Gleichberechtigung zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal = Utopie?
Zu einem anderen Thema stellte Trine mir in ihrem Beitrag
*(Defekter) Link entfernt*
die Fragen:
Selbstverständlich kann ich nur für mein hier aktuelles Setting sprechen, bei dem es sich um eine Interne Abteilung handelt mit Patienten mit gastro-enterologischen, onkologischen und rheumatologischen Krankheitsbildern und zwei Polikliniken, wo ich regelmäßig Sprechstunde habe bei Patienten mit zum einen rheumatischen Erkrankungen und zum anderen mit Magen-Darm-Leber-Erkrankungen.
In meiner Funktion als Fachkrankenpfleger führe ich neben der Sprechstunde auch pflegerische Konsultationen im Haus durch. Hierbei habe ich (ebenso wie meine examinierten KollegInnen), wie auch im Stationsalltag immer eine gleichberechtigte Position neben dem ärztlichen Personal. Dies beinhaltet in der Tat eine gleichberechtigte Diskussion über Diagnose und Therapie ebenso wie Therapievorschläge und das Auswerten diagnostischer Maßnahmen mit den dazugehörigen Konsequenzen. Hierzu führe ich gern einige Beispiele an:
1. Diskussion über Diagnose: Wir haben aktuell einen Patienten mit dem Problem, daß er immer wieder zum Kardiologen auf die Poli kam mit retroperitonealen Schmerzen. Am Wochenende wurde er dann mal wieder stationär aufgenommen und heute morgen war ich zur pflegerischen Konsultation bei ihm, weil die kardiologische Kollegin annahm, es könne sich um ein Problem des oberen Verdauungstraktes handeln, denn die Beschwerden treten laut Hetero-Anamnese immer während oder nach Einnahme von Speisen oder / und Getränken auf. Nach Sichtung und Anamnese meinerseits stellte ich die Verdachtsdiagnose Nußknackerspeiseröhre (Achalasie, Literatur darüber gibt es für Interessierte unter: A) Dähnert W. In: Radiology review manual. 3rd ed. Baltimore: Williams & Wilkins; 1996. p. 548. Und B) Stewart ET, Dodds WJ. Radiology of the esophagus. Esophagus motility disorders. In: Freeny PC, Stevenson GW. Alimentary tract radiology. 5th ed. Vol 1. St. Louis: Mosby; 1994. p. 199-200.
Und C) Kumar PJ, Clark ML. Gastroenterology. In: Kumar PJ, Clark ML, editors. Clinical medicine. 4th ed. Edinburgh: Saunders; 1998. p. 230-1.), was tatsächlich durch Oesophagusmanometrie und einen Oesophagusbariumtest bestätigt werden konnte. Hiernach wurde der Patient auf unsere Abteilung übernommen.
Da dieses Krankheitsbild äußerst selten ist und dem Assistenzarzt gänzlich unbekannt war, wäre die Diagnose von ärztlicher Seite, wenn nicht deutlich später, dann wahrscheinlich überhaupt nicht gestellt worden.
2. Diskussion über Therapie: Es ist schon richtig, daß auch bei uns die Therapie vom Arzt vorgeschrieben wird. Dies ist auch vollkommen korrekt und wichtig, denn die Verantwortlichkeit liegt ebenso bei ihm. Dies nimmt aber nicht weg, daß wir als Krankenschwestern und -Pfleger an der Diskussion über die Art und Form der Therapie aktiv beteiligt sind. Hierzu noch ein Beispiel von heute Morgen: Ein Patient mit IBD hatte am Wochenende bei Aufnahme eine Verordnung für Fosamax (Alendronat) erhalten. Da aber der Patient erst 28 Jahre jung ist und keine Anzeichen für Osteoporose hatte und seine IBD nicht aktiv ist, sprich: keine Kortikosteroide gegeben werden müssen (welche Bisphosphonat-Gabe wiederum indiziert hätten, denn sie vermindern rapide die Osteoblasten-Produktion), habe ich gebeten, diese Vorschrift zurückzunehmen und ebenso die Rezepte für Calcium und Vitamin D wieder zu stoppen. Dem wurde selbstverständlich stattgegeben.
3. Auswerten diagnostischer Maßnahmen: In der Poliklinik und auf der Abteilung führe ich regelmäßig Untersuchungen durch. Zum Beispiel bei Rheumapatienten den sogenannten DAS-28-Test (Disease Activity Score bei 28 verschiedenen Gelenken, siehe auch: *(Defekter) Link entfernt* ). Nach dem Test wird der Score ausgewertet und in Relation gesetzt zu eventuell durchgeführten früheren Tests, anderen Untersuchungsergebnissen und der Medikation. Je nach Resultat passe ich die Medikation gegebenenfalls an. Ab einer Maximal-Abweichung muß ich vor einer Anpassung erst den Rheumatologen um Zustimmung fragen, manchmal ist es aber auch so, daß ich anhand der Tests einen Therapie-Switch vorschlage. Dies wird dann entsprechend beurteilt und im gleichberechtigten Gespräch entschieden.
Auch, wenn es den Dienst in der Poliklinik in Deutschland nicht so gibt und ich ihn hier subtrahiere, so wird doch aus oben genannten Beispielen deutlich, daß es durchaus möglich ist, gleichberechtigt neben den Ärzten zu bestehen. Wichtig ist, daß hierbei immer wieder auch deutlich wird, daß zum Beispiel die von mir gestellten Diagnosen pflegerische Diagnosen sind und bleiben. Ich könnte mich nicht mit einem Modell identifizieren, bei dem wir die eigentliche Diagnostik als eine von bereits viel zu vielen ärztlichen Tätigkeiten übernehmen. Meines Erachtens ist diese Gleichberechtigung ebenso in Deutschland auch und gerade möglich, wenn die ärztliche Berufsgruppe weisungsbefugt ist, solang, beziehungsweise weil und wenn wir unsere eigene Profession und Wertigkeit behalten und bewachen.
Viele Grüsse!
Zu einem anderen Thema stellte Trine mir in ihrem Beitrag
*(Defekter) Link entfernt*
die Fragen:
Weil sie dort nicht ganz ins Thema paßten und es nicht fair wäre, Trine die Antworten schuldig zu bleiben, komme ich hier gern nochmal darauf zurück.Was ist […] mit Gleichstellung gemeint?
Du diskutierst gleichberechtigt Diagnose und Therapie deiner Patienten.
Was bedeutet das für dich? Therapievorschläge? Gemeinsames Auswerten von diagnostischen Maßnahmen?
Selbstverständlich kann ich nur für mein hier aktuelles Setting sprechen, bei dem es sich um eine Interne Abteilung handelt mit Patienten mit gastro-enterologischen, onkologischen und rheumatologischen Krankheitsbildern und zwei Polikliniken, wo ich regelmäßig Sprechstunde habe bei Patienten mit zum einen rheumatischen Erkrankungen und zum anderen mit Magen-Darm-Leber-Erkrankungen.
In meiner Funktion als Fachkrankenpfleger führe ich neben der Sprechstunde auch pflegerische Konsultationen im Haus durch. Hierbei habe ich (ebenso wie meine examinierten KollegInnen), wie auch im Stationsalltag immer eine gleichberechtigte Position neben dem ärztlichen Personal. Dies beinhaltet in der Tat eine gleichberechtigte Diskussion über Diagnose und Therapie ebenso wie Therapievorschläge und das Auswerten diagnostischer Maßnahmen mit den dazugehörigen Konsequenzen. Hierzu führe ich gern einige Beispiele an:
1. Diskussion über Diagnose: Wir haben aktuell einen Patienten mit dem Problem, daß er immer wieder zum Kardiologen auf die Poli kam mit retroperitonealen Schmerzen. Am Wochenende wurde er dann mal wieder stationär aufgenommen und heute morgen war ich zur pflegerischen Konsultation bei ihm, weil die kardiologische Kollegin annahm, es könne sich um ein Problem des oberen Verdauungstraktes handeln, denn die Beschwerden treten laut Hetero-Anamnese immer während oder nach Einnahme von Speisen oder / und Getränken auf. Nach Sichtung und Anamnese meinerseits stellte ich die Verdachtsdiagnose Nußknackerspeiseröhre (Achalasie, Literatur darüber gibt es für Interessierte unter: A) Dähnert W. In: Radiology review manual. 3rd ed. Baltimore: Williams & Wilkins; 1996. p. 548. Und B) Stewart ET, Dodds WJ. Radiology of the esophagus. Esophagus motility disorders. In: Freeny PC, Stevenson GW. Alimentary tract radiology. 5th ed. Vol 1. St. Louis: Mosby; 1994. p. 199-200.
Und C) Kumar PJ, Clark ML. Gastroenterology. In: Kumar PJ, Clark ML, editors. Clinical medicine. 4th ed. Edinburgh: Saunders; 1998. p. 230-1.), was tatsächlich durch Oesophagusmanometrie und einen Oesophagusbariumtest bestätigt werden konnte. Hiernach wurde der Patient auf unsere Abteilung übernommen.
Da dieses Krankheitsbild äußerst selten ist und dem Assistenzarzt gänzlich unbekannt war, wäre die Diagnose von ärztlicher Seite, wenn nicht deutlich später, dann wahrscheinlich überhaupt nicht gestellt worden.
2. Diskussion über Therapie: Es ist schon richtig, daß auch bei uns die Therapie vom Arzt vorgeschrieben wird. Dies ist auch vollkommen korrekt und wichtig, denn die Verantwortlichkeit liegt ebenso bei ihm. Dies nimmt aber nicht weg, daß wir als Krankenschwestern und -Pfleger an der Diskussion über die Art und Form der Therapie aktiv beteiligt sind. Hierzu noch ein Beispiel von heute Morgen: Ein Patient mit IBD hatte am Wochenende bei Aufnahme eine Verordnung für Fosamax (Alendronat) erhalten. Da aber der Patient erst 28 Jahre jung ist und keine Anzeichen für Osteoporose hatte und seine IBD nicht aktiv ist, sprich: keine Kortikosteroide gegeben werden müssen (welche Bisphosphonat-Gabe wiederum indiziert hätten, denn sie vermindern rapide die Osteoblasten-Produktion), habe ich gebeten, diese Vorschrift zurückzunehmen und ebenso die Rezepte für Calcium und Vitamin D wieder zu stoppen. Dem wurde selbstverständlich stattgegeben.
3. Auswerten diagnostischer Maßnahmen: In der Poliklinik und auf der Abteilung führe ich regelmäßig Untersuchungen durch. Zum Beispiel bei Rheumapatienten den sogenannten DAS-28-Test (Disease Activity Score bei 28 verschiedenen Gelenken, siehe auch: *(Defekter) Link entfernt* ). Nach dem Test wird der Score ausgewertet und in Relation gesetzt zu eventuell durchgeführten früheren Tests, anderen Untersuchungsergebnissen und der Medikation. Je nach Resultat passe ich die Medikation gegebenenfalls an. Ab einer Maximal-Abweichung muß ich vor einer Anpassung erst den Rheumatologen um Zustimmung fragen, manchmal ist es aber auch so, daß ich anhand der Tests einen Therapie-Switch vorschlage. Dies wird dann entsprechend beurteilt und im gleichberechtigten Gespräch entschieden.
Auch, wenn es den Dienst in der Poliklinik in Deutschland nicht so gibt und ich ihn hier subtrahiere, so wird doch aus oben genannten Beispielen deutlich, daß es durchaus möglich ist, gleichberechtigt neben den Ärzten zu bestehen. Wichtig ist, daß hierbei immer wieder auch deutlich wird, daß zum Beispiel die von mir gestellten Diagnosen pflegerische Diagnosen sind und bleiben. Ich könnte mich nicht mit einem Modell identifizieren, bei dem wir die eigentliche Diagnostik als eine von bereits viel zu vielen ärztlichen Tätigkeiten übernehmen. Meines Erachtens ist diese Gleichberechtigung ebenso in Deutschland auch und gerade möglich, wenn die ärztliche Berufsgruppe weisungsbefugt ist, solang, beziehungsweise weil und wenn wir unsere eigene Profession und Wertigkeit behalten und bewachen.
Viele Grüsse!