News Pflegethermometer 2009 - chronischer Personalmangel im Krankenhaus

narde2003

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Massiver Stellenabbau der vergangenen Jahre hinterlässt Spuren in der Patientenversorgung und lässt sich nicht einfach umkehren


Köln und Berlin, 19. Mai 2010. In Berlin wurden heute vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) die Ergebnisse der größten Befragung unter Pflegekräften in Deutschland vorgestellt. Mehr als 10.000 in Krankenhäusern beschäftigte Gesundheits- und Krankenpfleger beteiligten sich an der Studie „Pflege-Thermometer 2009“. Die Ergebnisse weisen auf eine steigende Belastung der Beschäftigten und demzufolge auf zunehmende Mängel in der Patientenversorgung hin. Hintergrund ist, dass in den vergangenen Jahren etwa 50.000 Stellen in der Krankenhauspflege bei steigenden Patientenzahlen abgebaut worden sind. Da die Ausbildungskapazität in der Krankenpflege seit Jahren sinkt und der Markt „wie leer gefegt ist“, ist den Autoren der Studie zufolge offen, wie in den kommenden Jahren der steigende Bedarf an Pflegekräften gedeckt werden kann. Die Studie wurde von der B. Braun-Stiftung gefördert.

Projektleiter Prof. Michael Isfort vom dip brachte die Untersuchungsergebnisse auf folgenden Punkt: „Das, was in den vergangenen Jahren bei den Krankenhausärzten mit einem deutlichen und anhaltenden Ausbau von mehr als 20.000 Stellen richtig gemacht wurde, ist bei der Krankenhauspflege durch einen massiven Stellenabbau schief gelaufen und wird nun immer folgenschwerer für die Beschäftigten und die Patienten!“ Die Studie zeigt, dass der massive Stellenabbau in der Pflege zu einer deutlichen Ausdünnung und statistischen Überalterung der Personaldecke in der Pflege mit der Folge hoher Arbeitsbelastungen bei steigenden Patientenzahlen geführt hat. Das noch von der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt Anfang 2009 aufgelegte Sonderprogramm für bis zu 17.000 zusätzliche Pflegekräfte im Krankenhaus zeigt in der Untersuchung noch keine Wirkung.



Laut Studie lassen sich daraufhin inzwischen insbesondere Mängel bei Pflegeleistungen wie einer angemessenen Überwachung von verwirrten Patienten, Mobilisierung und fachgerechte Lagerung von bewegungseingeschränkten Patienten, Gesprächshäufigkeiten, Betreuung Schwerstkranker und Sterbender sowie Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme beschreiben. Selbst bei Medikamentengaben, Verbandswechseln und Hygienemaßnahmen sind es jeweils etwas mehr als die Hälfte der Befragten, die Fehler aufgrund von hoher Arbeitsbelastung nicht ausschließen konnten. In der Studie wurde auch nachgewiesen, dass besonders hoch belastete Pflegekräfte höhere Fehlerquoten in allen Leistungsbereichen angaben. Damit wurde ein direkter Zusammenhang zwischen abnehmender Pflegekapazität und vermehrten Risiken für die Patienten sichtbar.



Lichtblicke zeigen sich hingegen im veränderten Verständnis und den Perspektiven im Pflegeberuf. Isfort betonte, „dass die verbliebenen Pflegekräfte sehr professionell darangehen, die Versorgung für alle Patienten trotz der schwierigen Bedingungen so gut wie irgend möglich aufrecht zu erhalten“. Insbesondere die jüngeren Pflegekräfte gehen mit guten Entwicklungsmöglichkeiten in den Beruf und trotzen somit den schwierigen Arbeitsbedingungen. Unter anderem strebt jede zweite Pflegekraft unter 25 Jahren eine akademische Weiterqualifizierung an. Zugleich wird von den Autoren kritisiert, dass so gut wie nichts für einen Verbleib der älteren Mitarbeiter über 50 Jahrein der Krankenhauspflege getan wird. „Das ist schon eine erschreckende Tatenlosigkeit, die wir hier beschreiben müssen“, so Isfort.



Kurzfristige Änderungen des Personalmangels in der Krankenhauspflege erscheinen nach den vorliegenden Erkenntnissen indes kaum möglich, da nicht genügend ausgebildet wird und der Arbeitsmarkt quasi leer gefegt ist. Es herrscht bereits in einigen Regionen Deutschlands ein akuter Fachkräftemangel. Denn zeitgleich steigen die Bedarfe der häuslichen Pflege und der Altenheime nach qualifiziertem Personal ebenfalls an. Außerdem wird in den kommenden Jahren eine größere Zahl älterer Mitarbeiter aus dem Dienst im Krankenhaus ausscheiden und muss ersetzt werden.


Damit ist ein umfassendes Problemfeld umschrieben, das die Krankenhäuser der Studie zufolge alleine nicht werden lösen können. Isfort: “Hier sind alle verantwortlichen Kräfte der Gesundheitspolitik von Bund und Ländern, Gewerkschaften, Verbände und Kostenträger gemeinsam mit den Krankenhäusern gefragt, in einer konzertierten Aktion den sich abzeichnenden Kollaps zu vermeiden“.



http://www.dip.de/fileadmin/data/pdf/material/dip_Pflege-Thermometer_2009_Kurzfassung.pdf
 
Die Situation ist seit längerem bei Pflegepersonal bekannt, allerdings wird diese Situation bisher von seiten der PDL, Krankenkassen, MKD und all den anderen Institutionen totgeschwiegen. Da brauch man sich jetzt nicht erst empört darüber aufregen und anprangern, das auf Grund des Personalmangels Pflegefehler passieren und das nicht nur in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen aller Art kämpfen damit.
Selbst jetzt ist es immer noch schwierig für die angehenden GuK einen Arbeitsplatz in der Nähe ihres Heimatort zufinden, speziell für die Pflegekräfte, die gerne im Klinikalltag tätig sein möchten, mal von den Möglichkeiten einen Ausbildungsplatz als GuK "zuergattern" abzusehn.
Und ich denke, es ist keine Lösung, wenn plötzlich die Anforderungen für die Ausbildung herrabgesetzt werden.

Bin nur gespannt, wie man das Problem chronischer Personalmangel in der Pflege, das ja soooo urplötzlich aufgetreten ist, beheben will.
Nur mit reden und Feststellungen ist es nicht getan.
Leider findet man nirgens konkrete Vorschläge um den Personanlmangel zubeheben.
Es wird ja weiterhin, zumindest bei uns im Haus die Parole ausgegeben: "Wir müssen sparen, wir haben zuviel Pflegekräfte auf Station"
Da frage ich mich schon, wie man manchmal den Frühdienst bei 40 Patienten mit 3 Pflegekräften, den Spätdienst mit einer Fachkraft plus Schüler, Patientengerecht und ruhigen Gewissen abdecken kann.
 
Hallo,
also ich werde richtig wütend wenn ich lese, dass der Arbeitsmarkt quasi leergefegt ist und es an Fachkräften mangelt!
Ich arbeite in einem Krankenhaus und unsere Station ist mit 2,75 Stellen zur Zeit unterbesetzt.
Aussage unserer Abteilungsleitung:"Es gibt keine Bewerber!"
Ich habe es ihr auch noch geglaubt und am nächsten Tag von einer Bekannten erfahren, dass sie sich in unserem Krankenhaus beworben hat und eine Absage erhalten hat. Ohne Vorstellungsgespräch, einfach so!
Die Krankenhäuser WOLLEN keine neuen Kräfte einstellen, denn die kosten ja Geld!

Und unsere jungen und neuen Kollegen wandern auch ab.
Schlechte Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen.
Viele Grüße
 
Hallo,
also ich werde richtig wütend wenn ich lese, dass der Arbeitsmarkt quasi leergefegt ist und es an Fachkräften mangelt!
Ich arbeite in einem Krankenhaus und unsere Station ist mit 2,75 Stellen zur Zeit unterbesetzt.
Aussage unserer Abteilungsleitung:"Es gibt keine Bewerber!"
Ich habe es ihr auch noch geglaubt und am nächsten Tag von einer Bekannten erfahren, dass sie sich in unserem Krankenhaus beworben hat und eine Absage erhalten hat. Ohne Vorstellungsgespräch, einfach so!
Die Krankenhäuser WOLLEN keine neuen Kräfte einstellen, denn die kosten ja Geld!

Und unsere jungen und neuen Kollegen wandern auch ab.
Schlechte Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen.
Viele Grüße

ist doch klar das keine bewerber eingestellt werden,sie erfüllen nicht die voraussetzungen für eine einstellung.

50 jahre berufserfahrung,hochschulstudium,demütig, nicht älter als 25jahre, 24 std 7 tage in der woche zur verfügung stehen, auf alle arbeitsrechte versichten, sich in die leibeigenschaft begeben und statt lohnforderung geld mitbringen.

aber es gibt hoffnung, bei dieser regierung schwarz-gelb (arbeit soll sich wieder lohnen) könnte dies zum gesetz werden.

konnte ich deine wut,die ich sehr nach vollziehen kann, einigermaßen beschrieben?
 
Wenn man das ganze Sarkatisch ausdrücken will, hast du es genau auf den Punkt gebracht :lol1:.
Besser hätte ich es auch nicht auf den Punkt bringen können :D
 
Liebe Kollegeinnen und Kollegen,
ich kann die Empörung, die Wut und auch die teilweise vorhandene Resignation darüber verstehen, dass sich offensichtlich nicht viel tut, dass die Situation nicht neu und "plötzlich" über eine Studie an Tageslicht gebracht wird und dass es problematisch ist zu verstehen, dass Pflegekräfte abgelehnt werden, gleichwohl es freien Stellen auf der Station gibt. Ich habe die Studie durchgeführt und tue dies ja nicht zum ersten Mal... bereits 2002 haben wir vom dip aus auf erhebliche Lücken hingewiesen, haben die Bedingungen beschrieben, unter denen Pflegende arbeiten. 2007 haben wir die Leitungen befragt und unter dem Eindruck der dort vermittelten Zahlen und gefährdungen wurde unter anderem die ver.di und DBfK Aktion "uns reichts" ins Leben gerufen- die Gesundheitsministerin hat den Kassen 700 Mio Euro abgerungen, die zu einer Verbesserung der Pflegesituation in den Kliniken aufgewendet werden sollen (und nicht zweckentfremdet genutzt werden können). Es tut sich doch etwas, auch, wenn die Ergebnisse dieses zusätzlichen Stellenaufbaus (ca. 17.000) noch ausstehen und meiner Meinung nach auch nicht ausreichen. Die Arbeit zeigt aber, dass man etwas bewirken kann, wenn man gemeinsam auf die Situation in der Pflege aufmerksam macht. So ist das Pflege-Thermometer auch zu verstehen und zu lesen. Es soll nicht "neue" oder "plötzliche" Entwicklungen aufzeigen, sondern konsequent beschreiben, was im Beruf vior sich geht. Wir in der Forschung können können das aber nicht ohne Sie! Wir sind angewiesen darauf, dass man uns die Fragebögen ausfüllt, dass man sich an Interviews etc. beteiligt, sonst ist die Forschung für den Beruf wirkungslos. Denn man erzeugt keine Schlagzeile mit einem Einzelfall und auch keinen politischen Druck alleine.
Ich sehe keine Alternative zu dem Vorgehen, dass man weiterhin regelmäßig über diese Dinge berichten muss und dass man regelmäßig Erhebungen macht, damit nicht "eine", sondern "zehntausend" Pflegende zugleich sprechen. So eine Studie deckt natürlich keine überraschenden neuen Dinge auf, sondern systematisiert lediglich die Probleme, die jenseits des Einzelfalls in der Fläche bestehen. So aber kann man ein zentrales Gegenargument auch aushebeln. "Na ja, das sind wahrscheinlich Einzelfälle". Nein, sind es längst nicht mehr!
Wir konnten mit der Veröffentlichung der Studie nicht nur die fachzeitschriften, sondern auch die allgemeinen Medien erreichen (Frontal 21 berichtete, Die Zeit, der Deutschlandfunk, NDR und und und). Es ist unheimlich wichtig, dass hier eine Reaktion erfolgt, damit das Thema "Krankenversorgung" nicht einseitig durch die Botschaften der Ärzte bestimmt werden und die Ärztestreiks alleine die Öffentlichkeit. Wir brauchen ein Gegengewicht und wir brauchen pflegerische Gegenentwürfe. Ich denke, dass es der Pflege im Krankenhauswesen (in der ambulanten und der stationären sieht das völlig anders aus) ganz offensichtlich in den letzten zehn Jahren nicht gelungen ist, die Berlange des Berufes mit entsprechendem Nachdruck zu vetreten. Auch nicht in den einzelnen Kliniken, wo erhebliche Probleme auch hausgemacht sind. Junge Kräfte wurden und werden nicht übernommen, die PDLs können die notwendigen Personalbudgets gegenüber anderen nicht durchsetzen und gespart wird, indem Stellen lange nicht besetzt werden (siehe Beitrag von Sanne 3) und die vorhandenen Kräfte Überstunden für die fehlenden Stellen ableisten. In einem Beitrag stand der Hinweis, dass es an Lösungen für das Problem fehlt- hier ist eine: Hier sind alle gefragt- wer ist denn schon in einem Berufsverband????? Ohne eine starke Organisation, wird die Pflege schwach bleiben, denn politisch Gewicht hat der, der viel bewegen kann und auch, wer die besseren Argumente auf seiner Seite hat. ich bemühe mich mit der Pflege-Thermometer-Reihe die Seite der Argumentation zu verbessern und werde auch weiter daran arbeiten. Wer sich umfassend informieren will, der sollte mal einen Blick reinwerfen- das Lesen einer kruzen Pressemitteilung reicht nämlich nicht aus, um eine Studie zu kommentieren oder zu kritisieren. Allen, die mitgemacht haben ein dickes Dabnkeschön dafür- hier fängt politische Arbeit für die Pflege an! Ich würde mich freuen, wenn Sie die Arbeit entsprechend lesen würden, sie steht umsonst für alle Interessierte bereit.
(Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V.: Aktuelles).
Liebe Grüße

Michael Isfort
 
Das Sprichwort heißt wohl: steter Tropfen höhlt den Stein... aber nicht jeder Stein gibt so "schnell" nach.

Es dürfte mehr brauchen als die reine Aufzählung der Stellenreduzierung und die Darstellung der Gefühle und Wahrnehmungen der Arbeitskräfte. Was ist denn Pflegequalität und wie definiert sie sich genau?
Auch der Krankenstand der Pflegenden interessiert nur marginal. Denn Statistiken lesen kann jeder- auch und gerade die Politiker und noch mehr die Verwaltungsdirektoren.
Tagtäglich wird in D vieltausendfach bewiesen: es geht auch mit weniger Arbeitskräften. Und da sind dann leider solche Studien nicht mal mehr das Papier wert auf denen sie gedruckt werden.

Das mag bitter sein, wenn man da viel Herzblut reingesteckt hat. Aber wie überall in der Pflege überholt die Realität alles- die Pflege will es nur nicht wahrhaben. Und solange wir das Lied vom "kleine Brötchen backen" singen, solange die Berufsorganisationen sich gegenseitig den Schneid abkaufen wollen, solange unsere Standesvertreter mehr mit sich und ihrer Karriere beschäftigt sind, statt vor Ort aktiv zu werden... solange wird sich auch an den Gegebenheiten nix ändern. Berufspolitik für eine Elite bringt keine Veränderung.

Wie wärs mit ner Studie: wie kann ich das Jammern der Berufsgruppe nutzen und Lenken um die Pflege endlich als das erstehen zu lassen,was sie sein sollte: eine geballte Kraft, die auch etwas bewegen kann...nicht nur Statistiken lesen. Warum meiden Pflegekräfte Berufsverbände? Warum sind sie nicht interessiert an einer Verkammerung? ...

Elisabeth (die mittlerweile jede Hoffnung verloren hat, dass sich in D ind er Pflege mal irgendetwas ändern wird)
 
Zuletzt bearbeitet:
solange pflegekräfte meinen man hat die arbeit zu schaffen und sei man noch so wenige auf der station und nicht einfach die arbeit fallen lassen wenn feierabend ist, solange werden immer wieder stellen gestrichen.
man sieht ja die pflegekräfte schaffen die arbeit auch mit wenigen.

solange, wenn streiks oder demos angesagt sind für verbesserung unserer arbeitsbedingungen, die stationen besetzt sind und nicht leer, wird sich nichts ändern.
was nütz ein streik oder eine demo wenn die arbeit doch getan wird? nichts.
nach meiner ansicht hilft leider nur noch radikale maßnahmen um diesen ganzen irrsinn zu stoppen und umzukehren.
 
Hi @all.
ich finde solche studien wie das Pflegethermometer extrem wichtig, um immer wieder aktuell die Situation darzustellen. Ich denke, dass wir unsere Situation laut und deutlich und ständig artikulieren müssen. Wir sind kein Anhängsel an die Ärzte mehr und unsere Arbeit ist Teil der Gesundheitsversorgung in D. Ich stehe fast täglich vor dem Problem, Versorgungen nicht sicherstellen zu können, weil Pflegekräfte in der qualifizierten ambulanten Versorgung fehlen. Also, wir haben die Chance durch die schon dramatische Situation auf uns und unsere Arbeit nicht nur aufmerksam zu machen, sondern auch Forderungen zu stellen und dazu tragen fundierte Forschungsberichte bei. Die Empfehlungen solcher Studien werden gelesen und auch wahrgenommen. Auch wenn Veränderungen häufig langsam vorangehen. Ich halte es für völlig falsch, die Eingangsbedingungen für Pflegekräfte zu senken. Was wir wollen, sind Pflegekräfte, die eigenverantwortlich hochwertige Pflege leisten können und dazu braucht es eine fundierte Ausbildung oder Studium. Also Dank an dip, dass sie immerwieder die Situation darstellen und auf uns aufmerksam machen.