Amoklauf eines Patienten

hennerle

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Hallo Ihr da draussen,
ich hab in der Karfreitagnacht 2006 den schlimmsten Dienst meine Lebens gehabt und wollte fragen ,ob mir jemand helfen kann , dieses Ereignis zu verarbeiten bzw wie mit solchen Ereignissen in anderen Häusern auch von Arbeitgeberseite umgegangen wird.

Ich arbeite seit fast 10 Jahren auf einer chir. Wachstation in einer Herzklinik. Durchgängige Patienten sind nichts aussergewöhnliches.Doch am letzten Freitag war alles ausser Kontrolle. Ein Pat. der im SD schon aggressiv aufgefallen war,wurde von ca 5-darunter mind zwei großen kräftigen Plegern - Personalen überwältigt und fixiert.Er erhielt 8 mg Diecepam i.v. Danach war er soweit ruhiggestellt.

Unmittelbar nach der Dienstübergabe hörte ich einen Schrei einer Schwester, ließ aufs Höchste alarmiert alles fallen und rannte zur Hilfe.Ich sah einen Pat (diesen genannten)neben seinem Bett stehen und auf die Schwester einschlagen.Als ich ins Zimmer eilen wollte, kam mir die Schwester angsterfüllt entgegengerannt und der Pat hinter ihr.Ich war von einer panischen Angst ergriffen und brachte mich nur noch in Sicherheit.Als der Pat. merkte , dass keine Schwester mehr in seiner Nähe war, ergriff er einen Rollhocker und zerschlug eine Fensterscheibe.Geistesgegenwärtig hielt ihn eine Schwester unter Auferbietung aller Kräfte vom Aussteigen und Springen ab.Zu viert gelang es, den Pat aus dem Zimmer zu ziehen.
Ich alarmierte benachbarte Stationen und bat um männl. Verstärkung.Es kam umgehend Hilfe.

Dabei war ein Arzt,der russisch sprach. Wie ich erst da bemerkte, war der Pat ein russischer Staatsbürger. Der Arzt redete auf den Pat ein. Wir holten ein neues Bett und warteten auf eine Anordnung,für eine Notfallmed.(Faustan o.ä.) und einen Wink für eine Überwältigung des Pat. Nichts der gleichen geschah.Der Arzt unterhielt sich mit dem Pat ganz ruhig, ließ das neue Bett ins Zimmer bringen und schickte sämtliche Personale aus dem Zimmer,um dem Pat keinen Grund zu einen Angsthandlung zu geben.
Beide saßen auf dem neuen Bett im Zimmer.Der Pat auf der Seite zum eingeschlagenen Fenster.In einen kurzen Augenblick der Unaufmerksamkeit des Arztes sprang der Pat durch die zerschlagene Scheibe auf ein Vordach,weder Arzt noch ein herzugesprungener Pfleger konnten den Mann halten und sämtliches Personal mußte mit anschauen, wie der Mann sprang.Da sich unsere Station in der untersten Etage unserer Klinik befindet, hat es der Pat mit schwersten Knochenbrüchen überlebt.

Mein Problem ist nicht die Situation des gesprungenen Patienten. Das oblag nicht meiner Kompetenz, ihn zurückzuhalten.
Ich habe große Angst , dass sich eine solche Situation wiederholt. Der Pat. war sediert und vor allem an Händen UND Beinen fixiert. Trotzdem konnte er nicht gebändigt werden.
Das macht mir ANGST. Erwähnen möchte ich noch, dass sich die Szene nicht in einem Einzelzimmer abspielte, sondern, dass noch drei frischoperierte Patienten alles live miterlebten und dem Ganzen hilflos ausgeliefert waren. Das hat mir im Nachhinein große Gewissensbisse gemacht, da ich nicht dazu in der Lage war , diese Menschen zu schützen,sondern nur wie gelähmt mich in Sicherheit gebracht habe und Todesangst hatte.
Dazu kommt, dass unser Abteilungleiter, der am Morgen danach Dienst hatte , sich weder nach unserem Befinden erkundigt hat, noch uns sofort nach der Übergabe entlassen hat.Es kam keine Geste des Mitfühlens.Des weiteren trat das komplette Team gestern wieder zum Nachtdienst an - auch ich. Obwohl ich ständig in Tränen ausbrach und Herzrasen hatte. Die ersten Std meines gestrigen Nachtdienstes waren die Hölle. Und ich hab noch immer dieses Bild vor Augen wie dieser Pat mit erhobenem Hocker losrennt und dann kommt wieder das Gefühl dieser grenzenlosen Angst und Hilflosigkeit....
 
Ich glaube, mit diesem Problem bist du hier komplett falsch.
Extrem belastende Situationen können ein Trauma verursachen. Kurzfristig, aber auch langfristig. Dazu gehören Dinge wie Angstzustände, Panikattacken etc.
Ich würde dir raten, professionelle Hilfe einzuholen. Entweder über den Arbeitgeber, der imho eine moralische Verpflichtung dazu hat (rechtlich weiß ich das leider nicht), oder wenn der nicht will oder kann, dann eben selber drum kümmern.
Wenn du alles kurzfristig verarbeiten kannst und vielleicht sogar auf solche Hilfe hättest verzichten können: um so besser!
Aber was ist, wenn nicht?
Ich wünsch dir alles gute.
Und das solch ein Erlebnis in seiner Art einmalig bleibt.
Lieben Gruß,
Philipp
 
hmmmmmm . . . . hmmmmmm . . . .

ich bin sprachlos 8O

so was krasses (entschuldigt den ausdruck) hab ich bisher noch nicht erlebt.

Ich finde es schwierig zu dieser Situation etwas angebrachtes zu sagen.
nur dies
Das macht mir ANGST.
Ich persönlich würde mir in die Hose machen vor Angst.

Ich kann mich Phillip nur anschliessen.
Professionelle Hilfe evtl. mit allen die an diesem Abend dabei waren. Situation nochmals durchbesprechen . . . .

Ich wünsche dir und allen, die an diesem Abend gearbeitet haben viel Kraft beim Verarbeiten.:lovelove:

cheers Angus
 
Hallo
Bis auf den Sprung aus dem Fenster, sind mir solche Situationen nur allzu bekannt. Hauptsächlich von Patienten die wegen einer internen Erkrankung auf meine Station kommen und ihren Alkoholkonsum verschweigen und dann in den Entzug rutschen. Da ich im Nachtdienst alleine bin, mir im Notfall zwar Hilfe rufen kann, das aber dauert, habe ich vor Jahren einen Selbstverteidigungskurs besucht, außerdem betreibe ich Kampfsport.Das vermittelt mir, ein Gefühl der Sicherheit und hat mir in einigen Fällen schon sehr geholfen.Seit Jahren besuche ich jede Fortbildung die mit Gefahren zu tun haben die von Patienten ausgehen, Gewaltprävention etc.
Was ich Dir als Sofortmaßnahme empfehlen kann ist eine Krisenintervention bei einem Psychologen. Du hast mit ziemlicher Sicherheit ein Trauma, das nicht verdrängt werden darf, sonst wirst Du lange Zeit mit einem unguten Gefühl in die Arbeit gehen. Versuche auch auf Station diesen Vorgang zu thematisieren.
Sprich mit den anderen Mitarbeitern die diese Situation miterlebt haben. Versucht zusammen mit dem ganzen Team eine Supervision mit einem ausgebildeten Supervisor.
Und mache Dir klar, daß Deine Reaktion völlig normal war. Versuche für Dich machbare Wege zu finden die es Dir ermöglichen bei einer ähnlichen Situation (die hoffentlich nie mehr eintritt) nicht mehr hilflos zu sein, Dich nicht mehr hilflos zu fühlen.
Halt die Ohren steif und alles Gute
Alesig
 
Hallo,
ich habe vor kurzen eine 2-tägige Anti Gewalt Fortbildung für Pflegepersonal mitgemacht und war total begeistert. Man lernte dort mit speziellen Gesprächstechniken aufgebrachte Pat. zu beruhigen, aber auch wie man sich mit gezielter Selbstverteidigung im Notfall wehren kann (auch wenn man eine nicht sehr kräftige Schwester ist). Vielleicht wird diese Fortbildung auch mal bei euch angeboten. Kann nur von uns sagen das mehr Anmeldungen waren als Plätze, daher wird jetzt nochmal die Fortbildung angeboten. Bei interesse kann ich dir gerne mal die Adresse des Dozenten sagen.
 
Hallo hennerle,

das ist wirklich eine sehr schlimme und eindrucksvolle Geschichte die dir wiederfahren ist.
Keine Frage, am besten bist du mit professioneller Hilfe bedient.
Ausserdem denke ich, dass du dir im Moment überlegen musst, ob du wirklich arbeitsfähig bist! Wenn deine Gedanken so sehr an der nacht hängen und du eventuell unkonzentriert bei der Arbeit bist und tagsüber wenig oder keinen Schlaf findest dann bist du einfach im Moment "krank" zu schreiben!
Dass deine Leitung (PDL oder Stationsleitung) dass Thema trotz Dienstes nicht thematisiert finde echt schlecht. Wenn du Kraft genug hast, würde ich es Ihr auch sagen. Für mich gehört der Umgang bei Krisensituation zu meinen Leitungsaufgaben und eine Mitarbeiterbetreuung und -fürsorge gehört einfach dazu.
Um in Zukunft besser vorbereitet zu sein gäbe es viele Möglichkeiten. Allerdings keine, die du mal eben in ein zwei Tagen in der Tasche hast nd anwenden kannst. Erstmal sollte erste Priorität deine psychologische Wiederherstellung sein. Als nächstes sollte das Thema auf Ststion vielleicht auch interdisziplinär versucht werden aufzuarbeiten, um zu analysieren, was ist alles richtig gelaufen?, Was ist schlecht gelaufen? Hätte die situation auch auf anderem Wege gelöst werden können, oder eben nicht?etc.

Und dann kann man mal nachfragen, ob es Deeskalationsrichlinien im Hause gibt. Oder entsprechende Gewaltpräventionen? Fortbildung zum Thema Krisenmanagement und Gewalt?

Wichtig ist erstmal das DU wieder fit wirst. Lass dich Krank schreiben, wenn du meinst es geht nicht mehr, dass wird dir niemand übel nehmen und scuhe dir nen Psychologen, dazu sind die Menschen da und können oft sehr schnell und gut helfen. Dass ist auch nix schlimmes und heutzutage völlig normal, dass man mal so ne Hilfe in Anspruch nimmt.
Danach wirst du schon selber wissen, was du brauchst (vielleicht zu Selbstbewusstseinstärkung eine Selbstverteidigung erlernen?)
Alles Gute und viel erfolg bei der Bewältigung
 

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