Der schwierige Patient

Elisabeth Dinse

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Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
Akt. Einsatzbereich
Intensivüberwachung
Ich fand vor kurzen ff. Zitat:

Ein schwieriger Patient ist für mich ein Patient der mir meine Grenzen aufzeigt, zu dem ich emotional keinen Zugang finde, bei dem ich keinen Erfolg habe, bei dem ich Frustration erlebe.
Er stellt das Wertesystem des Pflegeberufes infrage. Das Helfen-Müssen wird von ihm infrage gestellt.

Ganz innen drinne fühle ich „das Gute“, dies ist meine Autoritätsgrundlage
Wer sich mir widersetzt, widersetzt sich dem Guten.

Wenn ich angespannt bin und mich gestresst fühle, denke ich oft: Wieso stellt er sich nur so an, ich will ihm doch nur Gutes. Wenn ich meine klaren Tage habe, weiß ich, dass ich ihm etwas anbiete und er das Recht hat, es anzunehmen oder nicht. …
Den schwierigen Patienten gibt es nicht, es gehören immer zwei dazu.

Aus Der Schwierige Patient von G. Kowarowsky

Elisabeth
 
44 Besucher sagen nichts dazu, ich sage Danke für den Tipp.
Manche Patienten sind eine Herausvorderung und bringen das ganze Team an seine Grenzen.
Ich denke, ich werde mir das Buch besorgen.
Und später Kollegen ausleihen....:)
 
... kann die Gedanken über den "schwierigen Patienten" gut nachvollziehen.

Im Nachhinein, wenn ich etwas emotionalen Abstand gewonnen habe, mußte ich feststellen, dass es u.A. mit an meiner Ausstrahlung zu diesem Zeitpunkt gelegen hat.

Gleicher Patient, gleiche Situation zu einem Zeitpunkt, zu dem ich mit mir selbst im Reinen bin und zufrieden mit dem Tag, berührt mich der "schwierige Patient" gar nicht.

Ist es nicht so, dass man bereits im Vorfeld signalisiert: Komm doch, fordere mich heraus, teste meine Grenzen!!!

Zeitgleich passiert mit dem Patienten ein ähnlicher Prozess. Er ist evtl. gar nicht so ein K...brocken, wenn er gesund ist und sonst keine Probleme mit sich herumzieht.

Also: Es gehören immer zwei dazu eine ungute Atmosphäre zu schaffen.

Kann aber nur für mich sprechen.

Sonja
 
ich hab es mir im meinem 2. praktischen Einsatz abgewöhnt einen Patienten als "schwierig" einzustufen.....
 
Ich denke "schwieriger Patient" ist auch falsch ausgedrückt. Oder zu ungenau. Ich denke es gibt einfach Patienten, zu denen baut man nicht so ein gutes Verhältnis auf wie zu anderen. Das kann an verschiedensten Dingen liegen. Und für mich ist es okay einen Patienten nicht zu mögen. Ich kann nicht mit allen klarkommen. Das ist doch ganz menschlich. Klar mache ich trotzdem meine Arbeit ordentlich und pflege ihn mit all meinem Fachwissen, aber ich muss ihm nicht vorspielen ihn zu mögen. Wozu?
 
Fragt sich, was macht den Patient schwierig.
Scham? Weil er doch bisher immer alles selbst tun konnte und nun hilflos wie ein Kind ist?
Wut, weil er seine Gliedmaßen verliert und jeder um ihn herum munter durch die Gegend läuft?
Demenz, weil er immer mehr vergißt und dadurch ironisch, wütend wird?

Oder doch die schlechtgelaunte freche Schwester, die sagt, nein, sie bekommen keine Milchsuppe, sie sind dick genug?
(Da würde ich auch schwierig werden!!!)

Ich denke, einlassen ist das Zauberwort.
Dann ist auch ein schwieriger Patient plötzlich gar nicht mehr so schwierig.
 
Meine Grundsatz ist: " Behandle die Menschen wie du auch behandelt werden willst". Das ist nicht immer leicht, aber oft hilft es einfach mal zu fragen, wo denn gerade das Problem ist oder warum die Laune so schlecht ist u.s.w.. Kommunikation ist alles.
Leider gibt es natürlich auch die ganz harten Nüsse und wenn ich gerade so gar keine Zeit für sowas habe, dann sage ich halt gar nichts, so muss man dann weningstens nicht rumdiskutieren! Ich bin halt auch nur Mensch!
 
Ich habe das Zitat so verstanden, dass ich die Situation einfach annehmen soll. Ich soll/ brauche nicht nach Gründen suchen- es ist einfach so.

Nach Gründen suchen würde aus meiner Sicht bedeuten: ich will mich verteidigen, weil ich versagt habe mit meiner Grundintention des Helfen wollens.

Elisabeth
 
Hallo,
das Buch habe ich bisher nicht gelesen, werde es aber nachholen!
Es gibt für mich keine schwierigen Patienten.
Es gibt Patienten die anders reagieren, als wir es bisher gewohnt sind, die nicht so "pflegeleicht sind".
Diese Menschen haben sehr oft große gesundheitliche oder private Sorgen, Ängste. Vor allem Ängste!
Manchmal öffnen sich diese Patienten bei bestimmten Mitarbeitern.
Und das Erstaunliche ist! Wenn sie anfangen zu reden, dann sind sie sehr offen und Gesprächsbedürftig.
Ich sehe mich eigentlich nicht als Versager, wenn ich an Jemanden nicht "herankomme".
Viele Grüße
Sanne
 
Moin, moin!

Besonders interessant ist das Phänomen der Weitervererbung! Damit meine ich folgendes: Eine Pflegekraft kommt mit einem Patienten nicht klar und berichtet ihre Erlebnisse in der Frühstückspause den anderen, ohne weitere Hinterfragen gilt dann der Patient bei der ganzen Schicht als "schwierig" obwohl nur eine Person eine solche negative Erfahrung gemacht hat. Unter Umständen geht dann noch eine zweite Person in das Zimmer, ist aber schon durch die Berichte der ersten Pflegekraft "geimpft" und beginnt die Kommunikation mit entsprechenden Vorurteilen und sieht sich dann aufgrund des Verhaltens des Patienten darin bestetigt (obwohl dieser nur auf die schlechte Stimmung diese Pflegekraft regiert hat). In der Übergabe wird dann berichtet, dass Patient x aus Zimmer 15 absolut unmöglich sein und schwups ist auch der ganz Rest des Personals geimpft... Das meine ich mir "Vererbung"...

An dieser Stelle habe ich immer etwas Professionalität vermisst: Warum hat die Kollegin diese Person als schwierig empfunden? Gibt es einen realen Konflikt oder geht es nur um fehlende Sympathie?
Damals als Schüler habe ich mir dann bewusst immer diese sogenannten "schwierigen"¨Patienten rausgesucht und hatte in der Regel nie ein Problem mit ihnen, selbst in meiner praktischen Prüfung.
Jetzt als "examinierter" bemerke ich, dass es schwieriger wird. Ich arbeite nicht auf einer "normalen" Station; in der Endoskopîe haben wir oft einen hohen Patientenfluss und wenn dann ein Patient nicht so "funktioniert", "stört" er. Daraus ziehe ich für mich den Schluss, dass der schwierige Patient unter anderem dann entsteht, wenn im Pflegeprozess und in der Gestelltung der "Pflegekraft - Patient" Beziehung keine Zeit ist. Der schwierige Patienten ist damit ein Kommunikationsproblem, das ist ja auch die Aussage dieses Buches.
In meinem Fall kommt dazu, dass Französisch nicht meine Muttersprache ist und es damit schwieriger wird, solche Situationen zu entschärfen.

Gruss Hartwig
 
...zu dem ich emotional keinen Zugang finde, bei dem ich keinen Erfolg habe, bei dem ich Frustration erlebe.
Er stellt das Wertesystem des Pflegeberufes infrage. Das Helfen-Müssen wird von ihm infrage gestellt.

Man muss nicht zu jedem einen emotionalen Zugang finden, kann es häufig in der kürze der Zeit nicht und warum sollte man es überhaupt anstreben.

Ich muss auch nicht mit jedem Gesprächspartner im privaten eine emotionale Bindung aufbauen.

Und das Wertesystem der Pflege mit "Helfen-Müssen" zu beschreiben halte ich für äußerst Fragwürdig.
 
Das Zitat aus dem Buch stammt von einer Ordensschwester. Kannst du dein Wertesystem darlegen und beschreiben?

Elisabeth
 
Hallo zusammen,

ich habe das Buch "Der schwierige Patient" gelesen und finde es sehr empfehlenswert.

Ich erlaube mir mal an dieser Stelle ein paar Textstellen/Zitate aus dem Buch von Gert Kowarowsky "Der schwierige Patient" hier reinzuschreiben, die mir sehr gut gefallen haben :

"Denny Yuson-Sanchez fasst die Essenz seiner Art mit Menschen zu arbeiten so zusammen: „Sei menschlich; das wichtigste Werkzeug das Du hast, um mit Menschen zu arbeiten, ist Dein Mitgefühl.“


Was ich in meinem Leben gelernt habe ist, dass schwierige Patienten vor allem Liebe, Fürsorglichkeit und Mitgefühl brauchen. In dieser Sicht wurde ich unlängst erneut bestärkt, als ich das Buch von Viktor E. Frankl „Men’s Search for Meaning“ wieder zur Hand nahm, in dem er feststellt, dass sich Liebe in extrem schwierigen Situationen wie im Konzentrationslager, als die stärkste sinngebende Überlebenskraft zeigte.


Den schwierigen Patienten gibt es nicht. Es gehören immer zwei dazu.
„Schwierige Patienten sind meistens Patienten, die bei den Helfern negative Gefühle auslösen, ihnen also Schwierigkeiten machen. Oft haben diese Patienten dicke Krankenblattakten, mehr Abklärungen als andere Patienten entwickelt und mehr konsiliarische Beurteilungen. Entwickelt sich die Beziehung zum Patienten zu einer schwierigen Beziehung, so sind immer beide Seiten daran beteiligt, der Helfer und der Patient. Aspekte der Persönlichkeit von Helfer und Patient beeinflussen diese Schwierigkeiten stark.“ (Horlacher 1999, S. 131)


Achten wir darauf, dass wir uns den schwierigen Patienten durch unsere Meinung, er sei schwierig, nicht selbst erschaffen.




Aber weise ist derjenige, der keinen Charakter verachtet, sondern einen
prüfenden Blick auf ihn richtet und ihn in den tiefsten Gründen seines Wesens zu verstehen sucht. (Nikolai Gogol)




MfG
Helen.
 
Man muss nicht zu jedem einen emotionalen Zugang finden, kann es häufig in der kürze der Zeit nicht und warum sollte man es überhaupt anstreben.

Ich muss auch nicht mit jedem Gesprächspartner im privaten eine emotionale Bindung aufbauen.
Darf ich fragen, in welchem Bereich du arbeitest, das du wirklich das glaubst, was du da oben schreibst?
Du kommst nicht drumrum, Emotionen aufzubauen,
sei die Zeit auch noch so kurz.

Nach Izard (1994) existieren zehn unterschiedliche Gefühle,
die auf der ganzen Welt und in jeder Kultur vorkommen:
ØInteresse > Leid > Widerwillen > Freude > Zorn,
ØÜberraschung > Scham > Furcht > Verachtung
Øund Schuldgefühl.
Ich nenne auch noch den Gleichmut.

Auf Emotionen reagieren gehört zu unserem Beruf.

Ich kann mir nicht vorstellen,
das ein "schwieriger" Patient, bei dir keine Emotionen zuläßt,
 
Mal aus meiner Sicht:

es ist sehr häufig, dass man mir die sog. "schwierigen" Pat. zuteilt, meist mit den Worten : "Mit dem komm´ich nicht klar." "Der ist komisch." "Der nervt." u.ä.

Wie schon in einem der anderen Beiträge beschrieben, spielt hier die "Vererbung" von negativen Vorurteilen eine große Rolle.
Ich habe mir angewöhnt, solche Urteile zwar zu registrieren, aber trotzdem zum Pat. zu gehen mit einer inneren "neutralen" Einstellung. Und siehe da: in den meisten Fällen waren die Pat. bei mir nicht so "schwierig".
Häufig haben sie ein Problem (Angst, Unsicherheit...) , dass man ernst nehmen sollte. Auch das Wissen über die Vergangenheit der Pat. ("Der war mal Personalleiter/Lehrer.") ist sensibel zu verwenden. (Oder wenn man weiß, der Pat. ist ein "Penner") Vorgefertigte Urteile führen zu einer falschen Einstellung gegenüber dem Pat. - man gerät in Versuchung, die Pat. nach seinem eigenem ,innerem Wertesystem zu behandeln, ohne ihn wirklich zu kennen.
Man sollte lieber offen auf die Pat. zu- und eingehen. Das heißt nicht, dass man sich alles gefallen lassen muss. Ich habe auch schon Pat. höflich, aber bestimmt in Grenzen gewiesen.
Demente Pat. sind z.B. manchmal nicht pflegeleicht und darum "schwierig". Aber so ist das nun mal: es gehört zu unserm Beruf! Es ist eine gewisse Herausforderung, der man sich stellen sollte. Einschränkend muss ich aber sagen: nicht jeder Tag ist gleich - manchmal habe auch ich nicht die Geduld, die Pat. so zu nehmen, wie sie sind. Schließlich sind wir alle nur Menschen. :) Dann verlasse ich manchmal kurz das Zimmer, um mal "durchzuatmen" oder wechsle (wenn möglich) mit einer Kollegin.
Ich wünsche allen viel Kraft mit den "schwierigen" Pat.!!!:flowerpower:
:nurse:*****:smlove2:******:cheerlead:
 
Ich frage mich manchmal ob es nicht viel mehr "schwierige" Pflegekräfte als "schwierige" Patienten gibt.
 
Ich frage mich manchmal ob es nicht viel mehr "schwierige" Pflegekräfte als "schwierige" Patienten gibt.

Da ist was dran :wink1: allerdings will ich hier niemanden an den Pranger stellen. Oftmals ist es auch Überforderung, da einfach zuviel von den Pflegenden verlangt wird. Bsp.: bei uns sollte wegen des Pflegeaufwandes (und da wir zusätzlich für die Rea im gesamten Klinikbereich zuständig sind) eigentlich eine 1: 1 bzw. 1:2 Pflege sein. Aber real haben wir mindestens 1:3, meistens 1:4 . (Auf unseren Normalstationen sind natürlich noch mehr, ich arbeite auf Intensiv) Zusammen mit den ganzen Nebenaufgaben ist das nicht wirklich in "guter Qualität" machbar. Irgendwas bleibt auf der Strecke... Dadurch liegen die Nerven blank und wenn dann wieder ein Pat. "schwierig" ist...na, dass könnt Ihr Euch selber denken... Auch unsere Leistungsfähigkeit hat Grenzen...
:emba::troesten:
 
Ich frage mich manchmal ob es nicht viel mehr "schwierige" Pflegekräfte als "schwierige" Patienten gibt.
Nicht unmöglich. Mir werden gelegentlich PatientInnen als schwierig übergeben, mit denen ich dann aber überhaupt keine Probleme habe.

(Was natürlich nicht immer der Fall ist)
 
Oftmals ist es auch Überforderung, da einfach zuviel von den Pflegenden verlangt wird.

Ich denke, da ist was wahres dran. Ich hatte durch meine Position als Praxisanleiter die Möglichkeit zur Reflexion meiner Aktivitäten. Oft habe ich mich geärdert über mich selbst, wenn ich eine Situation zu schnell "abgeurteilt" habe. Ich konnte mir Zeit nehmen, um neue, andere Strategien zu entwickeln. Und ich hatte Zeit mich auf den Pat. einzulassen ohne an das ganze andere Drumherum denken zu müssen.

Elisabeth
 
schon ein strahlendes lächeln hat bei so manchem "schwierigen patienten" wunder bewirkt....ist auch nicht grade zeitaufwendig ;-)

liebe grüße vom stinkfisch:)
 

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