Abschied nehmen

Silvana

Senior-Mitglied
Registriert
04.02.2002
Beiträge
151
Ort
München
Beruf
Krankenschwester
Akt. Einsatzbereich
ZNA
Funktion
Praxisanleiterin, Krankenschwester für Notfallpflege
Auf unserer Station lag ein 79jähriger Patient,der seit fast 16 Jahren an Leukämie litt.
Es ging ihm nicht wirklich gut,aber er war ein Kämpfer.Egal,wie schlecht er sich fühlte,er wollte nich im Bett gewaschen werde,sondern immer ans Waschbecken.Auch wenn er danach vor Erschöpfung fast immer sofort einschlief.Er sprach ständig von seinem bevorstehenden achzigsten Geburtstag,den er groß mit seiner Familie feiern wollte.Seine Frau,mit der er seit sechzig Jahren verheiratet war,wich kaum von seiner Seite.
Als es ihm zunehmend schlechter ging,stellten wir seiner Frau das zweite Bett in seinem Zimmer zur Verfügung,damit sie auch nachts bei ihm bleiben konnte.
Zu der Zeit begann ich mit meinen Nachtwachen.Ich merkte,daß diese nette Frau kaum mit dem Gesundheitszustand ihres Mannes fertig wurde.
Irgendwann antwortete sie auf meine Frage,wie es ihr ginge,daß ihr Mann sterben würde und sie das nicht ertragen könne.
Sie fing an zu weinen,und ich bat sie in unsere Stationsküche,wo sie mir bei einer Tasse Tee von dem Leben mit ihrem Mann erzählte.
Es wurde fast schon zum Ritual,daß sie in dieser kleinen Küche saß und mir ihr Herz ausschüttete.
Als ich in meiner voerst letzten Nacht war,wurde ich sofort in das Zimmer gerufen.Außer der Ehefrau des Patienten waren auch Tochter und Schwiegersohn anwesend.Die Tochter sagte mir,daß ihr Vater so komisch atmete.Ich sagte im leisen Ton,daß es jetzt soweit wäre,Abschied zu nehmen.Als ich das Zimmer verlassen wollte,bat die Ehefrau mich zu bleiben.Und so mußte ich nach wenigen Minuten mitteilen,daß ihr Mann nun verstorben sei.Alle drei brachen regelrecht zusammen,und auch mir standen die Tränen in den Augen.
Die Ehefrau nahm mich ganz fest in den Arm und bedankte sich für alles.
Nachdem der Doktor den Tod festgestellt hatte,verließ die Familie den Verstorbenen,und ich begann mit der Versorgung.Dabei sprach ich mit ihm,erklärte ihm,was ich tat und trug ihm auf,meine Großeltern zu grüßen,wenn er sie denn im Himmel träfe.
Ich war so im "Gespräch" vertieft,daß ich nicht bemerkt hatte,daß die Ehefrau nochmal zurückgekehrt war.
Wir setzten uns ein letztes Mal in "unsere" Küche und sie sagte zu mir,daß sie in den letzten Tagen immer gehofft hatte,daß ihr Mann stirbt,wenn ich da bin.
Dafür danke ich ihr! :cry:
 
Hallo Silvana,

ich kann deinem Bericht nur hinzufügen, dass sich zwischen dem Patienten, der Ehefrau und Dir eine Beziehung aufgebaut hat, die wohl nur wenige von uns erfahren dürfen.
Für die Frau warst Du nicht nur Krankenschwester sondern auch Freundin und Verbündete. Für den Patienten ein guter Grund am Leben festzuhalten bist Du wieder da bist. Dann konnte er beruhigt einschlafen.

Dein Bericht gefällt mir sehr gut und ich hoffe Du kannst aus diesem Erlebnis viel mitnehmen.
 
:cry: Hallo Silvana,


eigentlich bin ich ein sehr humorvolles und aufgewecktes "Mädchen". Doch es gibt Momente, so wie beim Lesen Deines Erlebnisses, da werde ich ganz still und leise.
Bewahre Dir Deine Einstellung im Umgang mit Sterbenden und deren Angehörigen, weil sie richtig ist.
In unserem Beruf ist es manchmal unumgänglich, dass man weit über seine eigenen Grenzen gehen muß, um Anderen helfen zu können oder/und Trost/Beistand zu geben.
Als ich das 1. Mal meinen Dienst auf einer onkologischen Stat. aufnahm und fast tägl. mit dem Sterben und Tod von Pat. konfrontiert war, hatte ich das Empfinden, es nicht durchstehen zu können. Ich hatte, nachdem ich 4 Monate Dienst auf dieser Stat. machte, einen großen Fehler für mich selber bei einer sehr jungen Pat., welche ich fast ausschließlich betreute und natürlich pflegte, gemacht.
Weil mir die Erfahrung auf diesem Gebiet fehlte, ließ ich mich zu sehr von dieser Pat., ihrem langsamen Dahinsterben und dem eingetretenem Tod, emotional einbinden.
Meine damalige Öse erkannte mein Problem und handelte, als die Pat. verstorben war. Sie meldete mich als festes Mitglied bei unseren Supervisionen an und genau dort konnte ich mir Alles von der Seele reden, was mich vorher fast verstummen ließ. Der Supervisor und fast alle Stat.Mitglieder gaben mir Tips und Hinweise, standen mir mit Rat und Tat zur Seite und fanden, dass ich eine gute Onko-Sr werde.
Den Fehler, welchen ich damals für mich beging war, dass ich ein Stückchen mit dieser o.g. Pat. mit gestorben war, so hatte ich jedenfalls das Empfinden und wußte nicht, wie ich das wieder rückgängig machen konnte, bis die Supervision eine erlösende und überraschende Wendung für mich brachte.
Während der Supervision stellte sich heraus, dass keine Sr von dieser Stat. noch nicht so ein Empfinden hatte und auch erst durch Supervisionen oder andere Gespräche, Sichtung und Abbau des Problems erhielt.
Nun habe ich ein paar Jahre Onko-Erfahrung und das Problem stellte sich nicht wieder für mich. Nun kann ich damit umgehen, manchmal auch mit vielen Tränen, die man auch zulassen sollte, um dann wieder zufrieden und froh weiter arbeiten zu können.

Carmen
 

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