Erfahrungsbericht No. 1

Rabenzahn

Poweruser
Registriert
15.02.2002
Beiträge
933
Ort
Kassel
Beruf
AN-Pfleger
Akt. Einsatzbereich
in Rente
Erfahrungsbericht No. 1

Meinen ersten toten Menschen habe ich im Rahmen meiner Ausbildung zum Krankenpfleger gesehen.
Ich hatte nach dem üblichen Blockunterricht meinen ersten Einsatz auf einer Station mit urologischen und kieferchirurgischen Patienten. So ungefähr 3 Wochen habe ich dort gearbeitet, als mein Schulkollege Matthias mich um 8:00 Uhr aufsuchte. Ich war gerade damit beschäftigt das Frühstück zu verteilen, als er mich von der Tür aus rief. „ Kannst du mal kommen ? „ „ Augenblick, ich bin gleich da. „ Meiner Antwort folgte ein flehentlicheres :“ Komm´ doch mal !“ „ Ja gleich.“ Dann wurde seine Stimme noch flehender und ich sah ihm an, dass er auffallend blass war, wie er so in der Tür stand.

Ich bin hin und fragte ob im „ Schlecht „ sei, was er verneinte.

Wir sollen einen weg bringen, kam die Antwort. Bis dahin war ich noch sehr gefasst und erkannte auch keinen Grund für sein Verhalten. Aber als er dann sagte: „ Er ist tot „ , bin ich auch sehr blass geworden.
„ Warum denn wir ? „, fragte ich ganz irritiert. „ Weil wir das in Zukunft jetzt immer machen sollen „ , kam seine Rückantwort. Und so machten wir uns auf den Weg auf die entsprechende Station.

Vor der Tür wurden wir von einem älteren Pfleger erwartet, der bereits die Trage und entsprechendes Material mitgebracht hatte. Nach der Vorstellung (er war der damalige Op-Pfleger) wurde die Türe geöffnet und das erste was zu sehen war, war ein menschlicher Körper der mit einem Bettlaken abgedeckt war. Die anwesende Ordensschwester (ich habe in einem Ordenshaus gelernt) erzählte uns die Vorgeschichte. Besagter Patient war 34 Jahre alt, schweres Asthma in der Anamnese, hatte sich während eines Asthmaanfalls geweigert sich in das sogenannte Sauerstoffzelt legen zu lassen. Sie glaubte er wollte einfach nicht mehr Leben. Und so ist er während dieses Asthmaanfalls verstorben. Erstickt !
Ich habe bis heute noch nicht dieses blaue, aufgeschwollene Gesicht vergessen, mit diesen vorquellenden Augen und der tiefblauen Zunge, die viel zu groß für seinen Mund schien. Der ganze Körper war tief zyanotisch und natürlich mit Leichenflecken übersät.
Aber noch schlimmer empfand ich die Berührung, als wir ihn vom Bett auf die Trage legen wollten. In Erwartung einen Menschen anzufassen, habe ich durch die Handschuhe dieses kalte Fleisch gefühlt, dass so fest war, als ob es aus dem Kühlschrank käme. Und noch heute fühle ich die Kälte die bis in die Knochen zu fühlen war.
Wir haben ihn umgebettet und in den Keller gebracht. Auf den Weg dorthin fragte ich den Pfleger der uns unterwies, wie oft das so vorkäme.
Antwort: „ Ab 100 habe ich aufgehört zu zählen. „ Natürlich dachte ich , dass sagt er nur um uns Neuen zu ängstigen. Aber nach 6 Monaten hatte ich auch aufgehört zu zählen, weil wir Pfleger jeden Morgen alle Toten aus dem Krankenhaus abholen mussten.

Rückblickend muss ich sagen, es verfolgt mich nicht, ich leide nicht darunter oder habe andere Probleme damit. Aber ich weiß heute, dass die Unterweisung , was den Umgang mit dem Tod betrifft, damals nicht gut war und ich es heute sicherlich besser mache. Tod gehört zum Alltag im Krankenhaus und kann kein Tabuthema sein.

Hyronimus Rabenzahn

PS. Die männlichen Pflegekräfte bekamen damals vom Haus DM 2,50 für Kassenpatient und DM 4,00 für Privatpatienten bezahlt, als Aufwandsentschädigung für die Mehrarbeit. Das Geld kam in einem Topf und wurde am Monatsende geteilt. Ich habe von diesem Leichengeld nicht einmal etwas angenommen.
 
Hi,
ich kenne das auch aus einem Krankenhaus, dass die männlichen Pflegekräfte die Verstorbenen von der Station abholen und in einen extra Raum bringen.
Was mich ganz schön nachdenklich gemacht hat, ist das mit dem Leichengeld :? ,ganz schön krass !

So, hier kommt mein Beitrag für Leben und Tod im Krankenhaus, Umgang mit Sterbenden.

Ich war damals noch in der Ausbildung, 6. Semester, Intensivstation. Es war abzusehen, dass der Patient nicht mehr lange leben würde.
Ich hatte auf dieser Station auch eine Bezugsperson, leider kam ich mit dieser Frau nicht gut zurecht ! Aber das ist ein anderes Thema!
Gut, der Patient war also verstorben und wir wollten ihn versorgen, waschen, betten und was man noch so macht. Leider wusste ich nicht genau was ich machen sollte, mir war klar, dass die Zugänge/Tubus/Dauerkatheter oder so gezogen werden mussten, aber ich hatte bis dahin noch keinen Toten gesehen oder geschweige denn angefasst! Also stand ich wie ein Vollidiot vor dem Patienten und wusste nicht was ich machen sollte! Eine ganz blöde Situation für mich, meine Bezugsperson hatte mich in keinster Weise darauf vorbereitet und so konnte ich nichts anderes tun als nur so da zu stehen... ich fühlte mich sehr hilflos!
Ich glaube, in dem Augenblick hat Sie nicht gemerkt was in mir vorging, ich war überfordert mit der Situation. Sie schrie mich an, "Ich könnte doch wohl einen Dauerkatheter ziehen, das wäre doch nicht zuviel verlangt, oder ?" Ich habe das dann gemacht und noch andere Dinge, zum Schluss war ich glücklich als ich das Beatmungsgerät putzen durfte !

Es ist sehr viel falsch gelaufen in dieser Situation, für mich hat das einen bleibenden Eindruck hinterlassen und ich denke noch an diese Situation. Wenn ich heute daran zurück denke, glaube ich, dass diese Frau auch nicht mit dieser Situation zurecht gekommen ist!

Ich habe daraus gelernt und mache es anders... ich spreche die Situation durch und informiere meinen Schüler, wir reden darüber was wir machen und was passieren kann, so ist er vorbereitet und man kann sich darauf einstellen!
 

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