„Jeder fünfte Arztbesuch ist überflüssig“
Nur fürs Attest in die Praxis: Arbeitnehmer werden länger krankgeschrieben als nötig
Von Inka Burow
Hannover. Voriges Jahr sind 167 000 Niedersachsen zum Arzt gegangen, ohne medizinische Hilfe zu benötigen. Sie brauchten lediglich eine Krankschreibung, weil ihr Arbeitgeber bereits am ersten Krankheitstag einen „gelben Schein“ sehen wollte – obwohl Arbeitnehmer laut Gesetz erst vom vierten Krankheitstag an ein Attest vorlegen müssen. „Jeder fünfte Arztbesuch wegen einer Bagatellerkrankung ist überflüssig“, sagt Desirée Niemann vom Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung. Bundesweit liege die Zahl der „rein attestbedingten“ Arztbesuche bei 1,7 Millionen.
Niedersächsische Bürger fehlten im vergangenen Jahr nicht öfter oder länger bei der Arbeit als der Bundesdurchschnitt. Das geht aus dem sechsten Gesundheitsreport für Niedersachsen hervor, den die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) gestern in Hannover vorgestellt hat. Das Berliner Forschungsinstitut hat die Studie erstellt. Danach waren 2003 an jedem Tag 34 von 1000 Arbeitnehmern in Niedersachsen krankgeschrieben. Der Krankenstand blieb damit unverändert niedrig. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer war voriges Jahr keinen einzigen Tag „arbeitsunfähig“; 46 Prozent war zumindest einen Tag krankgeschrieben.
Zwei von fünf Krankschreibungen galten für so genannte Kurzzeiterkrankungen, also für ein bis drei Tage. Auffällig ist dabei: In Niedersachsen wurden 25 Prozent mehr Beschäftigte wegen einer Magen-Darm-Erkrankung krankgeschrieben als im Bundesdurchschnitt. Und bei Rückenschmerzen lagen die Niedersachsen mit 19 Prozent über der bundesweiten Quote.
In einer repräsentativen Umfrage hat die DAK herausgefunden, dass neun von zehn Beschäftigten auch krank zur Arbeit gehen, weil sie Angst haben um ihren Arbeitsplatz. Marita Rosenow vom ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen hat deshalb Unternehmen und Behörden aufgefordert, mehr Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu übernehmen. Im Gesundheitswesen wird nach Ansicht der Gewerkschafterin zu wenig Geld ausgegeben, um Krankheiten vorzubeugen.
„Die wirksamste Vorbeugung gegen Kurzzeiterkrankungen sind gute Arbeitsbedingungen, Mitsprachemöglichkeiten für die Beschäftigten und ein gutes Betriebsklima“, sagte DAK-Landesgeschäftsführer Alfred Semen. Seit der Einführung der Praxisgebühr zum Jahresanfang sei die Zahl derjenigen, die sich krank zur Arbeit schleppen, noch gestiegen, fügte er hinzu. Das liege daran, dass jeder dritte Beschäftigte hier zu Lande seinem Chef schon am ersten Krankheitstag ein Attest vorlegen müsse.
Dass dies nicht unbedingt im Sinne des Arbeitgebers sein muss, beweist ein weiteres Ergebnis der DAK-Umfrage: Immerhin 37 Prozent der Befragten sagen nämlich, dass es oft vorkomme, dass Beschäftigte vom Arzt länger als nötig krankgeschrieben werden. Viele Ärzte würden grundsätzlich bis zum Wochenende ein Attest ausstellen – egal, ob der Patient am Montag oder Mittwoch kommt.
Quelle: HAZ 11.06.2004
Nur fürs Attest in die Praxis: Arbeitnehmer werden länger krankgeschrieben als nötig
Von Inka Burow
Hannover. Voriges Jahr sind 167 000 Niedersachsen zum Arzt gegangen, ohne medizinische Hilfe zu benötigen. Sie brauchten lediglich eine Krankschreibung, weil ihr Arbeitgeber bereits am ersten Krankheitstag einen „gelben Schein“ sehen wollte – obwohl Arbeitnehmer laut Gesetz erst vom vierten Krankheitstag an ein Attest vorlegen müssen. „Jeder fünfte Arztbesuch wegen einer Bagatellerkrankung ist überflüssig“, sagt Desirée Niemann vom Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung. Bundesweit liege die Zahl der „rein attestbedingten“ Arztbesuche bei 1,7 Millionen.
Niedersächsische Bürger fehlten im vergangenen Jahr nicht öfter oder länger bei der Arbeit als der Bundesdurchschnitt. Das geht aus dem sechsten Gesundheitsreport für Niedersachsen hervor, den die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) gestern in Hannover vorgestellt hat. Das Berliner Forschungsinstitut hat die Studie erstellt. Danach waren 2003 an jedem Tag 34 von 1000 Arbeitnehmern in Niedersachsen krankgeschrieben. Der Krankenstand blieb damit unverändert niedrig. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer war voriges Jahr keinen einzigen Tag „arbeitsunfähig“; 46 Prozent war zumindest einen Tag krankgeschrieben.
Zwei von fünf Krankschreibungen galten für so genannte Kurzzeiterkrankungen, also für ein bis drei Tage. Auffällig ist dabei: In Niedersachsen wurden 25 Prozent mehr Beschäftigte wegen einer Magen-Darm-Erkrankung krankgeschrieben als im Bundesdurchschnitt. Und bei Rückenschmerzen lagen die Niedersachsen mit 19 Prozent über der bundesweiten Quote.
In einer repräsentativen Umfrage hat die DAK herausgefunden, dass neun von zehn Beschäftigten auch krank zur Arbeit gehen, weil sie Angst haben um ihren Arbeitsplatz. Marita Rosenow vom ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen hat deshalb Unternehmen und Behörden aufgefordert, mehr Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu übernehmen. Im Gesundheitswesen wird nach Ansicht der Gewerkschafterin zu wenig Geld ausgegeben, um Krankheiten vorzubeugen.
„Die wirksamste Vorbeugung gegen Kurzzeiterkrankungen sind gute Arbeitsbedingungen, Mitsprachemöglichkeiten für die Beschäftigten und ein gutes Betriebsklima“, sagte DAK-Landesgeschäftsführer Alfred Semen. Seit der Einführung der Praxisgebühr zum Jahresanfang sei die Zahl derjenigen, die sich krank zur Arbeit schleppen, noch gestiegen, fügte er hinzu. Das liege daran, dass jeder dritte Beschäftigte hier zu Lande seinem Chef schon am ersten Krankheitstag ein Attest vorlegen müsse.
Dass dies nicht unbedingt im Sinne des Arbeitgebers sein muss, beweist ein weiteres Ergebnis der DAK-Umfrage: Immerhin 37 Prozent der Befragten sagen nämlich, dass es oft vorkomme, dass Beschäftigte vom Arzt länger als nötig krankgeschrieben werden. Viele Ärzte würden grundsätzlich bis zum Wochenende ein Attest ausstellen – egal, ob der Patient am Montag oder Mittwoch kommt.
Quelle: HAZ 11.06.2004