Wie sag ich meinem Vater, dass er ins Heim kommt?

missedpig

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Anästhesie
Hallo Ihr!

Ich arbeite seit 18 Jahren im Krankenhaus und hab natürlich Erfahrung mit dementiell erkrankten Patienten.
Irgendwie ist aber alles anders wenn der eigene Vater betroffen ist.

Seit Jahren beobachte ich den geistigen Verfall meines Vaters. Sein Neurologe diagnostizierte einen M. Parkinson und behauptete immer, sein Parkinson würde mehr im Kopf stattfinden als im Körper. Für mich waren das jedoch deutliche Zeichen einer beginnenden Demenz.

Leider war mein Vater im Frühstadium seiner Erkrankung schon uneinsichtig und nicht bereit z.B durch Gedächtnistraining seinen Krankheitsverlauf zu verzögern.

Das Wort "Demenz" darf genau genommen erst offiziell seit ungefähr 4 Wochen in unserer Familie ausgesprochen werden. Weil meine Eltern alles gegeben haben um zu verdrängen und zu verheimlichen war mein Vater offiziell, bis zu seiner Einweisung in die Geschlossene, schwer an Parkinson erkrankt.

Tatsächlich ist es wohl eine LewyBodyDemenz. Seit 4 Wochen ist er in der Gerontophsychiartrie und wird vorsichtig auf Seroquel eingestellt. Er zeigt alle möglichen Facetten von lieb bis tobsüchtig. Meistens ist sein Verhalten sehr herausfordernd.

Zu Hause kann er nicht mehr leben und so steht für Dienstag der Umzug ins Pflegeheim bevor. Mein Vater möchte nach Hause. Wie und wann soll ich ihm sagen das sein zu Hause von nun an ein Pflegeheim sein wird?

Bitte gebt mir euren fachlichen Rat

Lg Angela
 
Liebe Angela,

sag es ihm am besten so, wie es seiner Art zu sein und zu leben am besten entspricht. Will heißen, manche Menschen wollen konfrontiert sein, manche gepampert, jeder hat sein individuelles Muster. Und wann- in der nächste ruhigen Minute.
Ich glaube, du weißt, das es nicht ohne Kampf und menschliche Tragik und Tränen und Trauer gehen wird. Aber, manche Dinge sind notwendig und müssen ausgehalten werden.
Du befindest dich in einer Position, die wahrscheinlich alle Kollegen hier fürchten. Das das Berufliche, oft professionell Abstrakte, in die eigene Familie einbricht.
Dafür wünsche ich Dir ganz viel Kraft, fühl dich unbekannterweise:troesten:

Gruß, Marty
 
Stichwort: Integrative Validation. Inwiefern ist er noch orientiert?(zeitlich, räumlich, zur Person, situativ). So einem Menschen begegnet man uaf der emotionalen Ebene. Es ist wichtig, dass man sein Zimmer im Heim mit den vertrauten Gegenständen ausstattet, dass er am Anfang Unterstützung der Verwandten und lieben Menschen hat. Wie ist das Heim organisiert? Ist das Personal im Umgang mit Menschen mit Demenz geschult?
Das ist für alle Beteiligten eine schwierige Situation. Ich wünsche dir viel Geduld und Ruhe.
 
Wie es für einen Patienten weitergehen wird und dies ihm mitzuteilen, ist doch auch Aufgabe der behandelnden Mediziner. Auf der Gerontopsychatrie hat man doch sicher Erfahrung mit dieser Situation. Nur weil da Angehörige aus der Krankenpflege sind, kann man sie doch nicht mit dem Problem alleine lassen.

Als Tochter (egal aus welcher Berufsgruppe) würde ich nach Unterstützung von den Fachleuten vor Ort fragen. Es sei denn, Du möchtest das Gespräch alleine führen. In dem Fall würde ich meinen Vater fragen, was er denkt, wie es weitergehen kann. Nach Deiner Schilderung wird er wahrscheinlich sagen, dass er kein Problem darin sieht, wieder zuhause zu leben. Zustimmung ist da kaum zu erwarten. Jemanden zur Einsicht zu bewegen ist schon oft bei nicht-dementiell Erkrankten schwierig. Trotzdem sollte er frühzeitig von diesen Plänen erfahren, dann könnte er dies unter fachlicher Betreuung evtl. noch "bearbeiten".

Versuche, seine Gefühle aufzunehmen und schildere ihm, was Du denkst, was er fühlt, damit er sich in seiner Not (Angst? Wut?) ernstgenommen fühlt.
Aber das ist schwer bei den "eigenen" Leuten, da die eigenen Gefühle oft im Weg stehen. Daher würde ich mir jemanden mit mehr emotionaler Distanz dazuholen.

Alles Gute ...
 
Hi,

was ist eigentlich mit Deiner Mutter? Wie verkraftet sie das alles, wo sie es doch vorher, wie Du schreibst, verdrängt hat?

Denn eigentlich sollte Deine Mutter, als seine warscheinlich langjährige Weggefährtin, doch bei dem Gespräch dabei sein...

Ich wünsch Dir auch ganz viel Kraft!
LG
 
Hi,

ich hab 2 Jahre auf einem gerontopsychatrischen WB gearbeitet und hab da natürlich auch die dollsten Aussagen gehört, um den Angehörigen klar zu machen, dass sie nun hier ihr zu Hause haben.

Von du musst so lange hier bleiben, bis es dir besser geht und bis hin zu du bleibst so lange hier bis du wieder laufen kannst, war schon alles dabei. Es kommt natürlich immer auf den Schweregrad der Demenz an.

Hm... also im klassischen Sinne wäre es ja erstmal so, dass dein Vater erstmal als Kurzzeitpflege ins Heim kommt, da würde ich ihm erklären, dass er jetzt hier ist, damit seine Frau sich mal etwas entspannen kann, weil die letzte Zeit so anstrengend war. Und auch er soll die Zeit nutzen, um sich etwas auszuruhen.
Diese Zeit ist die härteste, aber in den meisten Fällen fragen die Leute nach 4-6 Wochen gar nicht mehr permanent danach, wo ihr zu Hause ist, wo sie sind usw.
Ich würde ihn nicht anlügen, aber auch nicht die volle Wahrheit erzählen. Wenn er danach fragt, ob er hier für immer bleiben muss, dann sei ehrlich, wenn er nicht danach fragt, dann lass das Thema weg.

Es ist schwierig, weil ich deinen Vater nicht kenne und somit auch schlecht einschätzen kann, "Ferndiagnosen" sind ja immer so eine Sache. Aber ich hoffe, du weißt, was ich versuche dir zu sagen.

Ich hoffe, ich konnte dir etwas weiterhelfen, auch wenn ich "nur" Azubi bin. Desweiteren wünsche ich dir, deiner Mutter und deiner Familie viel Kraft und Zuversicht für das neue Jahr und einen guten Rutsch - und versucht das beste aus der Situation zu machen :troesten:

lg, kathrin
 
Vielen Dank für eure Antworten!

Leider konnte ich wegen Nachtdienst die letzen Tage nicht zu meinem Vater. Seine Stimmung und sein Orientierungsgrad sind von Tag zu Tag sehr unterschiedlich.

Meine Mutter war heute bei ihm und er war sehr aggressiv. So, daß sie Angst hatte er würde mit Stühlen ach ihr werfen. Sie hat ihm in dieses Verhalten hinein gesagt das er nächste Woche in ein anderes Haus verlegt wird. Wieviel davon er verinnerlicht hat weiß ich nicht. Besonders reagiert hat er darauf nicht aber er war ja auch schon maximal erregt.

Ich habe großes Vertrauen in das Pflegeheim. Es ist wirklich schön dort. Ich habe keinen einzigen unglücklichen Menschen gesehen, weder Personal noch Bewohner wirkten unzufrieden.
Auffällig viel Pflegepersonal am Patienten, alles sauber, es hat gut gerochen und die Atmosphäre war entspannt. Der Eingang sieht aus wie ein 4Sterne Hotel und auch im geschützten Bereich genießen die Bewohner viel Freiheit.

Es gibt 2 WB's für dementiell Erkrankte. Das Konzept sieht von Bedarfsmedikation und Fixierungsmaßnahmen ab. Bei Bedarf gibt es eine 1:1 Betreuung. Ich bin sicher er wird dort gut aufgefangen und natürlich sind wir alle da um ihm beizustehen.

Morgen fahr ich ihn besuchen und hoffe auf einen guten Moment. 3 Punkte für Ehrlichkeit war immer sein Credo wenn wir mal Mist gebaut haben und dem werden wir versuchen treu zu bleiben.

So, die Schicht ruft, vielen Dank nochmal für eure Antworten

Angela
 
Hallo Angela,

heimtechnisch klingt das ja sehr positiv und vielversprechend, hoffentlich klappt dort alles so, wie Ihr Euch das vorstellt. Vor allem die Medikamentensache ist doch positiv. Vermutlich versuchen die in dem Heim auch eher zu validieren, als gleich zu Medikamentenschrank zu greifen (deshalb wahrscheinlich auch mehr Personal) - das macht doch schonmal einen top Eindruck. Wie kommt denn deine Mutter damit zurecht?

Ja, ich denke gerade in den eigenen vier Wänden muss man höllisch aufpassen, wenn ein dementiell veränderter Mench aggressiv wird, weil man dort ja ganz anders organisiert ist als im Heim (es ist evtl enger, Messer, Scheren sind frei zu gänglich etc.)
Aber war es nicht bei der Lewy-Körperchen-Demenz auch so, dass die Leute erstmal an den Frontallappen abbauen und dadurch so aggressiv sind?

lg
 
Moin Mitsubishi!


Meine Mutter macht sich leider verrückt mit der Idee sie würde ihn abschieben!
Dabei hat sie es wirklich bis zum letzten Moment versucht, hat uns Kindern verheimlicht wie es wirklich um ihn steht.
Das sie zu Hause schon Angst vor ihm hatte weil er so aggressiv war, hat sie erst jetzt gebeichtet. Meine Schwester und ich machen ihr da keinen Vorwurf, das Kind ist ja nun schon in den Brunnen gefallen und unsere Mutter geht ohnehin gerade durch die Hölle.

Bis vor 5 Wochen hatte ich noch nie von der Lewy Body Demenz gehört.
Seither hab ich viel darüber gelesen aber das alles ist nicht wirklich mein Fachgebiet.

Ich denke die Aggression hat viel mit Angst zu tun aber auch damit das mein Vater sowohl beruflich als auch privat immer der unangefochtene Boss war! Er ist ein dominater Charakter und läßt sich nicht gern etwas sagen.

Die Station auf der er liegt ist zwar eine Fachabteilung mit vermeintlichem Fachpersonal, ich jedoch nenn das dort Irrenverwahranstalt denn die Patienten werden dort satt und sauber gemacht (so sie es spontan zulassen) und kriegen ihre Medikamente.
Außerhalb dieser Maßnahmen sind sie alle sich selbst überlassen. Die Atmosphäre ist bedrückend.
Sämtlich Infos über seine Persönlichkeit und seine Biographie sind schlichtweg im Orbit verpufft, das Konzept sind Medikamente und Fixierung!

Mein Vater reflektiert und kommuniziert auf seine Weise. Ich bin ganz sicher das er mit liebevoller Betreuung auch wieder mehr Sonne in seinem Leben hat. Wir werden sehen wie sich alles ab Dienstag entwickelt.

Lg Angela
 
Hi Angela,

Das klingt natürlich weniger berauschend....
Ich arbeite in einem Altenheim das in Anlehnung an das "3-Welten-Konzept" arbeitet. Man geht ja davon aus, dass man einen Demenz-Verlauf in 3 Grade einteilen kann (leicht, mittel, schwestdement). Die Stationen sind nach Bedürfnissden der Bewohner gestaltet, so gibt es auch nur Rundwege, damit sich die Bewohner nicht verlaufen können. Farb,- Licht- und Raumgestaltung sin der jeweiligen "Welt" angepasst. Das Personal (Fachkräfte wie auch Pflegehelfer usw.) werden gerontopsychatrisch immer wieder geschult und weitergebildet, um immer auf dem aktuellesten Wissens- und Pflegestand-/erkenntnissen zu sein.

Und da spielt die Biographie des Bewohners doch eine immense Rolle. Ich muss doch wissen, was der Bewohner posititves und negatives erlebt hat, was er für Gewohnheiten, Vorlieben und Abneigungen er hat usw. - das ist doch total wichtig, für die Zusammenarbeit zwischen Pflege(fach)kraft, Bewohner und vor allem den Angehörigen.

Vllt hast du ja Glück und findest nochmal so ein Heim in der Nähe?! Aber es klingt so, als kämst du aus dem Norden, ich finde, da hat man leider sowieso wenig Altenheime die auf Gerontopsychatrie eingestellt sind.

Bei uns im Haus gibt es auch Veranstaltungen für Angehörige, um den richtigen Umgang mit dementiell veränderten Bewohnern zu erlernen, zu verstehen, aber vor allem auch, um sich auszutauschen - Stichwort Selbsthilfegruppe - wäre vllt auch noch eine Option für deine Mutter?!

Trotzdem hoffe ich, dass ihr die für Euch individuell richtige Lösung findet!

lg
 
Moin Mitsubishi!

Das war die geschlossene Gerontopsychiartrie in Hamburgs größten psychiatrischen Krankenhaus. Er ist vor knapp 5 Wochen per Paragraph dort eingeliefert worden.
Einfach nur gruselig, ein absolutes Negativbeispiel, sicher auch weil dort zu wenig Personal arbeitet und ich will den Kollegen dort auch keinen Vorwurf machen aber die ganze Familie ist traumatisiert von diesen Eindrücken.

Wir haben Glück im Unglück das er morgen in dieses Heim umziehen kann.
Wie ich ja schon berichtet habe ist es sehr schön dort und ich bin sehr zuversichtlich das mein Vater dort gut aufgehoben ist.

Auch die verzweifelten Angehörigen werden dort aufgefangen und können an Angeboten teilnehmen. Ich hoffe meine Mutter nimmt die Hilfe an, denn die Krankheit meines Vaters wird fortschreiten.

Er wollte heute mit der Kutsche los,.......wir sollten mal die Sachen packen und dann los! Ich hab ihm gesagt das wir das morgen machen aber das wir mit nem Krankenwagen fahren. Das fand er gut.

Also, morgen ist der große Tag. Wir sind ehrlich mit ihm. Ich hoffe es läuft alles gut.

Lg Angela
 
Moin Moin!

Es ist vollbracht!

Mein Vater ist gut angekommen. Starke Unruhezustände sind bisher ausgeblieben. Das Pflegepersonal läßt ihm seine Zeit und bedrängt ihn nicht, alle sind sehr freundlich mit ihm und er läßt auch schon einiges zu.

Wir (die Familie) sind erstmal erleichtert. Meine Mutter kämpft noch mit Vorwürfen die sie sich selbst macht aber wir arbeiten daran.

Nochmals vielen Dank für eure Ratschläge und den Beistand. Das hat mir sehr geholfen.

Lg Angela
 
Liebe Angela,
es ist inzwischen viel Zeit vergangen, heute stehe ich vor der gleichen Frage. Ich hoffe, du liest dies einmal. Wie hast du es deinem Vater gesagt, und wie ist die Sache ausgegangen?
Liebe Grüße
Gerlinde
 
Generell möchte ich zu diesem Thema noch sagen, dass sich durch das Pflegeneuausrichtungsgesetz sehr viel in der häuslichen Betreuung Demenzkranker getan hat.
Eine Betreuung zuhause ist durchaus machbar, wenn man alles in Anspruch nimmt.

Damit möchte ich natürlich nicht diesen konkreten Fall bewerten, es ist nur so, dass man oft gar nicht weiß, was es ambulant an Möglichkeiten gibt. Stichwort: Pflegestufe (mit erhöhtem Pflegegeld für Demenzkranke), Verhinderungspflege, Tagespflege, Leistungen aufgrund der eingeschränkten Alltagskompetenz.
Man kann dazu auch jederzeit ein Beratungsgespräch nach § 45 SGB 11 in Anspruch nehmen. Ist für Angehörige kostenlos.
 
"Pappa, Du kommst ins Heim" ?!?

Nein mal im Ernst. Wir kennen weder Deinen Vater noch Dich. Wie soll ein solches Forum denn da Hilfreich sein?
 
Ganz einfach: Dies Forum dient auch der Ideenfindung und nicht der genauen Rezeptur: "Man nehme..."
 
Liebe Gerlinde!

Jetzt ist mein Vater schon seit einem halben Jahr tot.
Rückblickend kann ich sagen das die Wahrheit für alle Beteiligten das Beste war und das ist auch was ich Dir empfehlen möchte.

Mein Vater hat seine Erkrankung anfangs verdrängt und später nicht akzeptiert, noch später konnte er es nicht mehr verstehen.
Er hatte viele Tricks um seine Verwirrtheit zu verbergen.

Mit ihm ehrlich gewesen zu sein hat uns allen geholfen mit der Situation umzugehen.

Er hat es nicht verstanden, er war unglücklich, fühlte sich verraten und verlassen und alles wäre noch schlimmer gewesen wenn er tatsächlich belogen
und betrogen worden wäre.

Lg Angela
 
Bei meiner Schwiegermutter war es so, daß wir ihr diese Erklärung zusammen übernommen hatten.
Für sie war es in diesem Gespräch wichtig zu wissen, daß sie nicht alleine gelassen wird und daß wir auch diese Situation
als Familie mit ihr zusammen durchstehen werden.

Wir waren froh, daß wir das Gespräch zusammen gut gemeistert hatten.
Am nächsten Tag waren wir wieder bei Null und das gesamte Gespräch war aus ihrem
Gedächtnis verschwunden.
Egal was wir versuchten, es kam bei ihr nichts bleibend davon an.
Die aggressiven Phasen bei ihr wurden indess immer häufiger, und wechselten sich
mit Phasen von Bewustlosigkeit ab, wobei die Ursache bei ihr nicht in einer Parkinsonerkrankung
lag, sondern in einem hirnorganischen Pschosyndrom nach Polytrauma.

Als die Verlegung in das Pflegeheim anstand war sie ohne Bewustsein, sodaß wir einen Liegendtransport
organisieren mußten.
Sie hat bis heute nicht mitbekommen, wo sie ist und warum, und egal welche Mühe man sich bei
Erklärungen gibt, die verwirren sie nur. Ich denke sie glaubt sie befände sich noch immer
in der Klinik. ( Sie war mehrmals in der Akutphase in verschiedene Kliniken verlegt worden, während sich
der Zustand ihrer Hirnschädigung immer weiter verschlechterte.)

Mittlerweile haben wir es aufgegeben ihr zu erklären wo sie ist und warum.

Das tut uns einerseits sehr leid, andererseits scheint es auch sehr gnädig für sie zu sein, nicht
alles mitzubekommen. Sie hat nur einzelne Erinnerungsinseln und weiß im Moment wer sie ist und
wer wir sind. Alle anderen Gedanken von ihr zerfließen ineinander, werden mit Halluzinationen vermischt
und ergeben keinen Sinn.

Sieht man so einen Zustand bei einem fremden Patienten ist das ganz etwas anderes, als wenn man
den Menschen kennt, dem es so ergeht.
Verschiedene Erinnnerungsfetzen kann man identifizieren, aber man kann dem Ergebnis
nicht folgen.

In ruhigen Phasen hat man oft den Gedanken, es könnte an einzelnen Tagen besser sein
um am nächsten Tag 5 Schritte zurück zu rudern.

Bei der Schwiegermutter hatte es überhaupt keinen Sinn gemacht, daß wir und über
die Art des Gesprächs Gedanken gemacht haben. Das hätten wir auch genauso gut
auslassen können. Es kam davon nichts an, was sie hätte aufnehmen können.

Es ist einfach zu individuell, daß man dabei irgendwelche Tipps geben könnte, wie und
ob man das Thema überhaupt besprechen muß.

Es kommt auf den Zustand des Menschen an, den man in ein Pflegeheim geben muß.

Der Schwiegervater hatte mich anfangs als es ihm schlechter ging gebeten nach
einem Pflegeheim für ihn zu suchen. Auch das verschwamm später zu einem wirren
Einheitsbrei und er nahm davon Wochen später nichts mehr wahr.
Er verstarb noch während der Zeit in der wir diesen Pflegeheimplatz hätten finden
können und war zuhause anders versorgt worden.
Zuletzt hätte er von seinem Wunsch, daß er in ein Pflegeheim wollte überhaupt
nichts mehr gewust. Die Zeitspanne vom Wunsch in ein Pflegeheim zu gehen
bis zu seinem Tod dauerte von mitte Februar bis zum 15. April desselben Jahres.

Auch hier änderten sich die Spielregeln täglich.

Meine Mom macht sich seit mehr als 10 Jahren mit dem Gedanken an ein Pflegeheim
fertig, was zur Zeit überhaupt nicht spruchreif ist und vielleicht überhaupt nicht
infrage kommen muß. Ich denke, sie will nur hören, daß wir sie niemals in ein
Pflegeheim geben würden.
Das würde ich allerdings SO nicht versprechen, denn der Zustand der Schwiegereltern
ist so, daß man diesen zuhause für den Schwiegervater nur leisten konnte, weil wir
über bis über unsere eigenen Grenzen hinausgingen, und die Schwiegermutter ist in
einem viel bedenklicheren Zustand, für den man im Monat mindestens 5 Pflegekräfte
bräuchte um diesen zu organisieren, und die müßten eine medizinische Ausbildung haben.

Ich denke, so ein Gespräch: wann ein Pflegeheim nötig ist muß zu einem viel früheren
Zeitpunkt mit den alternden Menschen besprochen werden, nämlich wenn dieser noch
gesund genug ist einem solchen Gespräch zu folgen.

Manche Eltern hören sehr gerne von ihren Kindern den Satz:" Du mußt niemals in ein
Pflegeheim.
" Solche Gespräche geschehen aber meißtens zu Zeiten in denen das Kind noch nicht
arbeitet, keine eigenen Kinder hat und überhaupt noch nicht abschätzen kann wie gesund
und leistungsfähig die Kinder zu dem Zeitpunkt selbst sein werden.
Diese Gespräche handeln von sehr abstrakten Lebenssituationen, nicht davon wie ein
Schwerstpflegefall real aussehen kann.
Man hat in solchen Gesprächen einen zwar alten aber lieben Menschen vor Augen,
der nur hinfällig ist.

Ich würde jedem raten, ein solches Gespräch mit seinen Pflegefällen die auf einen
zu kommen könnten rechtzeitig zu führen.
Bei meiner Mom, weiß ich zb. in welches Pflegeheim sie möchte und was sie sich
vorstellt, und sie weiß in welchen Zustand so eine Entscheidung für uns fallen muß und fallen wird,
wo unsere persönlichen Grenzen sind, die wir für uns noch leistbar sind.

Ob sie das später tatsächlich realisieren kann, das steht auf einem anderen Blatt.
Aber immerhin sind die Tatsachen schon mal auf dem Tisch gewesen und besprochen
worden.
Das Thema, was aus einem wird, wenn es nicht mehr gehen sollte, gehört meines
Erachtens früher besprochen.

Gibt es den Satz in der Familie:" Ich würde meine Eltern niemals in ein Pflegeheim geben."
den man immer wieder hört, dann wird diese Tatsache um so schlimmer, sollte sie akut werden
müssen. ( den hört man immer wieder , insbesondere von sehr jungen Kollegen.)

Den höre ich auch von meiner Tochter,- was dazu führt, daß ich sage: "Soetwas will ich
überhaupt nicht haben. Ich habe keine Kinder großgezogen um die später zu belasten und
bis an einen Nervenzusammenbruch zu bringen, oder meinen Enkeln die nötige Aufmerksamkeit
und Unbekümmertheit zu entziehen, die ihnen zusteht.")

Einen alten Menschen pflegen, der lieb und nett bleibt, nicht wegläuft , nicht spuckt, kratzt, tritt und beißt
und der sich und andere nicht selbst 24 Stunden täglich in Lebensgefahr bringt, kann etwas ganz
anderes sein, als man im Endeffekt unter Umständen erhält.

Liebe Grüße fearn
 
Ich glaube, dass Aushalten dieser Gedächtnisschwankungen ist sehr schwierig zu händeln für uns Krankenschwestern. Da haben uns die Altenpfleger viel voraus. Sie erlernen Techniken wie die Validation. Hier geht es ja nicht um die Aussage sondern um die Gefühle, die dahinter stecken.

Bezogen auf das Pflegeheim- was befürchtet der Angehörige und wie kann man das Problem ev. lösen. Ich habe in meiner Seminartätigkeit viele Heime gesehen. Ich so einige möchte ich auf gar keinen Fall. Aber es gab da eins- das war einfach nur schön. Kleines Haus. Nur 30 Bewohner auf 2 Etagen. Viel Freiraum für die Bewohner. Keine festen Tischzeiten. Tiere im Haus waren selbstverständlich. Dort habe ich keinen in einer Sitzecke stumpf vor sich hindösend gesehen. Alle waren i-wie beschäftigt. Warum mag das da so familiär zugegangen sein?

Btw.- nicht jeder alte Mensch kratzt, beißt und spuckt. Manchmal ist es die letzte verbliebene Möglichkeit doch noch seinen Willen zum Ausdruck bringen zu können. Da kann die Fachfrau viel erreichen mit ihrer Kompetenz. Die fehlt dem Laien einfach. Es kann also auch für den Betroffenen gut sein, wenn er im Heim von Profis umsorgt wird.

Mit Sorge sehe ich in diesem Zusammenhang die Bestrebungden der Regierung in Richtung Generalisierte Ausbildung. Ich befürchte, dass vieles an Wissen aus der Altenpflege zugunsten der medizinisch orientierten Karnkenkenpflege auf der Strecke bleiben wird.

Elisabeth
 
Liebe Angela,

vielen Dank für deine Antwort. Könnten wir uns vielleicht private mails schreiben? Ich bin zum ersten mal in einem Forum und weiß nicht, wie das geht.

Allen anderen danke ich auch für die ausführlichen Beiträge - mir hilft es, andere Betroffene zu hören.
Meine Mutter ist übrigens 91 Jahre alt und war selbst Krankenschwester (ich nicht). Sie kennt die Krankheit Demenz und mochte die Dementen überhaupt nicht. Sie hat die Krankheit kommen sehen, nicht verdrängt und tapfer gegenangekämpft. Sie hat vor 11 Jahren ihr Haus verkauft und sich eine Wohnung im betreuten Wohnen gesucht. Leider ist es da nicht so gut, wie wir alle gedacht haben. Ein Problem ist, dass meine Mutter ein Leben lang immer alles allein entschieden hat und eine sehr dominante Person ist. Sie will sich von uns gar nicht helfen und schon gar nichts vorschreiben lassen. Mir geht es tatsächlich um die Frage, was man nun sagt. "Du solltest jetzt mal umziehen, wollen wir uns das Zimmer mal angucken, und was möchtest du mitnehmen?" Vor einem halben Jahr haben wir gemerkt, dass sie manchmal verwirrt ist und es mit der Alltagskompetenz nicht mehr funktioniert. Essen bestellen, ambulanter Pflegedienst - hat nicht geklappt. Wir drei Geschwister haben uns für ein Pflegeheim entschieden. Sie muss nur die Straße überqueren und sie kennt das auch schon und auch einige Bewohner dort. Jetzt muss nur noch ein Zimmer frei werden, und wir müssen es ihr sagen. Am besten so, dass sie es selbst entscheidet!

Liebe Grüße
Gerlinde
 

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