Frühchen: Überlebenschancen, Gewicht?

Ute

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Hannover
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hi, ich kenne mich überhaupt nicht aus mit Frühgeburten. Wie sind da die Überlebenschancen, ab dem wievielten Monat sagt man Frühchen oder wie schwer sind dann diese "kleinen Würmer"?????

http://www.aerzteaktion.de/
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Ute!

Von einem Frühchen spricht man, wenn es vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche geboren wird.
Ca. 10% der Neugeborenen sind Frühgeburten.
Je unreifer das Kind ist, umso mehr Probleme können sich ergeben:

- Lunge, Atmung (IRDS= Atemnotsyndrom, Asphyxie, Hypoxie, Anpnoen..)
- Herz, Kreislauf (Schock, PDA= pers. Ductus arteriosus)
- Thermolabilität
- hoher Flüssigkeitsverlust über die Haut
- Gehirn (Gefahr von Hirnblutungen)
- Stoffwechsel (Hypo/Hyperglycämie, Hypokalziämie..)
- Ernährung (Aspiration, Trinkprobleme, NEC...)
- hohes Infektionsrisiko
- Augen (Retinopathie)

Die untere Grenze der Lebensfähigkeit liegt heute bei der vollendeten 22. Schwangerschaftswoche. Die Entscheidung über die Versorgung eines Frühchens unter der 25. Schwangerschaftswoche sollte individuell in Abhängigkeit vom Zustand des Kindes, der Einstellung der Eltern und vom Verlauf der Schwangerschaft getroffen werden.

Soweit ich weiß, war unser kleinstes Frühchen im Haus, das es geschafft hat eine 23ste Woche und wog 460g.
 
Schon Wahnsinn was heute möglich ist, solche kleinen Würmchen aufzupäppeln... Wenn sie nicht mal ein Pfund wiegen!

Da muß schon ein ordentlicher Lebenswille hinterstecken und eine enorme Kraft ---> vom Kind, von den Eltern und dem Pflegepersonal!

Gruß Alexandra!
 
Ich bin seit 14 Jahren Kinderkrankenschwester und seid 12 Jahren in der Intensivpflege. Manchmal verfluche ich sämtliche Medizin und Technik, wenn man nämlich ein total unreifes Frühgeborenes vor sich liegen hat und es auf Gedeih und Verderb therapieren muß. Wir haben auf meiner Station zur Zeit so einen Fall. Ein Frühchen der 22. + 3. SSW., keine Lungenreife, Spontangeburt, Hirnblutung 4. Grades beidseits, V.a. NEC, Hautläsionen überall usw. usw.
Bei solchen Fällen ist es für eine Kinderkrankenschwester schwer den Sinn der Therapie zu begreifen. Ich würde mich freuen, Meinungen anderer Schwestern und Pfleger zu lesen, ob sie es für sinnvoll erachten so ein kleines und unreifes Kind mit aller Macht am Leben zu erhalten?
Ansonsten bin ich mit Leib und Seele Intensivkrankenschwester und bin immer bereit alles für einen Patienten zu tun.
:roll: :?:
 
Hallo Andrea,

ich verstehe voll und ganz, was du meinst. Auch mir geht es oft so. Ob es nun Frühchen betrifft, oder größere Kinder nach schweren SHT, Ertrinkungsunfälle etc.

Aber ich bin froh nicht über Leben und Tod eines Kindes entscheiden zu müssen.
Wir hatten mal ein 3jähriges Mädchen nach Ertrinkunsunfall. Sie war mind. 50 min. im Wasser, bei der Aufnahme natürlich extrem unterkühlt, und wurde schon seit über einer Stunde reanimiert.
Ich musste mit unseren Diensthabenden in den Schockraum. Als ich Kleine sah, sah ich, meiner Meinung nach, ein totes Kind.
Die Patientin war über 12 Stunden an der Herz-Lungen-Maschine und hatte die ersten Stunden extrem schlechte Werte.
Wir fragten uns alle auf der Station was das für einen Sinn haben soll, wie schlimm es ist, den Eltern Hoffnung zu machen, die Kleine vielleicht durchkommt, aber für immer ein Pflegefall sein wird.
Aber wir haben wirklich ein kleines Wunder erlebt! Sie hatte absolut keine Folgeschäden davongetragen und entwickelt sich prächtig! Wir bekommen noch immer jedes Jahr zu Weihnachten Grüße und ein aktuelles Foto von ihren Eltern geschickt.

Leider gibt es diese Wunder nur selten, aber es gibt sie immer wieder!

Also, wo soll man die Grenze setzen?

Wer ist berechtigt über Leben und Tod zu entscheiden?

Übrigens, auch das kleinste Frühchen aus unserem Haus entwickelt sich erstaunlicherweise sehr gut.
 
Hallo Andrea,

zuerst einmal herzlich willkommen im Forum!

ich verstehe sehr gut was du meinest. Die Medizin etwickelt sich immer weiter und viele Dinge die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären sind heute oft durchaus machbar.Gerade bei den Frühchen hat sich sehr viel getan. Die Frühgeburten werden immer kleiner, sind immer unreifer und dennoch wird alles für sie getan. Oft überleben die Kinder so wie du sie beschrieben hast mit einer 4er Hirnblutung beidseits ... Solange sie noch klein sind, sind sie ja oft extrem herzig. Doch die Kinder werden älter, sind oft ein schwerer Pflegefall. In vielen Fällen ist die Mutter dann den ganzen Tag mit diesem Kind alleine und kümmert sich 24 Stunden um das Kind.

Wir haben immer wieder ehemalige Frühchen auf der Station. Die Mütter die sie rund um die Uhr betreuen sind ausgelaugt. Oft wird ihnen dann von einer Intensivstation angeboten, sie sollen doch einmal auf Urlaub fahren und die Kinder eine Woche dort lassen. Die Mütter sind meist jedoch so auf die Kinder fixiert daß sie das nicht können. So haben wir immer wieder ein Kind bekommen - ehemaliges Frühchen, mit Heimbeatmung, Zustand nach 2 maliger Reanimation (davon eine sehr lange Reanimation). Es kam immer wieder mit Verdacht auf eine Aspiration.

Für viele Eltern werden ihre schwerkranken Kinder zum absoluten Lebensmittelpunkt. Umso schlimmer ist es dann zu sehen wenn diese Kinder sterben. Trotzdem sagen alle Eltern die Zeit mit ihrem Kind war ihnen so wichtig.

Sehr viele Eltern entscheiden sich bewußt für ihre schwerstbehinderten Kinder, und könne sich ein Leben ohne sie überhaupt nicht mehr vorstellen. Ich hatte erst vor kurzem einen Vater der mir erzählte, seine Frau und er, waren zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder gemeinsam auf einen Kaffee gegangen. Das aber auch nur deshalb weil ihr Sohn bei uns an der Station aufgenommen war.

Die Eltern die sich dann bewußt für ihre schwerstbehinderten Kinder entscheiden pflegen diese mit totaler Aufoperung. Die meisten sind tip top gepflegt.

Aber dann gibt es auch die Kinder, die keiner mehr möchte - eben weil sie behindert sind. Die liegen dann jahrelang in Krankenhäuseren und Pflegheimen.

Manchesmal fällt es wirklich schwer den Sinn der Intensivtherapie zu verstehen. Andererseits, ginge es um sein eigenes Kind wie würde man sich dann entscheiden?

Dann gibt es aber auch die Kinder die so wie sie Pat beschrieben hat nach einer Stunde unter Wasser überleben. - Das sind dann die Ertrinkungsunfälle im Winter, die immer eine bessere Prognose haben aufgrund ihrer Unterkühlung.

Ich schließe mich Pat an - wo soll man die Grenzen setzen?

Liebe Grüße aus Wien

Gaby
 
Also, erst mal Danke an Euch, daß Ihr so prompt auf meinen Text geantwortet habt. Ich bin auch immer wieder froh nicht die Entscheidung über Leben und Tod auf Station in der Hand zu haben. Ich habe vor meiner jetzigen Station im Deutschen Herzzentrum Berlin auf der Kinderintensivstation gearbeitet, 7 Jahre lang. Hätte ich dann nicht meine Tochter bekommen, sie ist jetzt 3 Jahre alt, wäre ich sicher immernoch dort. Jetzt bin ich wieder auf Frühchenintensiv, wir haben auch 1 Bett für ältere Kinder auf Station, und stelle mir trotzdem immer wieder die gleichen Fragen wie vor 11 Jahren auf Frühchenintensiv. Ich denke auch, daß man alles für einen Patienten tun soll und muß. Ich habe meine Meinung was ECMO etc. angeht, seitdem ich selber ein Kind habe. Ich würde auch immer hoffen, daß sie überlebt. Dennoch finde ich, daß man auch mal an die Kinder denken soll, man denke nur an die absolut unzureichende Analgesie bei Frühchen!!!! Wie es auch sei, ich freue mich schon auf die nächsten Antworten von Euch.
Viele Grüße vom Chiemsee
 
Hallo Andrea,

als werdender Vater mit drohender Frühgeburt (allerdings schon vollendete 28. SSW) bin ich geschockt, soetwas von einer Krankenschwester auf der Frühchenintensiv zu lesen, kann aber dennoch nachvollziehen, warum sie so empfinden.

Über Leben und Tod anderer soll niemand entscheiden, aber für das Leben sollte m.E. immer ALLES menschenmögliche getan werden. Das Leben sucht sich seinen Weg, genauso wie der Tod. Etwas anders gelagert ist es, wenn jemand gegen seinen ausdrücklichen Willen am Leben gehalten wird.

Ich kann nur für mich sprechen, dass ich lieber ein behindertes Kind pflegen werde, als es aufzugeben, weil es nach Meinung einiger kein "lebenswertes" Leben wird führen können. Als ich ein Jugendlicher war (16) habe ich kurz nach der Wende Rumänien mit einem Hilfstransport besucht. Wir waren dort auch in einem Kinderheim (wenn man das überhaupt so nennen kann) mit z.T. absolut schwerstbehinderten Kindern, aber aus so vielen Augen hat einen eine Lebenfreude, ja eine regelrechte Gier nach Leben angestrahlt, dass man es als gesunder Mesch aus dem reichen Westen einfach nicht begreifen kann.

Daher finde ich, haben sie als Schwester nicht das Recht darüber zu urteilen, ihr Job ist, alles FÜR das Leben zu tun, egal wie früh, egal wie ausichtlos (aus ihrer Sicht)
 
lieber pimisen!

da dieser thread bereits fast 7 jahre alt ist bezweifle ich, dass die von ihnen angesprochene andrea sich melden wird.

krankenschwestern sind nicht diejenigen, die entscheiden ob die therapie eines frühchens eingestellt wird oder nicht. das entscheiden die eltern gemeinsam mit dem arzt.

ich denke andrea geht nicht von einem frühchen aus, das soweit "fit" ist. es geht um die kinder, die wirklich zwischen leben und tod stehen. es geht also nicht um kinder, die zb noch beatmet werden müssen, das ist alltag auf einer intensivstation.
stellen sie sich folgende situation vor: sie arbeiten auf einer intensivstation und sehen täglich immer jüngere frühchen vor sich für die alles getan wird, obwohl man manchen kindern richtig ansieht, dass sie nicht mehr können und wollen (das bestätigen auch eltern häufig). diesen kindern geht es oft sehr sehr schlecht, sie brauchen fast immer geräte und medikamente, die den kreislauf aufrecht erhalten, werden immer mal wieder (auch mehrmals täglich) mit medikamenten oder herzdruckmassage reanimiert. warum darf so ein kind nicht in frieden sterben? (is übrigens kein erfundener fall, kommt täglich vor!)

das ist halt ein schwieriges thema. und es gibt nicht "den einen richtigen weg". man muss von fall zu fall neu entscheiden.

ich drück euch die daumen, dass euer kind noch so lange wie möglich in mamas bauch bleiben kann.
lg angie
 
Obwohl das Thema schon etwas älter ist, möchte ich als ehemaliges Frühchen (nur 2 Wochen zu früh) selbst mal was sagen. Ich bin nun 24 Jahre und würde es nach den Ärzten gehen und ihrer damaligen Prognose wäre ich tot. Man sagte meiner Mutter damals, dass ich es nicht überleben werde. Ich lag ein halbes Jahr im Krankenhaus. Meine Mutter betete, dass ich überlebe und ich habe überlebt. Dafür hat sie mich dann taufen lassen. Allerdings hat die Frühgeburt auch Spuren hinterlassen. Ich bin seit der Geburt Schwerhörig, habe mehr als 13 Operationen auf beiden Seiten hinter mir und trage mittlerweile zwei Hörgeräte mit denen ich aber zu 90 % hören kann. Damit kämpfe ich gerade um einen Ausbildungsplatz als Krankenschwester. Ausserdem bin ich etwa 4 Jahre zurück. Nicht geistig, aber körperlich. Was jetzt nicht unbedingt als Nachteil ist, aber oft wird meine kleine Schwester (4 Jahre jünger) als die ältere gesehen. Allerdings komme ich mit ihr super aus, da wir nun beide "gleich" alt sind. Ich hatte es zwar immer schwerer als meine Schwester, aber mittlerweile habe ich schon eine medizinische Ausbildung mit gut abgeschlossen, sodass ich sagen kann, es war gut, dass die Ärzte alles getan haben.
Ich würde genauso um mein Kind kämpfen wie damals meine Mutter. Und ich denke, dass würde jedes Elternteil machen, die sich auf das Kind freuen.
 
... ehemaliges Frühchen (nur 2 Wochen zu früh) ...
:gruebel: du weißt, dass man dann von einer frühgeburt spricht, wenn ein kind vor der vollendeten 37. SSW zur welt kommt, oder?

ich wollte mit meinem posting übrigens nicht sagen, dass es sich nicht lohnt um ein kind (egal ob frühchen oder nicht) zu kämpfen, aber man sollte auch einsehen, dass es manchmal einfach reicht.
 
:gruebel: du weißt, dass man dann von einer frühgeburt spricht, wenn ein kind vor der vollendeten 37. SSW zur welt kommt, oder?

Sorry, wusste ich wirklich nicht, dass es dort einen Unterschied gibt. Aber ich lerne gerne was dazu. :) Für mich war das stets das gleiche, der Säugling kam zu früh auf die Welt.

Und wo ist der Übergang zwischen leben und sterben lassen? Ich möchte das nicht entscheiden. Ansonsten bin ich auch der Meinung, wenn die Eltern das für sich entscheiden, dass man dann das Kind bzw. Säugling in Würde sterben lassen sollte. Aber das wollen die meisten Eltern nicht. Ich weiss nicht wie ich reagieren würde.
 
Obwohl das Thema schon etwas älter ist, möchte ich als ehemaliges Frühchen (nur 2 Wochen zu früh) selbst mal was sagen. Ich bin nun 24 Jahre und würde es nach den Ärzten gehen und ihrer damaligen Prognose wäre ich tot. Man sagte meiner Mutter damals, dass ich es nicht überleben werde. Ich lag ein halbes Jahr im Krankenhaus. Meine Mutter betete, dass ich überlebe und ich habe überlebt. Dafür hat sie mich dann taufen lassen. Allerdings hat die Frühgeburt auch Spuren hinterlassen. Ich bin seit der Geburt Schwerhörig, habe mehr als 13 Operationen auf beiden Seiten hinter mir und trage mittlerweile zwei Hörgeräte mit denen ich aber zu 90 % hören kann. Damit kämpfe ich gerade um einen Ausbildungsplatz als Krankenschwester. Ausserdem bin ich etwa 4 Jahre zurück. Nicht geistig, aber körperlich. Was jetzt nicht unbedingt als Nachteil ist, aber oft wird meine kleine Schwester (4 Jahre jünger) als die ältere gesehen. Allerdings komme ich mit ihr super aus, da wir nun beide "gleich" alt sind. Ich hatte es zwar immer schwerer als meine Schwester, aber mittlerweile habe ich schon eine medizinische Ausbildung mit gut abgeschlossen, sodass ich sagen kann, es war gut, dass die Ärzte alles getan haben.
Ich würde genauso um mein Kind kämpfen wie damals meine Mutter. Und ich denke, dass würde jedes Elternteil machen, die sich auf das Kind freuen.


daß du alles andere als ein "Frühgeborenes" bist, hast du ja nun schon mitgekriegt. Per Definition ist ein zu früh geborenes Kind jedes Kind, was vor dem 259. Tag der Schwangerschaft geboren wurde, also vor der 37. SSW.
Und woher deine Schwerhörigkeit kommt, darüber kann man hier spekulieren (kann auch unkontrolliert zu viel Antibiose mit Aminoglykosiden gewesen sein, was wissen wir denn schon darüber, was du damals hattest, was mit Beten und Taufen zu bekämpfen war?).
Ist letztendlich auch völlig egal, denn natürlich können auch Neugeborene angeborene Krankheiten haben, müssen mal operiert werden, was können wir hier jetzt schon sagen, was deiner Mutter denn alles erzählt wurde und was heißt schon "auf beiden Seiten operiert", das ist -sorry- für mich eine absolute Laiensprache, die ich von einer MTFA nicht unbedingt erwarten würde.
Auch ein kleiner Körperwuchs ist erst mal nichts anderes als "kleiner Körperwuchs" und wertfrei.
 
Und wo ist der Übergang zwischen leben und sterben lassen? Ich möchte das nicht entscheiden.
der übergang ist natürlich fließend. man muss ganz individuell entscheiden. ich möchte diese entscheidung auch nicht treffen müssen, aber letztlich sind es die eltern, die dies tun müssen.
 
Und wieder jemand, der sich erst jahre später äußert:wavey:

zum thema "wer entscheidet was" kann ich als intensivschwester nur sagen, dass die extremen frühchen in den meisten fällen ganz deutlich selber sagen, ob sie überleben wollen oder nicht! dies wird in der medizin nur leider immer wieder übergangen. klar muss ein kleines frühchen beatmet werden und über infusion ernährt werden, man muss ihm eine chance geben. aber die schmerzen, die ein so kleiner winzling (allein durch berührungen und minimalste manipulationen) in seinem so frisch gestartetem leben aushalten muss, sind eine zumutung!
die kleinen haben aber keinerlei entscheidungsgewalt, sie können keine patientenverfügung verfassen oder sagen, welche maßnahmen an ihnen zur lebenserhaltung durchgeführt werden sollen! ob wirklich ALLES gemacht werden soll! deshalb entscheiden die eltern, die meiner meinung nach in akuten notsituationen nicht in der lage sind, eine möglicherweise so einschneidende entscheiung zu treffen! natürlich wollen viele, dass alles gemacht wird! aber ich glaube, keiner kann sich im vorfeld vorstellen, was es bedeutet, ein schwerbehindertes kind zu betreuen und "großzuziehen"!

ich denke, man greift da eindeutig zu weit vor wenn man sagt, es sei erschreckend, dass kinderkrankenschwestern diese einstellung haben, weil WIR es sind, die stundenlang am bett stehen und um ein leben kämpfen müssen, dass vielleicht schon längst von einem menschen, nämlich dem frühchen, aufgegeben wurde! es ist unser job! auch ein kurzes leben muss wertgeschätzt werden! auch ein z.b. "nur" 4 stündiges leben war "ein leben lang"!
 
Hallo,
auch ich bin seit mehr als 15 Jahren auf verschiedenen Intensivstationen tätig. Und auch ich frage mich hin und wieder ob es richtig ist was wir tun- so wie in einem aktuellen Fall: Hausgeburt in der 21+6 SSw,ungewolte Schwangerschaft, Hirnblutung beidseits. Das Kind ist näher dem Tod als dem leben und trotzdem kämpfen wir.
Ich bin nur froh das ich nicht über Therapie und weiteres Vorgehen entscheiden muß, auch wenn solche Fälle immer wieder im team besprochen werden.
 
Manchmal verfluche ich sämtliche Medizin und Technik, wenn man nämlich ein total unreifes Frühgeborenes vor sich liegen hat und es auf Gedeih und Verderb therapieren muß. Wir haben auf meiner Station zur Zeit so einen Fall. Ein Frühchen der 22. + 3. SSW., keine Lungenreife, Spontangeburt, Hirnblutung 4. Grades beidseits, V.a. NEC, Hautläsionen überall usw. usw.
Bei solchen Fällen ist es für eine Kinderkrankenschwester schwer den Sinn der Therapie zu begreifen.

Hallo und ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich mich als Laie hier beteilige. Wahrscheinlich liest die Zitierte dies hier gar nicht mehr, aber es ist mir ein Bedürfnis zu antworten.

Mein Sohn wurde in der 26.SSW geboren, Agpar 0/1/3, 2 Reanimationen direkt nach der Geburt (eine 20min). Die ertsen Tage ging es aufwärts, dann Hirnblutung 1. und 4. Grades, ab diesem Tag ging es ihm zusehends schlechter. Er starb nach 9 Tagen. Soweit die reine Info.

So unendlich dankbar wir den Schwetsern und den Ärzten sind, dass sie alles menschenmögliche für unseren Sohn getan haben, erleichtert es mich sehr, in diesem Thread auch mal Zweifel zu lesen, sehe es also ähnlich wie Andrea (s.o.). In den seinen letzten Tagen war es unglaublich schmerzhaft zu sehen, was er durchmachte. Ich hatte das erdrückende Gefühl, er wollte und konnte nicht mehr und ich selbst spürte eine tiefe Hoffnungslosigkeit. Hat auch die Verzweiflung über seine Blutung eine Rolle gespielt? Mag sein, es ging einfach zu schnell, um alles emotional zu verarbeiten. Trotzdem bin ich sehr sicher, dass ich seine Signale gespürt habe.

Ich hatte das Glück, dass ich ab dem ersten Tag sehr starke Muttergefühle hatte und ich habe ihn sehr geliebt und tue das immer noch. Und trotzdem habe ich mir vor seinem Tod gewünscht, dass er endlich gehen darf. Er konnte und wollte einfach nicht mehr. Ich verstehe, dass die Ärzte alles für das Überleben tun, aber es sollte kein Tabu sein, dass auch auf einer Neointensiv der Tod eine Erlösung sein kann. Zum Glück musste ich nicht über die Abstellung von Geräten entscheiden, ich weiß nicht, ob und wann ich die Kraft zu so einer Entscheidung gehabt hätte. Aber wir haben uns deutlich gegen jede weitere Reanimation ausgesprochen und das war schon schwer genug, wenn man mit Menschen konfrontiert ist, die diesen Wunsch nicht nachvollziehen können.

Ich hoffe so sehr, dass ich im Sinne meines Sohnes gehandelt habe, aber es bestärkt mich, wenn ich auf eine Erfahrung wie hier im Thread stoße, so selten diese Äußerungen und Bedneken auch sind.
 
Hallo "eine Mutter"

danke für deinen offenen bericht,wofür ich dich echt bewundere.Ich bin seid 16 Jahren auf einer Neointensiv bzw Kinderintensiv beschäftigt und habe deher schon viel erlebt, kann aber auch aus eigenen Erfahrungen schöpfen- Ich war gerade 17 jahre alt, also mitten in der Ausbildung und habe meinen Einsatz auf der neo gehabt, als ich merkte das ich schwanger war-nach allem abwägen haben wir uns sehr auf unseren kleinen Engel gefreut und dann die schreckliche Nachricht das mit unserer kleinen etwas nicht stimmt. Nach mehreren Untersuchungen dann die Gewissheit das unsere Tochter einen Chromosomendefekt hat und dann kamm es in der 25 SSW zur Geburt wo wir gefragt wurden ob wir eine maximalversorgung wünschen und nach langen Überlegungen haben wir uns dagegen entschieden- wir wollten ihr die Möglichkeit geben zu gehen wenn sie keine kraft zum leben hat und wir hatten in einigen Gesprächen das Gefühl das wir nicht ganz verstanden wurden aber es wurde unser Wunsch befolgt und unsere Prinzessin ist nach 32 Stunden in unseren Armen für immer eingeschlafen. Wir haben unsere Entscheidung nie in Frage gestellt.
Und wahrscheinlich läßt mich meine Erfahrung im Umgang mit betroffenen Eltern diese in Ihren Entscheidungen auch besser verstehen und sie auch dementsprechend zu begleiten.
Ich wünsche Euch für die folgene Zeit viel Kraft.
Gruß Carerramaus
 

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