich lasse das Erlebte und die Geschichten von heute hier - und nehme sie nicht mit nach Hause“. Also auch eine Form von Abschalten.
Dass die Berufskleider der Pflege weiss sind, hat einen einfachen Grund: Sie können bei 95 Grad gewaschen werden, was bei vielen Flecken (Blut, Stuhl, Chemikalien, Desinfektionsmittel) nötig ist. Bakterien und Viren werden abgetötet. Weiss kann auch nicht verbleichen. Heute weiss man, dass Farben zum Beispiel ausgleichend oder stimmungsaufhellend wirken. Leider wird dies im Spital noch sehr wenig umgesetzt.
Entspricht das Bild von „Arztserien“ dem realen Alltag?
Ganz klar NEIN. Das einzige was bei „Auf alle Fälle Stefanie“ dem Spitalalltag entspricht sind die Spitalgänge, das Essen servieren, die Patientenzimmer und das Stationsbüro.
Wie, wenn wir herumträumen würden beim Richten von Medikamenten, Zeit hätten um pausenlos mit den Ärzten zu flirten und Patientengespräche die einzige Verrichtung wäre, die wir am Patienten machen ...
Und wenn die Röcke (so etwas gibt es in der richtigen Spital-Realität nicht) so kurz wären, wie in den Arztserien, dann wären sexuelle Übergriffe sicher häufiger.
Zum Glück müssen diese TV-Krankenschwestern nur kurzzeitig mit diesen Schuhen herumlaufen - nach einem 9-Stunden-Tag im Spital hätten die nämlich SICHER keine Füsse mehr!
Leider ist (gerade wegen solcher Serien) unter PatientInnen die Ansicht sehr verbreitet, dass das Pflegepersonal wenn es gerade nicht im Zimmer ist IMMER an der Kaffeepause ist ...
Krankenpflege - ein Frauenberuf?
Der Anteil der Männer in den Pflegeberufen macht einen verschwindend kleinen Anteil von 10% aus. Es spricht nichts dagegen, als Mann nicht diesen Beruf zu ergreifen. Sicherlich ist es nicht immer einfach in einer Frauendomäne zu arbeiten. Als schwuler Mann befindet man sich aber sicherlich in guter Gesellschaft.