Jaså,
das verstehe ich.
Ich bin jedenfalls weder Single noch 40 - sondern Mitte dreißig, geschieden und wieder verheiratet und Vater von 4, ab Dezember dann 5 Kindern (das also scheitert keineswegs an den Schichten!). Meine Frau arbeitet auch Vollzeit und - wenn sie nicht schwanger ist - genauso Schicht und Wochenenden. Etwa so alle zwei Monate haben wir mal ein gemeinsames Wochenende - das allerdings müssen wir gezielt so planen, sonst werden schnell mal drei Monate draus.
Ich habe allerdings trotzdem überhaupt kein Problem mit Wochenendarbeit, sondern vielmehr ein Problem mit Menschen, die diesbezüglich überhaupt keine Ahnung und nicht das geringste Verständnis haben - beispielsweise Schullehrer, Exfrauen, Post- und ganz besonders Paketboten, Finanzbeamte, Kindergärtnerinnen, Callcenter-Mitarbeiter, Telekom-Angestellte, Versicherungsvertreter, Kommunalpolitiker und Schwiegermütter.
Unser Familienleben ist natürlich ein wenig taktversetzt und phasenverschoben gegen diese und andere Gruppen von Montag-bis-Freitag-8-bis-16-Uhr-arbeitenden Mitmenschen, aber wir - als Paar wie als Familie - kommen nicht weniger zusammen, sondern nur unregelmäßiger.
Wir sind ja vielleicht ein wenig abgeschnitten von den Jedes-Wochenende-Freihabern, aber das ist nun weiß Gott (und der muß es in diesem Fall ja wissen) nicht wirklich die Mehrheit.
Es gibt einen ganzen Haufen Menschen, die unregelmäßig Schicht und Wochenenden (mein Vater zum Beispiel - Wachleiter im Rettungsdienst) oder überlange Dienstzeiten arbeiten (mein Nachbar zum Beispiel, Hausarzt), die jedes Wochenende Dienst schrubben (eine andere Nachbarin, Kripo), oder die sowieso jeden Samstag und die meisten Sonntage arbeiten müssen (ein Freund, Bäcker und seine Freundin, Kellnerin), die zu den dämlichsten Uhrzeiten und vor allem gerade immer wochenends arbeiten (mein Schwager, 18-2 Uhr, Barkeeper, oder sein Bruder, Chefkoch, ein früherer Freund, DJ, und dessen Mann, Musiker), die manchmal monatelang im Einsatz und von den Lieben getrennt sind (ein anderer Freund, Berufssoldat, 6 Monate in Afghanistan) oder die einfach des lieben Geldes wegen am Wochenende zusätzlich arbeiten müssen.
Das Selbstmitleid vieler Pflegender ist - was Wochenenden und Schichtarbeit angeht - genauso grandios wie das Unverständnis derer, die das niemals hatten. Da sieht nun einer wie der andere nicht über den eigenen Tellerrand.
Ich finde Schichtarbeit gut und selbstredend auch wichtig (hoffe nur, die Politiker sehen das auch ein), wünsche mir nur manchmal mehr Regelmäßigkeit und vielleicht auch etwas verläßlichere Dienstpläne, und hin und wieder die Einsicht mancher Regelmäßig-Freihaber, daß deren Rhythmus alles andere als selbstverständlich oder gar allgemein normal ist, und das die meisten (!) wirklich wichtigen Dinge im Leben und in unserer gesellschaftlichen Realität nun mal nicht ausschließlich montags bis freitags, 8-16 Uhr (oder andersherum: das Liebesleben ausschließlich abends, nachts oder am Wochenende) stattfinden.
Ein solcher Standesbeamter, der mich eines Freitags um 15:30 Uhr einmal saudumm abblitzen ließ, kam am darauffolgenden Samstagnachmittag in unserem Notfallraum zu eben dieser grandiosen Einsicht: gut, das es anders war, als er dachte!