Ein kleiner tapferer Junge

Gaby

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07.04.2002
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Hallo,

möchte euch etwas erzählen, wo ich einmal wirklich sprachlos war.

Wir hatten ein Kind an der Station. (8 Jähriger Junge) Neurofibromatose, M. Reklinghausen, massive Skoliose - das Kind ging bei bestem Willen nicht zum Lagern, massive cerebrale Störungen, ernährt mit einer PEG-Sonde. Wiederholte Shuntoperationen, immer wiederkehrende Fibrome. Endstadium!Aufgenommen nach einer fraglichen Aspiration, - Lungenentzündung. Beginnende Beatmung und Intensivtherapie zur Abklährung. Auf Wunsch der Eltern abermalige Shuntoperation, die aber nichts gebracht hat. - Krämpfe!

Die Eltern haben ein zweites Kind, ein Mädchen mit 2 Jahren. Die Eltern mußten jeden Tag eine gute Stunde ins Krankenhaus fahren und sind immer zu zweit auf Besuch gekommen. Nach ein paar Tagen wurden die Mutter und die Kleine krank. (Infekt)

In einem Gespräch am Nachmittag hat mir der Papa (des Jungen) erzählt seine Frau und er sind zum erstem mal seit 3 Jahren gemeinsam auf einen Kaffee gegangen, da sonst seine Frau immer auf den Jungen aufpaßt. Sie hätten niemanden der sich um den Buben kümmert, die Pflege übernimmt immer seine Frau. Ein Krankenhaus hat ihnen einmal angeboten sich eine Woche um den Buben zu kümmern - damit sie einmal Zeit für sich und die Kleine hätten. Die Mutter hat es abgelehnt. Ich denke das ist auch verständlich, wenn man sich jahrelang um jemanden kümmert, dann kann man nicht einfach auf Urlaub fahren.

Nach einem sehr langen Gespräch konnte ich dann den Vater des Jungen überzeugen, dass sie Hilfe benötigen. Sei es auch nur für eine Stunde am Tag. Eine Stunde Zeit nur für die Kleine, eine Stunde spazierengehen, eine Stunde abspannen. Ich gab ihm sehr bewußt zu verstehen, daß ich seine Frau verstehe wenn sie es nicht schafft eine Woche Urlaub zu nehmen - sie aber eine Pause benötigt.

Ich habe ihn dann erkärt ich würde auch nie ohne meine Kinder auf Urlaub fahren, dennoch kann ich sie nicht immer überall mitnehmen. Das Gespräch wurde dann sehr persönlich. War für beide Seiten eine sehr nette, berührende Unterhaltung.

Am nächsten Tag habe ich den Buben dann wieder betreut. Am Nachmittag kam der Papa und gab mir 3 Überraschungseier - für meine Kinder. Er sagte sein Sohn, habe als es ihm noch besser ging immer ein Überraschungsei bekommen wenn mal wieder ein Arzttermin fällig war. Dabei ging es dem Buben immer um den Inhalt der Überraschungseier - er hat das gesammelt. Da er jetzt aber keine Überraschungseier mehr essen kann, möchte er diese Eier jetzt meinen Kindern schenken, als kleines Dankeschön für die Unterhaltung von gestern.

Ich stand da, war vollkommen sprachlos.

Am Abend zu Hause habe ich meinen Kindern dann von einem kleinen tapferen Jungen erzählt, der sehr krank ist. Ich erzählte ihnen von einem Papa, der mir diese 3 Eier geschenkt hat - für meine 3 Mäuse! Sie haben sehr wohl gemerkt, das dies eine besondere Bedeutung hat. Es ging meinen Kindern genauso wie dem kleinen Jungen nicht um die Schokolade, sondern den Inhalt der "Eier".

Der Kleine ist mittlerweile in einem anderen Krankenhaus gestorben, vergessen werde ich ihn nie!

Nachdenkliche Grüße aus Wien

Gaby
 
hi gaby,

puhh :cry:
das klingt wirklich schlimm. muss ganz schön hart sein, sowas mitzuerleben.
aber es passiert eben.

ich denke es ist wichtig solche leute (pat.) nicht zu vergessen

lg jo
 
Hallo Gaby,

bin tief traurig, wenn ich sowas lese.
Es hat für mich eine sehr große Bedeutung, ob ein Kind unheilbar erkrankt oder ältere Erwachsene.
Kinder haben das ganze Leben noch vor sich und können sooft nicht verstehen, was mit ihnen, in ihnen passiert.
:cry1:

Carmen
 
Hallo Jo,

das Kinder sterben ist Teil meines Jobs. Dieser Tatsache war ich mir völlig bewußt, als ich nach meiner Kinderpause wieder zurück an eine Kinderintensivstation gegangen bin. Kinderkrankenpflege hat leider nicht immer nur schöne Seiten. Ein Säuglingszimmer, würde aber auch nicht zu mir passen. Da gibt es wohl eher die schönen Erlebnisse - die Freude über ein Baby .....

Die Geschichte mit den Überraschungseiern hat mich deshalb so tief berührt, weil da jemand an meine Kinder gedacht hat.

Ich weiß jetzt nicht ob ich das richtig rüber bringe - da war ein kleiner Junge, dem ging es so schlecht. Allen war klar, lange wird er es nicht mehr schaffen. So tapfer er auch gekämpft hat. Mit jedem Tag ging es dem Kleinen schlechter. Die Mama des Jungen wurde krank, die Tochter ebenfalls. Ein an sich harmloser Infekt, aber Grund genug um im Bett bleiben zu müssen. Dann habe ich mich mit dem Papa unterhalten. Über mehrer Tage immer wieder. Irgendwie habe ich eine Gesprächsbasis aufgebaut. Eine sehr persönliche Basis. Das gelingt einem nicht bei jeden Patienten. Viele machen in solchen Situationen dann zu. Ich lasse mich auch gerne auf solche Gespräche ein. Manchesmal gelingt es mir, manchesmal treffe ich den richtigen Punkt, den richtigen Ton .... und dann erfährt man oft unheimlich viel. Manchesmal auch mehr, als einem lieb ist. Sicher ist es schön, wenn Eltern nach einem fragen - es kann aber auch genauso belastend sein. Wenn du wochenlang, monatelang ein Kind betreust - von dem du genau weißt das schafft es nicht.

So jetzt bin ich von Thema abgekommen. Für mich war es so überraschend dass der Vater an meine Kinder gedacht hat, die ich im Laufe des Gespräches erwähnt hatte - obwohl es seinem Sohn so schlecht ging. Da geht jemand für meine Kinder Überraschungseier kaufen - obwohl der Sohn im Krankenhaus, und die Frau und Tochter zu Hause krank im Bett lagen. Ich war einfach sprachlos! Das kennt wohl jeder, den Knoten im Hals, die immer feuchter werdenden Augen .....

@ carmen, ich verstehe was du meinst.

Jedoch sterbende, schwerkranke Kinder wissen genau was mit ihnen geschieht. Die können dich unheimlich verplüffen! - Ich denke da in erster Linie an Tumor- oder chronisch kranke Kinder. (vor allem ein wenig ältere Kinder) Da gibt es die Eltern die nicht loslassen können - und die Kinder die dann ihren Herzstillstand haben wenn die Eltern gerade das Zimmer verlassen. Ich gebe dir vollkommen Recht, das Sterben eines Kindes wird ganz anders empfunden als das Sterben eines älteren Erwachsenen.

Wie immer liebe Grüße aus Wien

Gaby
 
Hallo Gaby,

es ist mir völlig klar, dass es für so manches Kind, was so sehr krank ist, oftmals die pure Erlösung ist zu sterben.
Und die Kleinen verblüffen sicher oft, mit dem, wie sie mit der Erkrankung umgehen und auch mit der Tatsache, sterben zu müssen.
Auch kann ich mir vorstellen, dass es die Eltern sind, die dem Kind manchmal das Sterben sehr schwer machen, indem sie den absehbaren Tod des Kindes nicht akzeptieren können. Das ist ganz sicher ein unwahrscheinlich schwerer Weg für die Eltern, ihr Kind hergeben zu müssen und das für immer.
Umso mehr beeindruckte mich in Deinem Bericht, dass Du für Deine Kinder die Überraschungseier bekamst, ich hab beim Lesen geheult, wie ein Schloßhund.
Und ich kann immer nur wieder erklären, Hut ab vor den Kolleginnen, die auf einer Kinderintensiv,- oder kinderkrebsstation ihren Dienst machen, mich würde es, wie bereits geschrieben, völlig überfordern und zwar aus emotionaler Sicht.

Carmen
 
Hallo Carmen,

eine Begleitung der Eltern auf der Intensivstation, so wie in diesem Beitrag beschrieben klappt nicht immer so wie in diesem Fall. Es ist mir nicht immer möglich, so auf die Eltern einzugehen. Zu manchen Eltern bekommt man einfach keinen Draht. Manchesmal schafft man es auch von sich aus nicht und manchesmal kann man es einfach nicht. Wenn z.B. viele schwer kranke Kinder an der Station sind und wir innerhalb kürzester Zeit mehrere sterbende Kinder haben. Da liegt es dann aber auch an einem selbst, für eine Pause zu sorgen. Ich betreue wenn ich das Gefühl habe eine Pause zu benötigen - halt zwischendurch ein Kind dem es besser geht. Bzw. lasse mich nicht auf so tiefe Gespräche mit den Eltern ein. Wir sind viele Leute im Team, dann übernimmt es halt ein anderer!

Ein schönes Wochenende, liebe Grüße aus Wien

Gaby
 
Hallo Gaby,
es gibt halt immer Leute, zu denen hat man einen besseren oder schlechteren Draht. Da gibt es keine Unterschiede, ob man mit Kindern oder Erwachsenen als Pat. arbeitet.
Unsere Öse reagiert auch immer sofort, in Form von Gesprächsangeboten oder einem freien Tag dazwischen geschoben, wenn sie sieht oder von dem Betreffenden erzählt bekommt, dass man gerade nicht mehr kann oder einem alles zuviel ist.
Das ist total okay. Auf manch anderen Stationen läuft das nicht so einvernehmend ab. Leider.

Carmen
 
Guten Tag Zusammen !
Habe gestern einen Patienten bekommen mit Neurofibromatose Typ 1.
Sowas hatte ich in 30 Jahren noch nicht gesehen.
Befallen ist die untere Rückenpartie beidseits der Wirbelsäule.
Hautfalten reinigen,trocknen und Salbe auftragen.
Der Patient wird auch vom UKE Hamburg mitversorgt.
Gruß Philly
 

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