Grundsatzurteil: Krankheit kann zur Kündigung eines Heimvertrags führen

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[30.10.2004]

Grundsatzurteil: Krankheit kann zur Kündigung eines Heimvertrags führen

(SozServ) - Alten Menschen, die in Heimen leben, kann unter bestimmten Umständen der Heimplatz gekündigt werden, wenn sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Donnerstag, 28. Oktober 2004, verkündeten Beschluss entschieden. Allerdings, so stellte der BGH klar, muss das die Kündigung aussprechende Heim dann eine andere Betreuungsmöglichkeit besorgen. In dem Fall, der dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt worden war, geht es um eine 94 Jahre alte Frau, deren Heimplatz wegen ihrer fortschreitenden Demenzerkrankung gekündigt worden war, weil das Heim keine angemessene Betreuungsmöglichkeit für solche Fälle hatte. In anderen Fällen, so das Gericht, sei es aber auch denkbar, dass das Heim seine Leistungen dem geänderten Bedarf anzupassen habe.
Die im Jahr 1910 geborene Beklagte – Leistungsempfängerin der gesetzlichen Pflegeversicherung - wohnte seit Dezember 2000 in einem von der Klägerin betriebenen Altenheim. Die Klägerin kündigte den Heimvertrag am 21. September 2001 fristlos. Die Kündigung wurde auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands der Beklagten gestützt, der ihre angemessene Versorgung und Betreuung nicht mehr möglich mache. Sinngemäß wurde in der Kündigungserklärung ausgeführt, das Heim sei als offene Einrichtung nicht in der Lage, den mit Gefährdungen ihrer Person verbundenen Weglauftendenzen der Beklagten und ihrem aggressiven Verhalten gegenüber Mitbewohnern zu begegnen. Die von der Klägerin erhobene Klage auf Räumung und Herausgabe des Heimplatzes, die während des Verfahrens erster Instanz vorsorglich und hilfsweise auf eine weitere fristlose Kündigung vom 2. Oktober 2002 gestützt wurde, hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat ließ die Revision der Beklagten wegen grundsätzlicher Bedeutung einiger mit der Kündigung zusammenhängender Fragen zu. Nachdem die Beklagte während des Revisionsverfahrens aufgrund der von der Klägerin eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen den Heimplatz geräumt und in einem anderen Heim Unterkunft und Betreuung gefunden hatte, erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.

In der hiernach nur noch veranlassten Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits, die nach § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu ergehen hatte, hat der III. Zivilsenat hervorgehoben, daß ein Verstoß gegen die Pflicht, die Kündigung zu begründen, die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat. Er hat ferner deutlich gemacht, daß bei einer Kündigung, die darauf gestützt wird, das Heim sei wegen einer Veränderung des Gesundheitszustands des Bewohners nicht mehr zu einer fachgerechten Betreuung in der Lage, auch geprüft werden müsse, ob der Heimträger verpflichtet sei, seine Leistungen dem veränderten Betreuungsbedarf anzupassen. Im konkreten Fall hat er die Würdigung der Vorinstanzen gebilligt, der Heimträger sei nicht zur Einrichtung einer gerontopsychiatrischen Abteilung verpflichtet gewesen, um die Demenzerkrankung der Beklagten aufzufangen. Schließlich ist der Senat auf die Pflicht des Heimträgers näher eingegangen, im Falle einer Kündigung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 HeimG dem Bewohner eine angemessene anderweitige Unterkunft und Betreuung nachzuweisen. Diese Nachweispflicht wird durch eine wirksame Kündigung ausgelöst. Ihre Erfüllung ist zwar nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung, aber materielle Voraussetzung für den Räumungsanspruch und seine Titulierung. Das Prozeßgericht hat also vor einer Verurteilung zur Räumung zu prüfen, ob der Heimträger seiner Nachweispflicht nachgekommen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen hat der Bundesgerichtshof 2/3 der Kosten der Beklagten und 1/3 der Klägerin auferlegt. Maßgeblich dafür war, dass ein Kündigungsgrund bestand, dass aber die Frage der Nachweispflicht ungeklärt war und – wenn die Hauptsache nicht erledigt gewesen wäre – noch der Aufklärung bedurft hätte. (Beschluss vom 28. Oktober 2004 - III ZR 205/03)

(Quelle: Bundesgerichtshof)

Quelle: www.sozialservice.de
 

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