News Gesundheitsreform findet inhaltlich nicht statt – stattdessen wird die Abgabenlast erhöht

flexi

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Neuss, den 23.09.2010

Pressemitteilung

Gesundheitsreform findet inhaltlich nicht statt – stattdessen wird die Abgabenlast erhöht


Der Beschluss der Bundesregierung vom 22.09.2010 zu einer Finanzreform der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geht an den Bedürfnissen der Versicherten (Patienten und pflegebedürftige Menschen) komplett vorbei und darf in dieser Form nicht Gesetz werden.

Dazu erklärt Werner Schell als Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk:

Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
hält grundsätzlich eine Gesundheitsreform für dringend geboten. Allein auf eine Finanzreform zu setzen, die im Wesentlichen auf eine Erhöhung der Abgabenlast setzt, kann aber nicht akzeptiert werden.

Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
erwartet von einer Gesundheitsreform in erster Linie strukturelle Veränderungen in den verschiedenen Versorgungsbereichen. Insoweit wird vor allem als notwendig erachtet, dass den Wünschen und Bedürfnissen der Patienten und pflegebedürftigen Menschen folgend, in allen Bereichen der Gesundheits- und Pflegesysyteme eine gelebte menschenwürdige Versorgung und Pflege vorzufinden, Rechnung getragen wird. Daher sind vordringlich Maßnahmen zum Abbau des Pflegekräftemangels und – endlich - zum Ausbau der sprechenden Medizin überfällig. Statt weiterer Technisierung des Systems und Überversorgung mit Arzneimitteln muss auf mehr menschliche Zuwendung gesetzt werden. Das seit Jahren vorherrschende Konzept „Ökonomisierung und Wettbewerb“ darf nicht weiter das Hauptanliegen der reformerischen Entscheidungsprozesse sein.

Das von der Bundesregierung beschlossene Finanzierungskonzept wird zwar möglicherweise kurzfristig die Kassen der Krankenkassen auffüllen helfen, aber im Rahmen der verordneten Sparauflagen auch neue Löcher in der Patientenversorgung reißen. Soweit nämlich die Krankenhausfinanzierung betroffen ist, werden die jetzt vorgesehenen Regelungen zu weiteren Einsparungen führen müssen. Und diese Einsparungen waren nach der Praxis der vergangenen 10 Jahre, in denen bereits mindestens rd. 50.000 Stellen für Pflegekräfte abgebaut worden sind, zu weiteren Stellenreduzierungen im Pflegebereich führen. Der bereits existierende Pflegenotstand wird sich drastisch verschärfen.

Eine Gesundheitsreform, die diesen Namen verdient, muss daher vorrangig den Pflegenotstand angehen und in diesem Zusammenhang ein bundeseinheitliches Personalbemessungssystem schaffen. Damit wäre eine nachvollziehbare Bewertung der gebotenen Stellenausstattungen für die Pflege gegeben. Wegen der Dringlichkeit solcher Maßnahmen wird von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk erneut eine Ausbildungs- und Einstellungsoffensive für die Pflege gefordert. Das wäre endlich einmal ein „Rettungsschirm“, der von keiner Seite kritisiert werden kann und den hilfe- und pflegebedürftigen Menschen unmittelbar zugute käme.

Die konsequente menschenwürdige Gestaltung unserer Gesundheits- und Pflegesysteme hat natürlich ihren Preis und wird auch finanzwirtschaftliche Erwägungen nicht entbehrlich machen. Aber bevor einfach die Versicherten zu höheren Abgaben herangezogen werden, müssen erst einmal strukturelle Maßnahmen ergriffen werden, die ein erhebliches Einsparpotential beinhalten. Es gibt in einigen Bereichen des Gesundheitssystems Überkapazitäten und falsche Anreize für Dienstleistungen, die ohne Nachteile für die Versicherten zurückgeführt werden können. Solche Zurückführungen können sogar mit Rücksicht auf eine Minderung von „Risiken und Nebenwirkungen“ mehr als hilfreich sein. Es gibt aber auch klare Mangelsituationen, die nach systemischen Korrekturen verlangen (z.B. fehlende pflegerische Versorgung nach Krankenhausaufenthalten, mangelhafte fachärztliche Versorgung in Pflegeeinrichtungen, weiterhin Unterversorgungen in der Palliativversorgung und Hospizarbeit).

Die im Bund und den Ländern politisch Verantwortlichen werden von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk aufgefordert, für die notwendigen strukturellen Veränderungen in den Gesundheits- und Pflegesystemen einzutreten und nicht zuzulassen, dass allein auf die „Finanzierungskarte“ gesetzt wird.

Der bundesweit ausgerichtete Neusser Pflegetreff am 16.11.2010 wird die „Gesundheitsreform“ thematisieren!


Werner Schell
,
Dozent für Pflegerecht und Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk

+++
Die vorstehende Pressemitteilung ist zur Veröffentlichung frei!
 
...Insoweit wird vor allem als notwendig erachtet, dass den Wünschen und Bedürfnissen der Patienten und pflegebedürftigen Menschen folgend, in allen Bereichen der Gesundheits- und Pflegesysyteme eine gelebte menschenwürdige Versorgung und Pflege vorzufinden, Rechnung getragen wird...
Das seit Jahren vorherrschende Konzept „Ökonomisierung und Wettbewerb“ darf nicht weiter das Hauptanliegen der reformerischen Entscheidungsprozesse sein.
So ist es! Die Situation in der Pflege ist bereits dramatisch genug, doch erschreckenderweise wird es noch schlimmer wenn nicht endlich was passiert!
Der Stress und die hohe Belastung des Pflegepersonals sind das eine ABER:
DIE BEREITS TÄGLICH VORKOMMENDE MANGELVERSORGUNG DER PFLEGEBEDÜRFTIGEN PATIENTEN IST NICHT WEITER TRAGBAR UND HAT MIT MENSCHENWÜRDE NICHTS MEHR ZU TUN!

DIE VERANTWORTLICHEN DIESER MISERE SIND GEWISSENLOS UND SOLLTEN BESSER FÜR SICH HOFFEN, DASS SIE NICHT SELBST EINES TAGES PFLEGEBEDÜRFTIG WERDEN! :angryfire:
 
Wenn es eine Mangelversorgung gibt, dann muss es ja eine korrekte Versorgung geben. Wie sieht die aus, woran wird das festgemacht und ist sie bezahlbar?

Wenn ich den Bürger schon dazu bringen will, dass er sich einbringt, dann sollte ich ihm auch reinen Wein einschenken. Eine Rund-um-Versorgung gibts nun mal net zum Nulltarif.

Oder gehts hier nur um das übliche Gejammere, wie schlecht doch alles ist?

Elisabeth
 
Steht doch oben:
Die konsequente menschenwürdige Gestaltung unserer Gesundheits- und Pflegesysteme hat natürlich ihren Preis und wird auch finanzwirtschaftliche Erwägungen nicht entbehrlich machen. Aber bevor einfach die Versicherten zu höheren Abgaben herangezogen werden, müssen erst einmal strukturelle Maßnahmen ergriffen werden, die ein erhebliches Einsparpotential beinhalten. Es gibt in einigen Bereichen des Gesundheitssystems Überkapazitäten und falsche Anreize für Dienstleistungen, die ohne Nachteile für die Versicherten zurückgeführt werden können.
 
85 Jahre und kein neues Hüftgelenk?Bayerische Ärzte diskutieren über Medizin, die Patienten nach Rangfolge behandelt -

19.10. 07:13 Uhr
FÜRTH - Bekommt die 85 Jahre alte Dame noch ein neues Hüftgelenk? Oder wird man ihr in Zukunft sagen, dass in ihrem Alter dafür leider die Mittel der Krankenversicherung nicht mehr reichen? Der bayerische Ärztetag hat sich in Fürth mit dem ethisch hochexplosiven Thema der Priorisierung beschäftigt.


Operationen nur noch nach dem Prinzip der Priorisierung? Darüber diskutierten Ärzte in Fürth.
Foto: dpa Operationen nur noch nach dem Prinzip der Priorisierung? Darüber diskutierten Ärzte in Fürth. Foto: dpa schließen
Max Kaplan spart nicht mit Kritik: „Unfair, unmoralisch und undemokratisch“, sei das, schimpft der Präsident der Bayerischen Ärztekammer. Allerdings erzürnt den Mediziner nicht etwa die Vorstellung, dass medizinische Leistungen in der Zukunft vielleicht nur noch nach Dringlichkeit, also priorisiert, vergeben werden. Den obersten bayerischen Arzt ärgert vielmehr, dass bereits heute, Tag für Tag, eine heimliche Priorisierung in der Medizin stattfinde.
...
85 Jahre und kein neues Hftgelenk? - nordbayern.de - nordbayern.de

Elisabeth
 
These:
Priorisierung ist nicht unethisch. Ganz im Gegenteil.
Wer alte und, noch wichtiger, chronisch kranke Menschen maximal therapiert verschwendet begrenzte Ressourcen. Maximale Intensivtherapie bei multimorbiden Patienten verschlingt Ressourcen, die besser bei der Therapie von jüngeren Patienten oder z.B. in der Pflegeversicherung benötigt würden.
Deshalb: Priorisierung ist bei schwindenden Ressourcen keinn Kann, sondern ein Muss.
Und damit: Ring frei! :mrgreen:
 
Stellt sich die Frage: wer ist alt? Ich habe schon über 90jährige erlebt, die aktiver waren als manch 60jähriger.

Elisabeth
 
WER bitte schön soll das alles bald noch bezahlen??

Der Otto-Normal-Verdiener bestimmt nicht mehr!

Der ist doch schon bald komplett ausgeblutet?!
 
Stellt sich die Frage: wer ist alt? Ich habe schon über 90jährige erlebt, die aktiver waren als manch 60jähriger.

Elisabeth

Priorisierung sollte nicht (nur) nach Alter erfolgen, sondern viel wichtiger nach dem Gesamtbild: Alter + Vorerkrankungen.

Meiner Meinung nach wäre es nicht nur kostensparend, sondern auch ethischer nicht jedem hochbetagten und multimorbidem Patienten die maximalste Versorgung zukommen zu lassen!

Denn sind wir mal ehrlich, die Ärzteschaft operiert doch nicht das halbe Altersheim weil ihnen die Menschen so sehr am Herzen liegen! Die machen das weil es Kohle bringt und natürlich auch der Machbarkeit wegen!

Mel
 
@PePaMel:
Volle Zustimmung! 1+! :daumen:
 
Erstes Fazit:
Priorisierung ist eigentlich ganz gut, wenn die Kriterien dafür stimmen.
So sollte z.B. nach Gesundheitsstatus priorisiert werden, aber nicht automatisch nach Lebensalter.
Was könnten denn Kriterien sein und wer sollte diese festlegen?
Akteure die da mitmischen sind Ärzte und Kostenträger (i.d.R. Krankenkassen).
Was kann die Pflege da für einen Beitrag leisten?
Fragen über Fragen...
Philipp
 
hallo
ich finde Priorisierung eigentlich auch gut, denn ich persönlich möchte nicht miterleben, was manch 80 jähr. +- erleiden muß, aber WER soll entscheiden, wer, ab wann, man sieht doch schon die endlos Auslegungsdebatten bei Patientenverfügungen, ich kenne die Seite der Ambulanz, wo man sich manchmal fragt, warum wird dieser Mensch jetzt noch hin und her transportiert usw usw, jetzt kenn ich die Altenheimsituation, selbst bei schriftl. Verfügungen "kein Krankenhaus mehr" es sei denn es ist ein Notfall und der Bw. leidet, nu geht`s los, wann habe ich in dem Fall einen Notfall bzw. keinen, welche Schwester entscheidet, wann leidet jemand kurz vorm Verabschieden, wer entscheidet das und wenn ich den Notarzt rufe und meine Entscheidung abgebe, sagt der genauso, mir reicht das Schriftstück nicht, ich handel ...
ich hab einen Internistischen Oberarzt erlebt, der bei Beginn einer Rea, wirklich rausrannte, über den Flur zu den 2 Söhnen und klipp und klar sagte, im günstigsten Fall holen wir das raus, wollt ihr das, jetzt bitte eine Antwort, sie sagten - nein- weit später erfuhren wir, sie waren ihm dankbar und wußten es war richtig, genau das fehlt uns, bei den Ärzten der A... in der Hose, für klare Worte und beim Pflegenotstand das gleiche, zu wenig sprechen laut die Wahrheit aus.
Viele Grüsse
Bully
 
Gesetzliche Krankenkassen
Bundestag beschließt Röslers Gesundheitsreform

DPA
Abstimmung im Bundestag: "Der Einstieg in eine faires und besseres System"
Monatelang hat Schwarz-Gelb um die Gesundheitsreform gestritten, nun hat der Bundestag trotz Protesten der Opposition die Neueregelung verabschiedet. Damit steigt der Krankenkassenbeitrag im kommenden Jahr von 14,9 auf 15,5 Prozent.
...
Für das Gesetz zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung stimmten 306 Abgeordnete, es gab 253 Nein-Stimmen. Es sieht folgende Punkte vor:
Der Krankenkassenbeitrag steigt dem Beschluss zufolge zum 1. Januar 2011 von 14,9 auf 15,5 Prozent.
■Alle künftigen Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sollen von den Versicherten durch Zusatzbeiträge finanziert werden.
■Die Zusatzbeiträge sind vom Einkommen unabhängig und müssen von den Versicherten alleine bezahlt werden. Für Bedürftige ist ein steuerfinanzierter Sozialausgleich vorgesehen. Der Kassenbeitrag der Arbeitgeber wird bei 7,3 Prozent eingefroren.
■Zudem werden die Ausgaben bei Ärzten, Krankenhäusern und Kassen begrenzt.

Rösler räumte ein, dass Leistungserbringer, Steuer- und Beitragszahler zur Deckung des erwarteten Defizits der Krankenversicherung von neun Milliarden Euro 2011 herangezogen werden. Doch blieben die Patienten verschont. "Die einzige Gruppe, die wir nicht belasten, sind die tatsächlich Kranken", sagte der Minister.

...

Gesetzliche Krankenkassen: Bundestag beschließt Röslers Gesundheitsreform - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik

Und wer jetzt noch nicht begriffen hat, um was es geht, dem ist wirklich net zu helfen. FDP und CDU sind net am AN interessiert sondern an dem Wohl und Wehe der AG. Nur am Rande, wenn die FDP von Mittelschicht spricht, meint sie die kleinen Selbständigen, Kleinunternehmer u.ä.. Das sollte man vielleicht bei der nächsten Wahl beachten.

Die Gelder werden knapper. Die Spirale der Erhöhung dürfte wohl kaum noch viel weiter zu drehen sein. Es ist damit zu rechnen, dass andere Sozialleistungen nachziehen wie Renten- und Pflegeversicherung. Und weil der Bürger ja nun net unendlich verdient, wird sich kaum einer breit erklären, dieses Spielchen bis ins Unendliche mitzumachen.

Man darf gespannt sein, welche Auswirkungen dies auf die Pflege hat. Ich würde mal mutmaßen bei dem geringen Interesse an aktiven Maßnahmen im Rahmen der Berufspolitik wirds uns mit am meisten treffen: niedrige/sinkende Löhne bei steigenden Sozialabgaben.

Elisabeth
 
"Die einzigen, die wir nicht belasten, sind die tatsächlich Kranken" - was ein Hohn. Die einzigen unbelastesten sind die Arbeitgeber. Denn die Kranken gehören ja ebenso zu der Gruppe der Leistungserbringer und Steuerzahler.

Andererseits: Hat jemand einen anderen Beschluss von dieser Regierung erwartet?
 
"Die einzigen, die wir nicht belasten, sind die tatsächlich Kranken" - was ein Hohn. Die einzigen unbelasteten sind die Arbeitgeber. Denn die Kranken gehören ja ebenso zu der Gruppe der Leistungserbringer und Steuerzahler.

Die tatsächlich Kranken werden zusätzlich belastet:
-Praxisgebühr,
- wachsende Zuzahlungen bei Medikamenten (Stichwort: freiverkäufliche Medikamente),
- "Ärztehopping" damit man überhaupt die notwendigen teuren Medis bekommt (Stichwort: Budget),
- unzureichende und veraltete Wundversorgung,
- Reduzierung der physiotherapeutischen Angebote,
- Reduzierung der Rehazeiten,
- Fahrtkosten
... was hab ich jetzt noch vergessen?

Vieles bemerkt man als Kranker erst wenn es einen selbst betrifft.

Elisabeth
 
*ironie on* Da fragt sich jetzt nur wer die gewählt hat... *ironie off*

Noch eine ironische Nachfrage: wie fandet ihr denn die Gesundheitspolitik von Ulla? Was steht also eigentlich zur Wahl? Nach rot-grün traue ich leider jeder Partei praktisch alles zu.
 
Doch, die Bürgerversicherung der SPD fand ich besser als die verkappte Kopfpauschale, die Merkel und Rösler ausgebrütet haben. Der Trend, dem Arbeitnehmer einseitig mehr Belastung aufzubürden, war im Parteiprogramm gut erkennbar. Wenn sich mal mehr Wähler damit befasst hätten. :angryfire: